Paul Guenther und seine Schule in Geithain. Gottfried Senf
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Bild 21: „Villa Margarethe“, das Haus der Guenthers in Rockaway, West-Main-Street, bei Dover, erbaut 1905 inmitten eines vom Hausherrn angelegten großen Parks
Bild 22: Die einstige Auffahrt zur Villa, Reste der Grundstückseingrenzung, Aufnahme 1996
Bild 23: Ehemalige Auffahrt zur Villa, oben die auf dem einstigen Villengrundstück in den 1950er Jahren erbaute Morris Hills High School, Aufnahme 1996
Bild 24: Das Haus der Bediensteten befand sich in unmittelbarer Nähe der Villa. Es blieb beim Bau der Schule erhalten. Aufnahme 1996
Bild 25: Paul Guenther im Park seiner Villa, um 1925
Bild 26: Tochter Margarethe und Frau Olga Guenther, Anfang der 1920er Jahre, auf Reisen
Bild 27: Herbert Hoover, 31. Präsident der USA von 1929 bis 1933, befreundet mit Paul Guenther
Hoover betätigte sich zeit seines Lebens karitativ und engagierte sich während und nach beiden Weltkriegen erfolgreich für die millionenfache Lebensmittelversorgung der notleidenden europäischen Bevölkerung, was ihm weltweites Ansehen einbrachte.
(www.wikipedia.de, 22.03.2016)
Eine aktive politische Tätigkeit, so etwa in Wahlfunktionen auf Kommunal- oder Landesebene, ist hingegen nicht nachweisbar. Belegt ist seine Freundschaft mit dem ehemaligen Präsidenten der USA, dem Republikaner Herbert Hoover. Das harmoniert mit Paul Guenthers politischen Anschauungen, die eher denen der Republikaner und weniger denen der Demokraten entsprachen.
Die Quellenlage ist leider zu dürftig, um Meinungen bzw. Haltungen Guenthers zur Entwicklung seines Heimatlandes Deutschland herauszufinden. Da ist die aufstrebende Periode bis zum Ersten Weltkrieg, aber auch die Zeit der Revolution, der Inflation und des Versailler Vertrages, der für viele Deutsche ausschließlich das „Versailler Diktat“ war. Mit großer Wahrscheinlichkeit tendierten Guenthers Sympathien weniger zur neuen deutschen Republik als vielmehr zum untergegangenen Deutschen Kaiserreich. Im breiten politischen Spektrum der Weimarer Republik wäre Paul Guenther wohl am ehesten bei den Deutschnationalen anzusiedeln. Es muss leider bei dieser sehr vagen Einordnung bleiben, weil ganz einfach bis dato zu wenig schriftliche Belege vorliegen. Anlässlich der Einweihung seiner Schule in Geithain ließ Paul Guenther am 29. Oktober 1925 folgende Gedanken übermitteln: „Aus Dankbarkeit gegen meine lieben Eltern … aus Anhänglichkeit an meine ferne Heimat und zur Erinnerung an meine schöne Kindheit habe ich für die heranwachsende Jugend der Stadt Geithain … aus eigenen Mitteln ein Volks- und Berufsschulgebäude errichten lassen. … Das gesamte Schulgebäude … ist vom Tage der Einweihung an rechtmäßiges Eigentum der Stadtgemeinde Geithain. Als Stifter knüpfe ich daran folgende Bestimmungen: … Es ist mein Wille, dass die heranwachsende Jugend Geithains von einer Lehrerschaft erzogen wird, die, selbst von vaterländischem Geist durchdrungen, bemüht ist, die Kinder zu echten Deutschen heranzubilden, zu Männern und Frauen, die ihre Zugehörigkeit zum deutschen Volke als eine Ehre empfinden und jederzeit von nationalem Stolze erfüllt sind, damit das deutsche Volk wieder zu der Stellung gelangt, die es unter den Völkern verdient.“ (2)
Solcherart Bildungs- und Erziehungsziele sind dem verständlich, der sie aus ihrer Zeit heraus erklärt. Werten wir sie als Ausdruck echter Vaterlands- und Heimatliebe. Dass obiges Zitat in den vergangenen 90 Jahren so manchem „in den Kram“ passte, ist leider ebenso einsichtig. Man hört förmlich den örtlichen NS-Gewaltigen, der nach 1933 im Dritten Reich das Vermächtnis Paul Guenthers auch in Geithain verwirklicht sah. Nach 1945 nutzten die Propagandisten der anderen Couleur das Zitat wiederum, natürlich für ihre Zwecke. Es diente mit dazu, das „große Schweigen“ über den Schulstifter bzw. den „amerikanischen Kapitalisten“ zu rechtfertigen. Und heute sind Bedenken, dass Teile des Zitats abermals missbraucht werden könnten, leider keineswegs abwegig.
