Das aureanische Zeitalter IV: Vorstoß nach Terra. Alexander Merow
den Himmel verdunkelte.
„Diesmal ist die anaureanische Slumstadt Macpolis das Zentrum des systemweiten Aufstandes. Wieder arbeiten rebellische Ungoldene und UPC-Terroristen Hand in Hand zusammen, um die imperiale Ordnung zu Fall zu bringen. Wie weit reichen die Arme der Terrororganisation inzwischen? Gibt es mittlerweile sogar UPC-Ableger im Sol-System?“, erzählte der Nachrichtensprecher, wobei er besorgt in die Aufnahmegeräte blickte.
„Die UPC! Genial!“, rief Sobos und klatschte in die Hände.
„Es war uns wichtig, das Bedrohungsszenario noch weiter auszubauen. Man sollte ruhig mit den Sorgen und Ängsten der einfachen Menschen spielen. Sie sollen glauben, auch auf Terra nicht mehr vor der UPC sicher zu sein. So wird die Zustimmung für den zweiten Militäreinsatz auf Thracan immer weiter wachsen“, bemerkte einer der Optimaten.
Malix Yussam, der ebenfalls unter den Anwesenden war und sich die ganze Zeit über ruhig und abwartend verhalten hatte, sah sich das vor seinen Augen tanzende Propagandatheater mit verbissener Miene an.
Schließlich sagte er: „Auf der einen Seite werden die Anaureaner emanzipiert, um auf der anderen Seite wieder als Sündenböcke herzuhalten. Das ist schon merkwürdig.“
Mehrere Köpfe drehten sich dem Bankier zu. Einige Blicke spiegelten die Verachtung, die die optimatischen Politiker dem ungoldenen Emporkömmling gegenüber empfanden, deutlich wider.
„Das ist in der Politik eben so. Einfach ist nichts, alles hat zwei Seiten. Es ist das von Nutzen, was gerade von Nutzen ist, Herr Yussam“, meinte der Kaiser.
„Natürlich!“, murmelte der Geschäftsmann.
Lupon von Sevapolo, Sobos Stellvertreter und treuester Gefährte, musterte ihn kalt, um daraufhin anzumerken: „Fühlt Ihr Euch mit diesem Slumbewohnerpack etwa verbunden, Herr Yussam? Ihr seid reich und mächtig, was scheren Euch da solche verdreckten Kreaturen? Außerdem sind diese Bilder ohnehin nicht echt.“
Malix Yussam schwieg, er schaute weg. Derweil stellte sich der Archon vor die anderen Männer und hob seine speckigen Arme. „Im Großen und Ganzen bin ich mit diesem Propagandakonzept zufrieden. Das erhöhte Bedrohungspotential muss hervorgehoben werden, schüren Sie ruhig Angst, meine Herren. Aber übertreiben Sie es nicht. Man muss manchmal auch dezent vorgehen. Nicht immer ist es ratsam, den Leuten alles mit dem Energiehammer einzuprügeln.“
„Wir haben unsere Truppen bereits mit großem Tamtam ins Proxima Centauri System geschickt und jetzt müssen wir den Massen auch weiterhin Gründe dafür liefern“, sagte einer der Transmitterknoteninhaber.
„Antisthenes und seine Soldaten werden da hinten ohnehin nichts zu tun haben. Ich meine, Nero Poros wird das mit Leukos doch wohl längst erledigt haben, oder?“, kam von dem Optimaten daneben.
Sobos stieß ein leises Zischen aus. „Davon gehe ich aus, Marnil von Vernoa, alles andere ist eigentlich undenkbar. Leukos wird nicht mehr lange gelebt haben, da bin ich mir sicher.“
„Und wenn er – warum auch immer – doch noch nicht besiegt sein sollte?“, hakte Malix Yussam nach.
„Nicht besiegt?“, rief der Archon ungläubig. „Ich bitte Euch, mein lieber Freund, das ist doch lächerlich. Leukos ist ein guter General, aber doch kein Gott. Im schlimmsten Fall wird Antisthenes die Reste seiner Armee vernichten, wenn sich Poros als unfähig erwiesen hat. Aber das ist ein abwegiger Gedanke, Yussam.“
Die übrigen Optimaten stimmten sogleich in das hämische Gelächter ihres Anführers ein. Alle starrten sie Malix Yussam an, als hätte er soeben die dümmste Frage der Weltgeschichte gestellt. Der Bankier jedoch hielt ihren spöttischen Blicken stand und ließ es sich nicht anmerken, wie sehr ihn die ewige Arroganz seiner Gönner im Inneren kränkte.
Aswin Leukos stand aus seinem Sessel auf und kratzte sich am Hinterkopf. Wieder einmal hatte er das Gefühl, dass seine Schlachtpläne voller Schwächen und Unstimmigkeiten waren.
