Christina sucht das Paradies auf Erden. Christina de Buhr

Christina sucht das Paradies auf Erden - Christina de Buhr


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Hausaufgaben. Sie verstehen sich gut. Der einzige Streitpunkt zwischen ihnen ist ein einziges Wort. Christina sagt immer, dass sie jetzt ihre Schuh-Schuh anzieht, um mit ihm gemeinsam nach unten zum Spielen zu gehen. Aber Andreas korrigiert sie jedes Mal. „Das heißt Schuhe, nicht Schuh-Schuh.“

      Christina ist stur und schüttelt immer den Kopf. „Ich ziehe doch zwei Schuhe an. Also ist es doch richtig, wenn ich Schuh-Schuh sage. Nach einer Weile denkt Andreas nur noch: „Sie ist eben ein Mädchen“, und akzeptiert nun ihre Sichtweise.

      Auch hat Christina sich nun mit Martina richtig befreundet.

      Früher wollte sie nur mit ihr sprechen, um etwas über ihren Ballettunterricht zu erfahren. Natürlich ist auch die gemeinsame Liebe zum Ballett ein Grund für sie, die Freundschaft zu pflegen. Jetzt ist es auch für sie nicht mehr schwierig, ihre Freundin Martina zum Ballettunterricht zu begleiten. Die Lehrerin begrüßt sie immer freundlich. Dann, nach kurzer Zeit, darf Christina sogar vortanzen. Sie wird sehr gelobt und fühlt sich in ihrem Element. Die Ballettlehrerin bittet Christina, doch einmal ihre Mutter mitzubringen. Erst nach vielen Überredungskünsten ist die Mutter widerstrebend bereit, dieser Bitte Folge zu leisten. Christina wartet gespannt auf das Gesprächsende.

      Doch ihr Traum, Ballett-Tänzerin zu werden, zerbricht.

      „Mitgliedsbeitrag, Ballettschuhe und Kleider sind viel zu teuer“, sagt ihre Mutter.

      Trotzdem möchte Christina weiter Martinas Freundin bleiben.

      Aber es kommt immer anders als der Mensch denkt.

      Der Vater von Martina hatte sich als Ingenieur in Südafrika beworben. Er erhält dafür den „Zuschlag“. Die Familie wird schon in fast zwei Monaten nach Kapstadt übersiedeln.

      Das Loslassen ist also wieder für Christina angesagt. Umso mehr macht sie es sich nach ihren Schularbeiten auf ihrem dunkelroten Ohrensessel mit einem Buch gemütlich. Lesen ist für sie das Schönste. Sie freut sich auch immer auf die Deutschstunde. Sie ist die Beste beim Vorlesen.

      Christina genießt die Stunden, wenn der Vater noch bei der Arbeit ist. Dann ist sie in ihrer Welt. Die „Außenwelt“ ist abends oft nicht schön. Denn nun kommt ihr Vater noch öfters betrunken nach Hause. Dann muss sie immer mit viel Feingefühl ihren Vater umsorgen, damit er nicht zu zornig wird. Morgens isst er immer Bratkartoffeln mit Ei. Doch das von ihrer Mutter vorgekochtes Essen, welches Christina abends für ihn aufwärmt, ist nicht immer sein Fall. Es ist schon anstrengend für sie, mit ihrem Vater liebevoll umzugehen.

      Sie lebt nicht mehr mit Gott und somit ohne ihr Ursprungs-Wissen. Aber sie träumt regelmäßig, dass ihre Mutti ihr versprochen und bestätigt hatte, sich nach Beendigung ihrer Schulzeit von dem Vater zu trennen. Diese Hoffnung möchte sie sich von ihrer Mutter nicht nehmen lassen. Darum genießt sie nur ihren Traum und sucht nicht nach der Wahrheit. In traurigen Stunden macht sie sich sehr überzeugend Mut mit dem Satz: „Wenn ich die Schule beende, dann wird meine Mutti sich von Papa trennen.“

      Ihr Vater interessiert sich nun doch für ihre Schularbeiten. Der Stolz auf seine kluge Tochter wirkt nun stets besänftigend auf ihn. Aber zwischendurch ist sein Zorn doch noch zu groß, um ihn noch zu bremsen. Meistens ist es nur eine Kleinigkeit, durch die seine Wut geschürt wird. Aber Christina will sich nicht bei ihrer Mutter beschweren. Darum weiß diese nicht, dass ihre Tochter nun auch geschlagen wird.

      Wenn die Mutter von der Arbeit kommt, dann ist es für Christina spannend, wie ihr Vater reagiert. Wenn er Christina geschlagen hatte, er aber dann dadurch anschließend durch seine Weinkrämpfe den Zorn vergisst, dann ist er sogar ganz nett zu seiner Frau.

      Dann passiert für Christina etwas Erfreuliches. Sie hatte immer wieder den Streit ihrer Eltern um das liebe Geld hören müssen.

