Torus der Tloxi. Matthias Falke

Torus der Tloxi - Matthias Falke


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sie eingeschlechtlich?«, fragte sie in Richtung Rogers.

      Der alte Haudegen und Veteran der Schlacht von Persephone sah sich unser pubertäres Getue mit erstaunlicher Geduld an. Schließlich nickte er seiner Lieblingsschülerin anerkennend zu.

      »Das sind sie in der Tat. Sie pflanzen sich fort, indem sie …« Er stockte. Ein Anflug von Ekel schien über sein Gesicht zu ziehen. Dann setzte er sein Chefausbilder-Grinsen auf. »Das werdet ihr früh genug erfahren.«

      Kapitel 3 – Der Konvent

      Die Große Agora war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Delegationen Dutzender Welten hatten sich ihre Nischen zuweisen lassen. Tloxi-Assistenten und Ordonnanzen der fliegenden Crew waren um sie besorgt, erklärten ihnen den Gebrauch der Übersetzungs-KIs und reichten ihnen Wasser oder andere Erfrischungen, die ihren jeweiligen Bedürfnissen und Gewohnheiten angemessen waren. Viele Abordnungen vertrugen nicht einmal das Stickstoff-Sauerstoff-Gemisch, das die Atmosphäre des Torus bildete. Es war der Erdatmosphäre nachempfunden und auf den menschlichen Organismus abgestimmt. Aber natürlich gab es unter den extraterrestrischen Zivilisationen zahllose, die an andere natürliche Lebensräume angepasst waren. Manche atmeten Wasserstoff, andere Helium, wieder andere atmeten überhaupt nicht. Die Bevorzugung der humanen Spezies, die sich in der Ausstattung des Torus niederschlug, hatte im Vorfeld zu einigen scharfen Protesten geführt. Ebenso die Tatsache, dass die Verhandlungssprache das Unierte Englisch sein würde.

      Pikanterweise waren es vor allem jene Kulturen, die den Sinesern am engsten verbunden gewesen waren, die keine Gelegenheit ausließen, ihren Protest einzureichen. Die Laya etwa und die Zthronmic, vor deren fauchender Delegation sich auf den Gängen breite Gassen bildeten. Dabei atmeten sie das gleiche Luftgemisch wie die menschlichen Gastgeber des Kongresses, und auch des Unierten Englisch waren sie aufgrund von Handels- und anderen Kontakten mächtig. Sie benutzten jedoch jeden noch so banalen Anlass, um die Eröffnung des Kongresses zu torpedieren und ihre Unzufriedenheit auszudrücken. Schon bei den bilateralen Vorgesprächen hatten sie immer wieder von »Siegerjustiz«, »Herrenmoral« und »imperialem Gebaren« geraunt, das die Union an den Tag lege. Man durfte gespannt sein, wie es den Verhandlungsführern der Union gelingen würde, sich mit diesen Vertretern auftrumpfender Völker auf eine Geschäftsordnung zu einigen.

      Als die Agora voll besetzt war, herrschte ein Geräuschpegel wie in einem Sportstadium unmittelbar vor dem Anpfiff. Überall zischelten die Übersetzungscomputer und sprachen die Delegationsmitglieder miteinander. Zahllose Geräte, die den Gasaustausch der unterschiedlichsten Spezies steuerten, verbreiteten die Anmutung, man befinde sich in einem Großlabor. Mit klickenden Schritten ihrer metallenen Sohlen eilten Tloxi des protokollarischen Dienstes zwischen den Nischen hin und her, um jedem Deputierten des Kongresses jeden noch so abenteuerlichen Wunsch zu erfüllen. Gerade in der Anfangsphase der Tagung war jeder Eindruck zu vermeiden, es würde eine Abordnung benachteiligt oder man lasse die Anstrengung vermissen, jedem Vertreter den größtmöglichen Komfort zuteil werden zu lassen. Alle sollten sich, den Umständen entsprechend, wohlfühlen. Vor allem mussten alle sicher sein, mit der gleichen vorurteilslosen Zuvorkommenheit empfangen zu werden.

      Sie alle waren Gäste der Union. Die ehemaligen Verbündeten der Sineser waren nur zu dem Kongress erschienen, indem sie hiergegen ihren formellen Protest eingelegt hatten. Die Frage, wer Hausherr und Gastgeber war, hatte ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen. Sie entschied auch, wer das Vorschlagsrecht hatte, und darüber hinaus gab sie Auskunft darüber, wessen Wort in der Galaxis gelten würde.

      Interessanterweise hatten aber auch etliche Völker protestiert, die auf ihre Neutralität Wert legten. Sie wollten um jeden Preis den Eindruck vermeiden, ihre Präsenz auf dem Kongress könne als Vorentscheidung darüber interpretiert werden, dass sie sich der Union anzuschließen gedächten – oder in Erwägung zögen, sie als relevante Macht anzuerkennen.

