Traumzeit für Millionäre. Roman Sandgruber

Traumzeit für Millionäre - Roman Sandgruber


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war in der Zwischenkriegszeit einer der wichtigsten Industriellen Österreichs (Chropiner Zuckerfabriks AG und Österreichische Zuckerindustrie AG, dazu die böhmischen Zuckerfabriken Libau, Elbekosteletz und Auschitz, ferner umfangreicher Großgrund- und Hausbesitz und Kunstsammlungen). Mit den Klimt-Bildnissen der Adele Bloch-Bauer sind sie bis heute weltberühmt. Auch die Hatvany-Deutsch hat der Zucker reich gemacht. Ihr Vermögen und ihre Kunstschätze sind in alle Winde zerstreut. Nicht anders erging es den Benies. Auch die Schoeller sind längst aus der Zuckererzeugung ausgestiegen. Am Höhepunkt ihres Zuckerengagements erzeugten sie ein Prozent der Weltzuckerproduktion. Nur mehr die Strakosch sind mit einem bescheidenen Anteil am österreichischen Zuckergeschäft beteiligt.

      Zuckerwerk und Schokolade waren die Verlockungen der Hochindustrialisierung. Niemand durfte damals auf diese kleinen Mitbringsel vergessen, mit denen man nicht nur bei Kindern viel Freude bereiten konnte. Um 1900 konnte man mit Schokolade und Zuckerwerk schnell reich werden: Schmidt, Heller, Manner, Brünauer sind große Marken und bekannte Namen geblieben. Josef Manner erfand die berühmte Schnitte mit der klassischen Haselnussfülle. Mehr als ein Jahrhundert unverändert, im unverkennbaren Zuckerlrosa und mit dem Stephansturm als Markenzeichen, sind sie und das Unternehmen – bis heute im Besitz der Gründerfamilien – zu einem österreichischen Symbol geworden. Josef Manner, der Sohn eines Wiener Fleischhauergesellen, der in Hernals eine kleine Gastwirtschaft betrieb, hatte 1889 im Alter von 24 Jahren nach einer Kaufmannslehre im oberösterreichischen Perg ein Schokoladen- und Kaffeegeschäft am Wiener Stephansplatz eröffnet. Ein Jahr später beschloss er, weil er die von ihm verkaufte Schokolade „nicht zum Essen“ fand, selbst in die Produktion einzusteigen und gründete die „Chocoladenfabrik Josef Manner“, die er in seinem Elternhaus im 17. Wiener Gemeindebezirk unterbrachte. 1893 nahm er seinen Mitarbeiter Alfred Teller mit 50 Prozent in das Unternehmen auf. Teller verkaufte seinen Anteil 1900 an seinen Schwager Johann Riedl. Die Entstehungsgeschichte der Firma „Chocolade Manner Wien“ lässt sich in drei prägnante Abschnitte gliedern. Von 1890 bis 1896 wurde rein handwerksmäßig produziert, mit wenigen und nur von Hand betriebenen Maschinen. Zwischen 1896 und 1904 wandelte sich der handwerkliche Betrieb zur Fabrik, von 1904 bis 1913 in mehreren Bauphasen zum Großbetrieb. Aus der in einem Wohnhaus in Hernals mit reiner Handarbeit begonnenen Fabrikation war innerhalb von 20 Jahren ein riesiger Baukomplex geworden, an dessen Dimensionen die majestätischen Fensterfronten mit ihren mehr als 2.000 Fensteröffnungen keinen Zweifel ließen. Der Umsatz war von 98.000 Kronen im Jahr 1892 auf etwa 16 Mio. Kronen im Jahr 1913 angewachsen, der Personalstand auf mehr als 3.000. 1913 wurde das Unternehmen in eine AG umgewandelt. Die Anteile hielten je zu einem Drittel Josef Manner, Johann Riedl und die Anglobank. Diese wurde aber nach und nach von den beiden Familien ausgekauft. Die AG blieb bis heute im Besitz der beiden Familien.

       Der Erfinder der „Manner-Schnitten“: Josef Manner.

      Die Brüder Gustav und Wilhelm Heller, heute vor allem durch ihren Enkel André Heller bekannt, begannen 1891 in einem gemieteten Lokal im Souterrain des Wiener Beatrixbades mit der Produktion von Seidenbonbons. 1899 brachte Heller die sogenannten „Wiener Zuckerl“ auf den Markt, gewickelte Karamellen mit Fruchtgeschmack, sehr bald darauf auch die Likörbonbons mit flüssiger Füllung, die in Stanniol verpackt waren. Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs sollen im Unternehmen 1400 Personen beschäftigt gewesen sein.

      Die älteste und größte Schokoladenfabrik Österreichs war allerdings von Victor Anton Schmidt begründet worden: 1826 in Stegersbach im heutigen Burgenland als Sohn eines Zöllners an der damaligen Zwischenzolllinie zwischen Ungarn und Österreich geboren, erlernte er in Pressburg den Konditorberuf, machte sich mit zwanzig Jahren selbständig und begann mit einer eigenen Erzeugung von Konditorwaren. Von Pressburg ging er nach Budapest und Ende der 1850er Jahre nach Wien. 1858 meldete er das Gewerbe der Schokoladenfabrikation an. In der Wirtschaftskrise der frühen 1860er Jahre kam das rasch gewachsene Unternehmen zwar in schwere Turbulenzen und ein Konkurs konnte nur knapp abgewendet werden. Doch dann kamen die Gründerjahre und das Unternehmen war bald eine internationale Größe. Erzeugt wurden nicht nur Tafelschokolade und Bonbons, sondern auch Feigenkaffee, Marmeladen und Teigwaren. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Victor Schmidt & Söhne zur führenden Schokolade-, Zuckerwaren- und Backwarenfabrik in Österreich-Ungarn aufgestiegen.