      Im September kommt der Vater überraschend zufrieden und lächelnd nach Hause. Er bittet seine Frau und seine Tochter gut zuzuhören. Er hat einen tollen Job angeboten bekommen. In Schweden. Auf einer Bohrinsel. Er würde sogar extra Trennungsgeld erhalten. Der Vertrag würde erst einmal für ein Jahr gelten. Er fragt: „Könnt ihr es EUCH vorstellen, ein Jahr ohne mich klar zu kommen?“

      Christina sieht warnend auf ihre Mutter. Die Gefahr, sich zu begeistert zu äußern, ist groß. Dadurch könnte eventuell wieder der Zorn des Vaters entfacht werden. Sie geht schnell zu ihrem Vater und setzt sich auf seinen Schoß.

      „Liebster Papa, DU wirst uns sehr fehlen. Auch bist DU immer so stark und kannst alles reparieren. Wir wissen im Moment nicht, ob wir es ein Jahr ohne DICH aushalten. Hast DU Vorschläge für uns.“

      Der Vater freut sich wohl über seine Tochter. Er nickt und antwortet sanft: „Natürlich habe ich mir auch darüber Gedanken gemacht. Kannst DU DICH an Onkel Manfred erinnern?“ Christina nickt. „Mit dem habe ich doch beim Straßenbau gearbeitet. Der wohnt auch in Döse. In der Badehausallee.

      Dort könntest DU immer klingeln, wenn ihr ein Problem zu bewältigen habt.“ Dann beruhigend: „Ich habe auch mit Herrn Steffens gesprochen. Die Öl-Firma wird jeden Monat auf seinem Konto Geld überweisen. Davon werden dann EURE Lebensmittelrechnungen bezahlt. Dann brauchst DU DICH in dieser Zeit nicht mehr um die Haushaltskosten kümmern. Er blickt seine Frau an: „Nicht böse sein, Uschi“, bittet er seine Frau, „aber DU weißt ja, dass DU nicht so gut mit Geld umgehen kannst. Wenn ihr sonst Geld benötigt, meldet EUCH bei Manfred. Er hilft EUCH dann.“

      Der Vater wartet nun gespannt auf die Antwort.

      Die Mutter fragt ängstlich: „Es wird doch noch einige Zeit dauern, bis DU nach Schweden fährst, oder?“

      Der Vater schüttelt den Kopf und erwidert: „Leider nicht. Die benötigen sofort einen so guten Mann wie mich. Eine sofortige Abreise ist die Bedingung für diesen guten Vertrag. Übermorgen ist die letzte Möglichkeit zur Abreise.“

      Christina muss sich zwingen, nicht in Jubel auszubrechen. Sie antwortet für ihre Mutter:

      „Papa, Du siehst, wie ängstlich Mutti ist. Könntest DU nicht Onkel Manfred bitten, mit Mutti zu sprechen. Sie hat jetzt schon Angst davor, so allein ohne DICH zu leben. Vielleicht kann er ihr ein bisschen Mut machen. Aber ich bin ja auch noch da. DU weißt ja, wie sparsam ich haushalten kann.“

      Sie schaut ihre Mutter an. „Mutti, ich kaufe dann für DICH ein und kann auch mein Essen kochen. Das eine Jahr geht schnell herum. Wir haben dann wirklich keine Geldsorgen mehr. Papa möchte doch nur, dass es uns besser geht, Mutti.“

      Sie wendet sich ihrem Vater zu. Sie ist dankbar dafür, dass er nicht wütend reagiert. „Nicht wahr, Papa?“, fragt sie.

      „Ja“, entgegnet er. „DU hast Recht, mein Kind. Ich werde Onkel Manfred nachher mitbringen. Der kann dann DEINE Mutti beruhigen. Er steht auf und erklärt: „Ich gehe nun los und werde der Firma von der Post aus meine Einwilligung per Fax schicken. Seid bitte nicht zu traurig. Das Jahr geht wirklich schnell vorbei. Bis nachher!“ Der Vater verlässt schnell die Wohnung.

      Die Mutter sitzt bewegungslos am Tisch. Sie schaut ihre Tochter an. Die steht auf und guckt aus dem Fenster. Ja, der Vater ist nicht mehr zu sehen. Jetzt ist sie nicht mehr zu halten. Sie geht zu ihrer Mutter und umarmt sie ganz fest. Mit strahlenden Augen fragt sie sie: „Mutti, weißt DU, was das für uns bedeutet?“

      Die Mutter schüttelt den Kopf. Christina lässt die Mutter los und läuft auf und ab. „Mutti, wir werden ein Jahr ohne Angst leben. Wir werden nicht geschlagen. Wir haben unsere Ruhe.

      Wir haben keine Geldsorgen.“

      Ein Jubelschrei dringt laut aus ihrem Mund. Sie möchte ihr Glück mit ihrer Mutter teilen. „Ach, Mutti, heute ist unser Glückstag. Hast DU eine Idee, bei wem wir uns für dieses Wunder bedanken können?“

      Die Mutter schaut sie mit staunenden Augen an. Sie kann nur die Achseln zucken. Christina überlegt. Ein kurzes Glitzern ist in ihren Augen zu sehen. „Papa sagt immer, dass es keinen Gott gibt. Aber vielleicht hat Tante Claudia auch damit zu tun.

      Die hat bestimmt für uns gebetet. Die glaubt doch an Gott.

      Die Mutter schaut kopfschüttelnd ihre Tochter an:


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