Israel. Sotill Wolfgang

Israel - Sotill Wolfgang


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einfordert. Moischele antwortet gereizt: „Das ist es, was wir Christen an euch Juden nicht mögen: das ewige Schnorren.“

      Das Thema Taufe macht auch vor dem lieben Gott nicht halt, vor dessen Richterthron ein kürzlich verstorbener, völlig zerknirschter Rabbi klagt:

       „Stellen Sie sich vor, mein Sohn hat sich taufen lassen.“ Darauf der liebe Gott: „Na und?“ „Meiner auch.“ Darauf der Rabbi: „Was haben Sie dann gemacht?“ Gott: „Ein Neues Testament.“

      Eine Kategorie von Witzen widmet sich dem Thema Antisemitismus, den manche Juden immer und überall wittern.

       Chaim, der gerade aus dem Funkhaus kommt, trifft seinen Freund Shmuel. Dieser fragt den stotternden Chaim, was er denn beim Radio gemacht habe. Chaim antwortet: „I-ch. I-ch ha-be mich um die Ste-lle ei-nes A-an-sa-gers be-worben.“ „Und, hast du den Job bekommen?“ „N-ein, d-as si-nd al-les A-a-a-nti-se-miten.“

       New York, 1938: In der U-Bahn sitzen sich zwei gerade aus Deutschland eingewanderte Juden gegenüber. Grün liest die jüdische Zeitung „Forverts“, Blau das NS-Hetzblatt „Der Stürmer“. „Wieso lesen Sie dieses furchtbare Blatt?“, fragt Grün. Darauf Blau: „Schauen Sie, was in Ihrer Zeitung steht. Überall sind die Juden Flüchtlinge, man verfolgt sie, wirft Bomben in ihre Synagogen. Da lese ich lieber die Nazi-Postille, denn die ist zuversichtlicher. Die schreibt, dass wir die Banken besitzen, auch Zeitungen und viele große Firmen. Wir beherrschen die Welt.“

      Jüdischer Humor ist oft auch bitter. So bitter, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

       In einem osteuropäischen Städtchen verbreitet sich die Nachricht, dass ein Kind ermordet worden sei. Die entsetzten Juden packen ihre Sachen zusammen und bereiten sich auf die Flucht vor. Da kommt der Synagogendiener. Schreiend läuft er durchs Getto und verkündet: „Gute Nachricht: Das ermordete Kind war jüdisch.“

      Die Unterstellung, Juden würden christliche Kinder entführen und deren Blut zur Zubereitung ihrer ungesäuerten Pessach-Brote verwenden, hat in der Geschichte oft zu grausamen Judenverfolgungen geführt. Heinrich Heine beschreibt eine solche in seiner Erzählung „Der Rabbi von Bacharach“. Somit ist die Nachricht, dass es sich bei dem toten Kind um ein Judenkind handelt, tatsächlich eine gute. Lächeln oder gar lachen kann man darüber freilich nur schwer. Schon Sigmund Freud meinte: „Der Witz ist die letzte Waffe der Wehrlosen.“

      Zahlreiche Witze zielen auf die Beziehung zwischen Eheleuten ab.

       Sara, für den Abend in großer Garderobe, sagt zu ihrem Mann: „Moischele, du musst doch zugeben, hübsch bin ich noch immer, nicht?“ Moischele: „Du hast recht, hübsch bist du noch immer nicht.“

       Eine Frau betrachtet sich im Spiegel und sagt mit Genugtuung: „Dieses Ekel gönne ich ihm!“

       „Itzig, warum hast du dir eine so hässliche Frau genommen?“ „Weißt du, sie ist innerlich schön.“ Darauf sein Freund: „Nu, lass sie wenden!“

      Beliebt sind auch jene Witze, die Namensänderungen zum Inhalt haben. Viele sind allein schon wegen des jiddischen Sprachidioms unterhaltsam.

       Treffen sich zwei Juden und stellen sich gegenseitig vor: „Angenehm, Eisenstein.“ Worauf der zweite antwortet: „Angenehm, Asch.“ Der erste: „Darf ich fragen, was sie gezahlt haben, um loszuwerden das R?“

       Wien, wenige Tage nach dem Anschluss 1938. Adolf Stinkfuß geht zum Magistratsbeamten und bittet darum, seinen Namen ändern zu dürfen. Dieser zögert, willigt aber dann doch ein und fragt den Antragsteller, wie er künftig heißen möchte: „Moritz Stinkfuß“, sagt dieser.

      Oft erzählt ein Witz mehr über die Lebenswelt einer Gesellschaft als eine wissenschaftliche Abhandlung. Die Kombination aus allgemein gültiger menschlicher Erfahrung und spezieller Lebenssituation der Juden macht ihren Witz so einzigartig.