      Die Industrialisierung erfasste auch das Bäckergewerbe. 1891 gründeten die Brüder Heinrich und Fritz Mendl auf dem Laaer Berg im Wiener Stadtteil Favoriten eine Brot- und Gebäckfabrik. Beide hatten sie keinerlei Erfahrung in der Bäckereibranche. Heinrich Mendl hatte vorher mit Spirituosen, Tee und anderen Getränken gehandelt. Er galt als guter Rechner. Fritz Mendl war Reserveoffizier. Er war die eigentlich treibende Kraft, ein Energiebündel. Die Brüder konzentrierten sich auf eine einzige Brotsorte, die fabriksmäßig in Fließarbeit hergestellt wurde. Der zweite Erfolgsfaktor war das Vertriebssystem von einem sogenannten „Brotbahnhof“ aus. Der Standort oben auf dem Laaer Berg war gut gewählt, um den mit Brot schwer beladenen Pferdefuhrwerken die Auslieferung leichter zu machen. Zum Markenzeichen wurde der Anker als Zeichen für Sicherheit und Vertrauen. Bis 1914 wuchs das Unternehmen auf eine Größe von 1.300 Mitarbeitern. Mit etwa 250 Pferdegespannen wurden täglich an die 150 Tonnen Backwaren ausgeliefert.154 Das System wurde rasch kopiert, z. B. von Moriz Hafner, der um 1895 die Wiener Kronenbrot-Werke als kleine Schwarz- und Weißbäckerei gegründet hatte und 1910 ebenfalls bereits Millionär war. Diesem Druck der „Brotkapitalisten“ vermochten die Konsumgenossenschaften mit „Hammerbrot“ ein nur kurzfristig erfolgreiches Gegenkonzept entgegenzusetzen.

      Die Industrialisierung brachte auch die Ersatz- und Convenienceprodukte: Malzkaffee, Margarine, künstliche Süßstoffe, Suppenwürfel und Konserven. Jakob Hauser gründete 1884 zusammen mit Moritz Sobotka in Wien-Stadlau eine Malzfabrik, die 1885 in Erste Wiener Export Malzfabrik Hauser & Sobotka umbenannt wurde. Bis zum Ersten Weltkrieg wurde daraus eine der größten Malzfabriken Europas. 1892 wurde mit der Erzeugung von Malzkaffee begonnen, 1901 mit Backmalzextrakt. Das Unternehmen expandierte noch vor 1914 in viele Staaten, nach Deutschland, England, USA, Italien und Frankreich. 1903 wurde die Firma Hoff erworben, die mit Hoffs Malzextrakt in die Weltliteratur eingegangen ist.155 1916 wurde mit einer 50%igen Beteiligung die Firma Dr. Wander GmbH Wien gegründet und die inzwischen weltweit bekannt gewordene Marke „Ovomaltine“ geschaffen. Die Beteiligungen umfassten bald auch die Schokoladefabrik J. Brünauer & Co., deren Erben sich den schönen Künsten zuwendeten.156

      Margarine war ein neues Produkt, das den Fettbedarf abdecken helfen sollte. Der aus Wels gebürtige Karl Blaimschein begann seine Tätigkeit als Wiener Repräsentant seines Stiefvaters Ludwig Hinterschweiger, der 1876 als einer der Ersten in Österreich in leer stehenden Räumen der Welser Burg mit der Produktion von Margarine begonnen hatte, die er aus Butterlieferungen nach Holland kennen gelernt hatte. Blaimschein machte sich in Wien selbständig, kaufte 1889 die Fettschmelze des Julius Granichstädten und eröffnete 1891 auf diesem Gelände die Carl Blaimschein‘sche Butter- und Speisefettwarenfabrik. 1900 entstanden daraus die Vereinigten Margarine- und Butterfabriken Blaimschein, Khuner, Moll & Julius Granichstädten, die nach dem Ersten Weltkrieg in der Unilever aufgingen.

      Was auch neu war, waren Konservenfabriken. Hugo Anbelang war der Alleinbesitzer der berühmten Fischkonservenfabrik, die von seinem Onkel Carl Warhanek aufgebaut worden war. 1910 umfasste das Unternehmen 17 Fabriken an der Adria und in den wichtigsten Ländern der Monarchie. Zu Warhaneks Entwicklungen gehörten die Gabelroller in böhmischer, süßsaurer Marinade und die „Russen“, eingelegte Sardinen, die in großen Buchenfässern in den Handel kamen. Das Unternehmen war vor 1914 in der Habsburgermonarchie faktisch konkurrenzlos. Der Erste Weltkrieg, der den österreichischen Meeresfischfang fast ganz zum Erliegen brachte, traf das Unternehmen schwer. In der Zwischenkriegszeit brach der österreichische Fischverbrauch völlig ein.

      Ignaz Eisler war der Gründer der k. u. k. Militär-Conservenfabrik in Inzersdorf. Es wurden Fleisch-, Gemüse- und Suppenkonserven hergestellt. Für den Mobilisierungsfall standen Einrichtungen für die tägliche Verarbeitung von 500 Mastochsen zu Fleisch-Konserven in Blechbüchsen bereit. Für den geringfügigen Friedensbedarf stand die Fabrik nur wenige Wochen im Jahr im Betrieb. Es wurde Reise-, Jagd-, Touristen- und Schiffsproviant erzeugt. Für den alltäglichen


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