Torus der Tloxi. Matthias Falke

Torus der Tloxi - Matthias Falke


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gleichziehen, vielleicht. Uns austauschen und ergänzen. Ich würde gar nicht in solchen Kategorien der Konkurrenz denken, die der anderen Seite immer schon Böswilligkeit unterstellt.«

      »Wir reden später weiter«, entschied ich, denn mir war aufgefallen, dass die politische Delegation ungeduldig geworden war.

      Rogers hatte als Einziger aufmerksam zugehört, während die anderen nur darauf warteten, dass es weiterginge. Reynolds schaltete für seine Verhältnisse ausgesprochen rasch.

      »Entschuldigen Sie«, brummte er, »dieses kleine Privatissimum.«

      Dann stellte er sich den Herren vor und brachte sie zu ihren Wohnmodulen, wo sie sich häuslich einrichten konnten. Auch wir bezogen wieder einmal ein Zimmerchen, das uns erstaunlich bekannt vorkam.

      Die Union hatte sich, als sie den Weiterbau des Torus beschloss, nicht nehmen lassen, beim Innenausbau einige Änderungsvorschläge einzubringen. Die geplante Ausstattung war auf die physiologischen Bedürfnisse der Sineser berechnet gewesen. Das hatte revidiert werden müssen. Was schon fertiggestellt worden war, hatten die Tloxi, die es gebaut hatten, mit derselben Emotionslosigkeit wieder hinausgeschmissen. Was stattdessen einzurichten war, war entsprechend den standardisierten Katalogen der Union erfolgt. Das Innere des Torus glich so auf ernüchternde Weise den Gängen und Schleusen, den Kabinen und Besprechungszimmern der MARQUIS DE LAPLACE und aller anderen großen Schiffe und Basen. Aber es gab auch einige Besonderheiten, sodass die Konstruktion ihre verwickelte Entstehungsgeschichte nicht verleugnen konnte.

      Eines dieser Beispiele zeigte Reynolds uns, sowie wir die Delegation losgeworden waren. Wir hatten nur einen kurzen Blick auf unsere Kabine geworfen und uns dann im Vorraum wieder getroffen. Über einen langen Gang, der sich allmählich verbreiterte, führte Reynolds uns zu einer großen Halle, die sich T-förmig nach beiden Seiten öffnete. Wir begriffen, dass wir bisher in einer der winzigen Blasen gewesen waren, die an der Außenhaut des Reifens saßen. Jetzt traten wir in eine gewaltige lang gezogene Glaskuppel hinaus, die dem Hangar eines Raumhafens glich. Ihre lichte Höhe betrug mehrere hundert Meter, und sie verlor sich nach beiden Seiten im Unendlichen. Das war der eigentliche Torus. Die Eigenkrümmung war nicht erkennbar.

      »Der Umfang des Torus«, erläuterte Reynolds, »beträgt über 400 Kilometer.«

      Wir nickten. Die technischen Daten hatten wir uns angeeignet. Dennoch war es etwas anderes, wenn man davor stand. Oder genauer gesagt: darin.

      »Ein strammer Fußmarsch«, fiel mir noch ein.

      »Keine Angst«, sagte Reynolds. »Ihr müsst hier nicht weiter zu Fuß gehen, als ihr unbedingt wollt. Von den Entfernungen im Inneren der Wohn- und Arbeitsblasen einmal abgesehen.«

      Wir durchquerten den riesigen Kuppelschlauch des Torus. Dabei sah ich nach oben, wo die mächtige Dachkonstruktion aus selbsttätig polarisierendem Elastalglas den Blick in den Raum freigab. Gegenüber, von uns aus gesehen genau im Zenit, verlief der fadendünne Strang der anderen Seite. Die Krümmung des Ganzen war nicht zu erkennen. Es wirkte, als verliefen zwei lineare Konstruktionen parallel im Raum.

      Dann erreichten wir den gegenüberliegenden Fußpunkt des Daches. Halbrunde Arkaden öffneten sich unter den meterdicken Elastalstahlträgern, die das Ganze stützten. Unter den Arkadenbögen flimmerten gelbe und blaue Lichtfelder. Als wir näher traten, erkannten wir, dass sich zwischen den Bögen vergleichsweise kleine Tunnel und Schächte öffneten, die parallel zur großen Haupthalle dahinzogen. Sie waren von gelblich zitternden Lichtsträngen erfüllt. Ab und zu näherten sich blaue Lichtbänder, in denen Menschen saßen – oder auch Tloxi oder andere Wesen –, die ausstiegen. Andere stiegen zu, die Kraftfelder wanderten weiter. Es gab keinerlei feste Gefährte, Sitzgelegenheiten, Armaturen, sondern nur die von Feldgeneratoren erzeugten gravimetrischen Mulden, in die man sich hineingleiten ließ wie in bequeme Liegestühle und die sich dann wieder in Bewegung setzten.