„Es gibt für mich überhaupt keinen Zweifel daran, dass Sobos inzwischen eine Kriegsflotte entsandt hat. Er hat Poros Hilferuf längst erhalten und wird sofort reagiert haben. Alles andere kann ich mir nicht vorstellen“, erklärte Magnus Shivas mit ernstem Blick.
Leukos betrachtete den weißhaarigen Adeligen, dem er so viel zu verdanken hatte, und ließ ein zustimmendes Brummen hören. Shivas lächelte in seiner väterlichen Art.
„Ihr werdet bald ohne mich auskommen müssen, Oberstrategos“, sagte er. „Allerdings seid Ihr mir in militärischen Angelegenheiten auch weit voraus. Ich denke schon, dass Ihr mit Eurer Flotte eine Chance haben werdet, selbst gegen eine Übermacht schwerer Lictor Kampfschiffe.“
„Niemand weiß, wie sich die Flotte, die uns Sobos auf den Hals gehetzt hat, zusammensetzt. Vorausgesetzt sie kommt tatsächlich.“
„Sie wird auf dem Weg sein. Der Verräterarchon kann uns nicht ignorieren und wird schnell gehandelt haben, General“, meinte Shivas.
„Und meine Enterstrategie wirkt auf Euch wirklich realisierbar?“, fragte Leukos unsicher.
Sein in die Jahre gekommener Gefährte schmunzelte sanft. Offenbar wollte er Leukos dadurch ein wenig beruhigen, denn dieser wurde von Tag zu Tag nervöser.
„Nun, ich bin kein Feldherr, der die Weltraumkriegsführung studiert hat, deshalb kann ich diese Frage nur unzureichend beantworten. Diese Taktik ist verwegen und verzweifelt, viele tapfere Männer werden dabei sterben. Ich kann nur hoffen, dass Ihr Erfolg habt.“
Der Oberstrategos ließ sich wieder in seinem Sessel nieder. Leise stöhnend fuhr er sich mit der Hand durch seine kurzgeschnittenen, blonden Haare. Das aristokratisch wirkende Gesicht des Feldherren hatte in den letzten Jahren eine Vielzahl kleiner Sorgenfalten hinzugewonnen. Oft wirkte Leukos erschöpft und müde; Zweifel und tiefsitzende Ängste nagten an seinem Verstand. Irgendwo dort draußen wartete ein übermächtiger Feind, dem er sich stellen musste. Ein Entkommen war unmöglich, darüber war sich der General längst im Klaren, alles Verdrängen half auf Dauer nichts.
„Die Strategie“, sagte er dann, „ist verwegen, sie ist geradezu brutal, aber mir bleibt keine andere Wahl. Wir können der Feuerkraft mehrerer Lictor Kreuzer mit unseren Schiffen nicht viel entgegensetzen, deshalb müssen wir die feindlichen Großraumer erstürmen, wie es Soldaten mit einem Schützengraben tun. Ja, mein Freund, ich weiß, dass dabei viele gute Legionäre ihr Leben lassen werden, es ist mir wohl bewusst. Der Göttliche möge mir verzeihen.“
Shivas hob den Zeigefinger, wobei er seinen jüngeren Mitstreiter eindringlich ansah.
„Wenn ihr die Schlacht im All verliert, dann ist auch mein Schicksal besiegelt. Unabhängig davon ist das Sol-System ein einziges, großes Bollwerk; nicht nur Terra selbst, sondern auch der Mars und die Venus. Woher wollt Ihr die Soldaten nehmen, um Sobos Militärmacht zu trotzen? Er hat Zugriff auf die gesamte Infrastruktur des Reiches, er verfügt über sämtliche Ressourcen …“
Leukos unterbrach den Statthalter energisch; aufgeregt riss er die Hände in die Höhe. „Das weiß ich alles!“
„Das Hauptproblem ist das Sol-System. Ich werde zwar versuchen, Euch Nachschub und Verstärkung zukommen zu lassen, aber meine Mittel sind begrenzt – im Gegensatz zu denen unserer Feinde“, fuhr Shivas fort.
„Einige Legaten werden sich mir mit ihren Legionen anschließen, wenn ich zurückkehre, davon gehe ich jedenfalls aus. Als Oberstrategos von Terra war ich beliebt und angesehen, wenn ich mich nicht auch darin die ganzen Jahre hindurch getäuscht habe“, sagte Leukos verbittert.
„Sobos Propaganda dürfte Euch längst zu einem geisteskranken Massenmörder stilisiert haben“, entgegnete der thracanische Nobile.
Der Oberstrategos verzog das Gesicht, als hätte er eine Zitrone verschluckt. Dann murmelte er vor sich hin, bis sich seine Stimme wie ein leises Grollen anhörte.
„Dieses Spekulieren führt zu nichts, Statthalter! Wir werden sehen, was geschieht“, knurrte er.
„Es geht nicht nur darum, zu spekulieren, General“,