       Ein Christ, ein Moslem und ein Jude unterhalten sich über der Frage, wann das menschliche Leben eigentlich beginne. Für den Christen ist es der Zeitpunkt, in dem Ei- und Samenzelle verschmelzen. Der Moslem meint, mit der Geburt. Der Jude sagt: „Das Leben beginnt, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Hund gestorben ist.“

       SIND JUDEN INTELLIGENTER ALS NICHTJUDEN?

      HÄUFIG, WENN ich auf die großen Leistungen des Staates Israel oder auch auf jene der Juden in der Geschichte verweise, wird dies mit „Kein Wunder – die sind doch intelligenter als wir!“, kommentiert. Und jedes Mal beschleicht mich ein Unbehagen, denn nie kann ich mir sicher sein, ob dies ein Ausdruck der Wertschätzung und Bewunderung oder ein von Neid beseelter Ausdruck einer antijüdischen Gesinnung ist.

      Betrachtet man die Vergabe der Nobelpreise seit dem Jahr 1901 als Gradmesser für die allgemeine Intelligenz eines Volkes, so ist die jüdische Überlegenheit offenkundig, denn etwa ein Drittel aller Preisträger waren beziehungsweise sind Juden. Exakter: Es waren bislang 15, die ihn für Literatur erhielten und neun, die sich für ihre Bemühungen um den Frieden in dieser Welt verdient machten. 35-mal ist die höchste Auszeichnung dieser Welt jüdischen Chemikern, 54-mal Physikern, 27-mal Wirtschaftswissenschaftlern und gar 57-mal Medizinern verliehen worden. Zum Vergleich: Bislang wurde der Preis erst elf Muslimen zuerkannt, dazu kommen noch zwei arabische Christen. Stellt man die Bevölkerungszahlen gegenüber, dann wird die Diskrepanz noch deutlicher. 1,6 Milliarden Muslime stehen gerade einmal 15 Millionen Juden gegenüber.

      Die Zahlen sind unbestritten, deren Interpretation ist es nicht. Rechte, aber auch linke antisemitische Kreise im Westen, vor allem aber manche Muslime sehen darin eine biologische Überlegenheit der jüdischen Kultur, die es zu bekämpfen gilt. Diese ziele darauf ab, andere Völker zu unterjochen, auszubeuten, zu versklaven. Sie argumentieren vermutlich aus einem kulturellen Minderwertigkeitsgefühl heraus. Zum Vergleich: Seit dem Jahr 1901 gab es je einen muslimischen Preisträger in Chemie und Physik, zwei weitere im Bereich der Literatur und sieben für den Frieden.

      Als ich den bekannten israelischen Historiker Yehuda Bauer fragte, ob Juden intelligenter seien als Nichtjuden, lachte er laut auf und antwortete kurz und entschlossen: „Nein, das sind sie nicht.“3 Die Ergebnisse der Intelligenzforschung würden das klar belegen, einzig das Wissen habe sich ganz anders entwickelt. Dessen Grundlage wiederum sei das Lernen. So habe es bei den Juden nie Analphabetismus gegeben, auch bei den Frauen nicht. Bauer: „Im Gegensatz zur christlichen Welt, wo der Priester Texte vorlas und das Volk nur vorformulierte Kurzantworten gab, haben im Judentum Männer und Frauen die Thora und die Gebetbücher immer selbst gelesen.“4 Es ist eine etwa 2500-jährige Lehrtradition, die auf das Deuteronomium (6,4 ff) zurückgeht, wo es heißt: „Du sollst deine Kinder belehren.“ Zumindest dreimal am Tag, wenn Juden das „Schma Israel, Adonai Eloheinum Adonai Echad“, das „Höre Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig“, erklären, sprechen sie auch davon, ihren Kinder Wissen zu vermitteln. Schon in der Zeit des babylonischen Exils begriff das Volk Israel, dass es nur überleben würde, wenn es seine Traditionen aufrechterhält. Die beste Methode, diese weiterzuführen, bestand darin, sie zu studieren und zu lehren.

      Die Lehrtradition im Christentum ist wesentlich jünger. In Österreich geht sie auf den 6. Dezember 1774 zurück, als Maria Theresia für alle habsburgischen Länder die „Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen“ erließ. Wie wenig das Gesetz befolgt wurde, zeigt sich am Beispiel des 100 Jahre später geborenen steirischen Schriftstellers Peter Rosegger, dessen Werke immerhin in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt wurden. Der zu seiner Zeit (1843–1918) hoch angesehene Literat war zwar sechs Jahre bei einem Wanderlehrer eingeschrieben, er besuchte den Unterricht aber nur gelegentlich,


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