      »Eine Fahrt, einmal um den Torus herum, wird mehrere Stunden dauern«, sagte Reynolds. »Bis jetzt klafft in den oberen Segmenten aber noch eine Lücke von etwa dreißig Kilometern.«

      Jennifer und ich hatten die Vorrichtung angestarrt. Langsam lösten wir die Blicke davon. Dann sahen wir uns an.

      »Stimmt etwas nicht?« Reynolds hatte bemerkt, dass die Sache uns frappierte.

      »Das haben wir doch schon einmal gesehen«, entfuhr es mir.

      »Allerdings«, sagte Jennifer grimmig.

      Reynolds wirkte enttäuscht.

      »Schade«, meinte er. »Ich muss zugeben, ich war ziemlich beeindruckt. Vor allem als ich erfuhr, wie man es steuert.«

      Ich war perplex. Und auch Jennifer kratzte sich an ihrer Schläfe, um die sich keine Locke mehr ringelte, und versank in tiefes Nachdenken. Dabei spitzte sie die Lippen wie zu einem Kuss. Aber ihr Blick war ins Leere gerichtet.

      »Wie kann das sein?«, fragte ich nach einer Weile.

      Reynolds’ Augen wanderten von einem zum anderen.

      »Vielleicht«, sagte er langsam, »wenn ihr mir verratet …«

      Ich versuchte, die Beklemmung abzuschütteln. Wenn man in fremder oder neuartiger Umgebung ein Déjà-vu hat, ist es besonders beunruhigend. Aber allmählich präzisierte sich die Erinnerung.

      »In jenem Schiff«, berichtete Jennifer, »das eines Tages im Kleinen Korridor auftauchte, das tot und ausgestorben wirkte, das aber plötzlich zum Leben erwachte, als wir es erkundeten, und das uns direkt nach Sina City entführte – in diesem Schiff gab es ein solches Transportsystem.«

      Wir schwiegen und starrten in die vorbeisausenden gelben und blauen Lichtströme.

      Reynolds brauchte eine Weile, bis er die Ungeheuerlichkeit rekonstruiert hatte, die für uns in diesem Anblick liegen musste.

      »Es glich diesem hier aufs Haar«, fuhr Jennifer fort. »Die gleichen Bögen, die gleichen leeren, weißen Schächte, exakt die gleichen Farben, die die Richtungen der Felder anzeigten.«

      Ein Grauen schüttelte mich, als ich mir jene verzweifelten Stunden in Erinnerung rief. Wir hatten das finstere Schiff erkundet. In seinem Inneren war es dunkel gewesen. Mit Leuchtgranaten und mit der Rückstoßfunktion unserer Offizierspistolen hatten wir uns einen Weg durch die kilometerweiten lichten Hallen gebahnt. Seltsame Wesen hatten diese schwebende Ruine erfüllt. Und plötzlich war das Ganze von Licht durchflutet gewesen. Die Farbbögen hatten ihre Arbeit aufgenommen. Das Schiff hatte sich im oszillierenden Warp, den wir dabei zum ersten Mal am eigenen Leib erlebten, in Bewegung gesetzt und uns direkt nach Sina City gebracht, in die Höhle des Löwen.

      Reynolds war damals nicht dabei gewesen, denn wir hatten ihn schon vorher im Eschata-Nebel zurückgelassen.

      »Es war ein sinesisches Schiff «, wandte Reynolds ein, als Jennifer ihre Erzählung beendet hatte. »Und als Ingenieure der Sineser fungierten die Tloxi. Jetzt arbeiten sie für uns. Aber warum sollten sie nicht dieselben …«

      »Eben nicht«, fiel ich ihm ins Wort. »Es war ein fremdes Schiff. Es gehörte einer dritten Zivilisation, war weder menschlich noch sinesisch.«

      »Vielleicht war es eine Falle.«

      »Es war ganz sicher eine Falle«, meinte Jennifer. »So weit draußen im Kleinen Korridor. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie uns durch Zufall aufgefischt haben, ist praktisch gleich null.«

      Ich war da nicht so sicher.

      »Sie haben, als das Schiff gelandet war, nicht nach uns gesucht. Es wurde einfach auf diesem gigantischen Ehrenhof abgesetzt, wo sie die Monumente der unterworfenen Kulturen ausstellten. Wenn die ganze Aktion auf uns berechnet gewesen wäre, hätten sie sich anders verhalten …«

      Jennifer strich sich durch das kurze Haar.

      »Das alles ist Spekulation«, sagte sie. »Und Sina ist nicht mehr.«

      »Trotzdem bleibt es merkwürdig«, wandte ich ein. Und an Reynolds gerichtet setzte ich noch hinzu: »Sie können ja Ihre Freunde bei Gelegenheit mal fragen, wo sie das herhaben.«

      Er


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