Vom Wienerwald zur Buckligen Welt. Alexandra Gruber Carina
Schiene, Berg und Tal
Wussten Sie, dass …?
… die Semmeringbahn die erste Hochgebirgseisenbahn der Welt war?
… in der Steinwandklamm Regierungsmitglieder den fast zwanzigfachen Eintrittspreis eines Durchschnittsbürgers bezahlen müssen?
… der höchstgelegene Bahnhof Österreichs auf dem Schneeberg liegt?
… in Furth an der Triesting das größte Spiegelei der Welt gebraten wurde?
120-Schilling-Blick, Semmering Ghega-Museum, Breitenstein
Der ewige Wächter der Kalten Rinne
Vom Wolfsbergkogel aus hat man den fulminantesten Blick auf die erste Hochgebirgseisenbahn der Welt. Das Vermächtnis ihres Erbauers wird im Ghega-Museum wie ein Schatz gehütet.
Der Ausblick von der Besucherplattform am Wolfsbergkogel ist einfach umwerfend. Unsere Augen wandern immer wieder aufs Neue von links nach rechts über das Kalte-Rinne-Viadukt, die Polleroswand, das Krausel-Klause-Viadukt bis nach Breitenstein und wieder zurück. Sie folgen einem Bindeglied aus Stahl, dem Schienenstrang der Semmeringbahn. Dahinter erheben sich mächtig die Rax und der Schneeberg.
Dieses großartige Alpenpanorama wurde im letzten Jahrhundert mehrfach auf Briefmarken und Banknoten gedruckt. Am bekanntesten ist die Abbildung auf der Rückseite des vorletzten (1968–1989) 20-Schilling-Scheins. Auf der Vorderseite war der gebürtige Venezianer Carl Ritter von Ghega (1802–1860) verewigt, der Erbauer der Semmeringbahn. Mit der ersten Hochgebirgsbahn der Welt vollbrachte er eine technische Meisterleistung im frühen Industriezeitalter. Das Wunderwerk der Technik bildet eine perfekte Symbiose mit der umgebenden Natur und überwindet eine Höhendifferenz von 457 m. Auf 41 km Länge passiert die Bahn 15 Tunnel und überquert 16 Viadukte sowie 100 Brücken.
Als Wien und Triest Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer Bahnlinie direkt verbunden werden sollten, gab es ein großes Hindernis: den Semmering. Die Experten waren sich uneins, wie diese Herausforderung zu meistern sei. Schließlich setzte sich Ghega mit seinen Plänen durch. Unter der Leitung des Ingenieurs wurde 1848 mit dem Bau der Strecke begonnen, rund 20.000 Arbeiter waren im Einsatz. Etwa 1.000 von ihnen starben während dieser Zeit, einige bei Unfällen, noch mehr durch Seuchen. Trotzdem, nach einer Bauzeit von lediglich sechs Jahren war der Abschnitt fertiggestellt. Die ideale Gebirgslokomotive wurde speziell für diese Trasse von Wilhelm Freiherr von Engerth (1814–1884) konstruiert. 1853 befuhr sie erstmals erfolgreich die gesamte Strecke, 1854 wurde die Semmeringbahn für die Allgemeinheit eröffnet.
Der Blick von Georg Zwickls Haus auf die Kalte Rinne.
Der berühmte 20-Schilling-Blick ist ein beliebtes Fotomotiv.
Die Bahn und ihre Umgebung wurden 1998 mit dem Prädikat UNESCO-Weltkulturerbe geadelt. Das wunderbare Panorama, das wir vom Wolfsbergkogel aus genießen, kennt man seit 1968 unter der Bezeichnung »20-Schilling-Blick«. Auf der Besucherplattform entdecken wir ein Schild mit dem Konterfei Ghegas und dem Hinweis: »Ca. eine Stunde zum Museum«. Unser Interesse ist geweckt.
Ghegas Vermächtnis
»Mit jedem Wort, das ich über Ghega gelesen habe, wuchs meine Begeisterung über diesen Mann«, sagt Georg Zwickl. »Er hat mit eisernem Willen und gegen viel Widerstand ein Gesamtkunstwerk geschaffen.« Der Museumsgründer und seine Lebensgefährtin Helene Srnec leben im Wächterhaus Nummer 167 direkt gegenüber der zerklüfteten Polleroswand und gleich neben dem mächtigsten und wohl auch bekanntesten Viadukt der Semmeringbahn, das über die Kalte Rinne führt. Gefühlt alle fünf Minuten taucht ein Zug aus dem Inneren des Berges auf und fährt in einem eleganten Bogen in wenigen Metern Entfernung an seinem Haus vorbei. 120 Züge täglich passieren diese Strecke, früher waren es 360. »Ich hör das gar nicht mehr«, sagt Zwickl gelassen und zieht an seinem Zigarillo. Die ungewöhnliche Lage in 845 Meter Höhe oberhalb der Kalten Rinne hat sich der ehemalige Busfahrer ganz bewusst als Wohnsitz ausgesucht. 2008 erwarb er das alte Bahnwärterhaus von den ÖBB. »Es war eine Ruine. Zehn Jahre stand es leer, beim Dach hat es reingeregnet.« Aufwendige Renovierungsarbeiten folgten. Der Pensionist schätzt, dass sein Heim um 1850 gebaut worden ist. »52 dieser Häuschen hat es entlang der Bergstrecke von Gloggnitz bis Mürzzuschlag gegeben. Die Bahnwärter mussten in Hör- oder Sichtweite zueinander wohnen, denn sie verständigten sich damals mit akustischen und später auch mit optischen Signalen.«
Zuvor lebte Zwickl viele Jahre in Baden, aber dieser Ort nahe der Kalten Rinne zog ihn schon immer magisch an. »Ich spürte jedes Mal, dass hier etwas Bedeutendes passiert ist, ich wusste aber nicht, was.« Bis eines Tages ein Einheimischer vorbeikam und ihm erzählte, dass Carl Ritter von Ghega sehr oft den Waldweg hinter dem Bahnwärterhäuschen hinaufgewandert sei. Von diesem Platz aus hatte der Ingenieur einen großarten Blick auf sein Viadukt. »Nach