Paul Guenther wäre falsch charakterisiert, würde man ihn als bloßen „Moneymaker“ sehen. Herr Sommer, der sowohl die Geithainer Paul-Guenther-Schule, das Geithainer Milieu der 1940er Jahre als auch Dover sowie die Mentalität der Amerikaner kennt, schreibt: „Paul Guenther war mehr als ein gerissener Bursche, der zu Geld kam, er war auch so etwas wie ein Künstler. Er baute nicht nur irgendeine Schule, sondern eine Schule, die als Ganzes ein Symbol der ‚Bildung‘ ist, des ‚geformten‘ Menschen, der kraft seines Wissens keines Herren Knecht ist. … Diese Schule war einmal ein erstaunliches Gesamtkunstwerk aus Architektur, Bildhauerei, Malerei und farbigem Glas … und zeugt vom weitsichtigen, kunstverständigen Blick des Stifters. … Die Krönung von Guenthers Lebenswerk ist die Paul-Guenther-Schule in Geithain.“ (19)
Das Quellenmaterial zur Geschichte des Schulbaus belegt, wie exakt und gewissenhaft Paul Guenther trotz der großen Entfernung Geithain – Dover bei der Auswahl etwa des Architekten vorging. Ein umfassender Schriftwechsel, Telegramme und unmittelbare Kontaktaufnahmen zeugen von der ständigen Kommunikation zwischen ihm und seinen Beauftragten, z. B. seinem Vetter Hugo Clauß in Chemnitz und Henry Fischer, einem Freund und Mitarbeiter aus Dover. Dass der weit über Sachsen hinaus bekannte Architekt Emil Ebert aus Chemnitz gewonnen wurde, ist keineswegs ein Zufall. Ebert hatte bereits vor dem Kriege mit bedeutenden Schulbauten (z. B. die Reformschule und das Realgymnasium in Chemnitz) auf sich aufmerksam gemacht. In einer Würdigung Eberts (20) heißt es: „Mit sicherem Instinkt weiß er sich den gegebenen örtlichen Bedingungen anzupassen, dem Charakter der Ortschaft und Landschaft, den Sonderheiten des Materials; immer wird man seine Bauten an ihrer heiteren und gemessenen Kraft erkennen. … Die Paul-Guenther-Schule in Geithain scheint mir eine seiner kennzeichnendsten Arbeiten zu sein.“
Viele Geithainer sind sich des künstlerischen Wertes ihrer Schule gar nicht bewusst. Das ist aber in erster Linie auf die Jahrzehnte währende offizielle Missachtung, Vernachlässigung, ja sogar Beseitigung architektonisch wesentlicher Details zurückzuführen. Eine verständnisvolle Auflistung und Publizierung, verbunden mit entsprechenden Restaurierungs- und Pflegearbeiten, ist in den letzten Jahren erfolgt. Das waren Stadt und Schule dem Stifter und dessen Nachfahren sicher schuldig. Die Haltung Paul Guenthers zu geschaffenen Werten – ein Wertebewusstsein fernab jeglicher Wegwerf-Mentalität der heutigen Zeit – soll ein Zitat aus der Urkunde der Bruno-und-Therese-Guenther-Stiftung aus dem Jahre 1919 verdeutlichen. Die Stiftungsurkunde (s. S. 53) umfasst zehn Paragraphen auf acht DIN-A4-Seiten. Sie enthält Festlegungen bis ins Detail: „Sollte einer der Obstbäume eingehen, so hat der Wohnungsinhaber (gemeint ist das Geburtshaus Paul Guenthers, G.S.) einen anderen Baum von derselben Güte neu anzupflanzen, wofür er aber das Holz des alten für sich verwenden kann.“ (18)
Der Eindruck ist sicher nicht falsch, wenn wir Paul Guenther als Mensch zu denen rechnen, die noch die alten Tugenden von Rechtschaffenheit, Redlichkeit, Fleiß und Sparsamkeit verkörperten. Für manche mag der Vergleich Anna Wimmschneider – Paul Guenther weit hergeholt erscheinen. „Ich bin halt eine vom alten Schlag.“ So bezeichnet sie sich in ihrem Buch „Herbstmilch“. Ohne in falsches Pathos zu verfallen, können wir auch Guenter zu jenen „vom alten Schlag“ zählen.
Es sei aber noch einmal ausdrücklich gesagt: Eine umfassende und treffende Beurteilung des Menschen Paul Guenther ist auch nach Jahren intensiver Forschung nicht möglich.