      Und schließlich gab es Welten, die jahrhundertelang von Sina geknechtet, versklavt und ausgebeutet worden waren und die die Vernichtung Sinas in die Freiheit entlassen hatte. Weit davon entfernt, die neue Selbstbestimmung freudig anzunehmen, hatten auch sie zunächst einmal protestiert. Den meisten dieser Kulturen hatten die Sineser im Verlauf ihrer generationenlangen Vorherrschaft wichtige Denkmäler, Kultstätten und andere Heiligtümer geraubt und sie in ihrem Trophäenpark mitten im Herzen Sina Citys ausgestellt. Diese perverse Präsentation war bei der Zerstörung Sinas atomisiert wurden. Etliche der Völker, die sich weniger befreit als geschädigt sahen, hatten Forderungen gegenüber der Union erhoben, die auf Rückgabe der Heiligtümer – was faktisch unmöglich war – oder angemessene Entschädigung hinausliefen. Verhandlungsführer dieser Gruppierung waren die kuLau, deren Sonnentempel vor mehr als zweihundert Standardjahren von ihrer Heimatwelt verschleppt und in Sina City zur Schau gestellt worden war. Der Tempel war ein Monument, dessen identitätsstiftende Bedeutung unersetzlich war. Die kuLau hatten daher materielle Restituierung und eine darüber hinausgehende Strafzahlung gefordert. Es war klar, dass die Union dem nicht stattgeben konnte. Genauso klar war aber auch, dass die Völker diese Drohungen und Forderungen in den anstehenden Debatten als Verhandlungsmasse einsetzen würden. Man konnte so den Preis für jede Zustimmung nach oben treiben, und sei es für die Tatsache, an dem Kongress teilzunehmen. Die Union hatte sich den kuLau gegenüber bereit erklären müssen, die Entschädigungscausa auf die Tagesordnung zu setzen, da die Delegation sonst überhaupt nicht angereist wäre. Zwar war man weit davon entfernt, darin ein Zugeständnis zu sehen, dass die Entschädigung auch gezahlt werde. Dennoch begann der Kongress, bevor er offiziell eröffnet war, mit nicht unerheblichen Hypotheken.

      Die Große Agora war in Form eines weiten Amphitheaters erbaut, das in hellen Grautönen gehalten war. Die halbkreisförmig ansteigenden Ränge trugen die Nischen der einzelnen Delegationen. Dazwischen führten flache Treppen und Quergänge hin und her. Die Stirnseite war von einer großen Tribüne gebildet, auf der ein Rednerpult aufgeschlagen war. Sämtliche Hoheitszeichen oder Embleme fehlten. Etwas zurückgesetzt schlossen sich zu beiden Seiten die Plätze der Protokollführer, des Ordnungsdienstes, der Hohen Repräsentanten und anderer Honoratioren an. Über den Rängen der Delegationen verlief ein zweiter, noch größerer Halbkreis, in dem die Vertreter der beobachtenden Abordnungen Platz genommen hatten. Die Union hatte ranghohe Mitglieder beider Stäbe in diese Logen entsandt. Der Nuntius des Prana-Bindu-Ordens hatte sich hier im Kreise seiner Begleiter niedergelassen. Und auch ein Wachbataillon war aufgezogen, dessen Uniformen man mit großer Sorgfalt neutral gehalten hatte.

      Das Halbrund hallte von dem infernalischen Stimmengewirr und dem Getöse der verschiedenen technischen Einrichtungen wider. Ab und zu wurde dieses Grundgeräusch noch von dem Raubtiergebrüll der Zthronmic durchbrochen, woraufhin der Hintergrundlärm für einige Zeit nachließ. Jetzt scholl wieder ein lautes Fauchen auf. Mehrere Zthronmic waren aufgesprungen und gestikulierten wild, wobei sie ein Kreischen und Gurgeln ertönen ließen, das die ranghohen Vertreter des Militärs und Veteranen der Schlacht von Sina auf ihren Rängen erbleichen ließ. Ein Tloxi des protokollarischen Dienstes flog in hohem Bogen quer durch den riesenhaften Raum und zerschellte an einer der Seitenwände aus gehärtetem Elastalstahl. Seine Kameraden bargen die herabregnenden Trümmerstücke und trugen sie aus dem Saal. Der respektvolle Hof, der sich um die zthronmische Delegation gebildet hatte, wurde noch ein wenig größer. Die Soldaten des Wachbataillons spannten die Muskeln und richteten die Blicke auf ihren Hauptmann aus. Unten erhob sich der junge Mann, der die Delegation der Amish führte, und ging zur Nische der Zthronmic hinüber. In seinem schlichten weißen Gewand trat er den tobenden Monstra gegenüber. Anfangs sagte er kein Wort, sondern senkte nur einen tiefen, imponierenden Blick in sie. Dann sprach er leise auf sie ein. Es wurde so still im Saal, dass man seine eindringliche Rede hören, wenn auch nicht verstehen konnte. Er hatte die leeren Hände vor die Brust gehoben. Und natürlich war er unbewaffnet. Die Zthronmic trollten sich mit missmutigem Knurren und nahmen ihre Plätze wieder ein. Dabei schlugen sie die Blicke nieder wie Zirkuslöwen, die von ihrem Bändiger in den Käfig zurückgetrieben werden.

      In diesem Augenblick erscholl eine Fanfare – eine Fantasiekomposition, der man möglichst wenig Ähnlichkeit mit der offiziellen Hymne der Union anhören sollte –, und die höchsten Vertreter des diplomatischen Korps betraten die Tribüne. Der Hohe Rat Xanda Salana schritt ans Rednerpult. Die meisten Delegierten


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