Letzte Schicht. Dominique Manotti

Letzte Schicht - Dominique  Manotti


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Arbeiter, der sich mit jeder Reihe verstärkt, bringt die Männer an der Spitze aus dem Gleichgewicht und lässt sie gegen die Glastür krachen, die nachgibt und birst.

      Die Zeit steht still, Amrouche ist gestolpert und bäuchlings in den Glasscherben auf dem blauen Teppichboden gelandet. Nourredine, blutüberströmt, mit gebrochener Nase und Schnittwunden im Gesicht, sieht sich dem koreanischen Direktor gegenüber, der starr und bleich mitten in der Empfangshalle steht.

      Jemand schreit: »Holt sie aus ihren Löchern und bringt sie her.« Die Männer stürmen wieder los, trampeln über Amrouche hinweg, schwärmen aus zu den Büros, reißen die Türen auf, zerren die Leute von ihren Stühlen, schleifen sie halb bis in die Empfangshalle, die sich zunehmend mit zerrupften Anzugträgern füllt.

      Amrouche hat sich hochgerappelt, kurzatmig zieht er den Direktor hinter sich her in den Sitzungsraum, er kennt diesen Raum gut, so viele nutzlose Palaver, diese Schwachköpfe, die nie zugehört haben, und jetzt … Hafed, leicht angeschlagen, kommt dazu. Sie lassen die leitenden Angestellten einen nach dem anderen hineingehen, nein, nicht alle Arbeiter, so viel Platz ist nicht, nur die Abordnung, wir lassen die Tür auf. Sofortige Zahlung der Prämien, alle wissen, warum wir hier sind, und wir lassen niemanden gehen, bevor unsere Forderung nicht erfüllt ist, aber von jetzt an bewahren wir Ruhe. Wir sind ja keine Kriminellen.

      Nourredine hat sich in der Empfangshalle auf einen Stuhl gesetzt, den Kopf vornübergebeugt, er versucht mit einer Rolle Klopapier sein Nasenbluten zu stoppen, er hat die Augen geschlossen, seine Hände sind blutig, das Hirn träge und die Gedanken verworren.

      Hafed hockt sich neben ihn. »Amrouche und ich kümmern uns im Sitzungsraum um die Chefetage. Du musst in den Büros ein bisschen für Ordnung sorgen. Hörst du?« Nourredine knurrt nur. »Das ist wichtig. Organisier die Besetzung. Streikposten an die Türen, Kontrollrunden durch Fabrik und Büros. Okay?« Nourredine nickt stumm. »Denk dir was aus, damit die Jungs was zu tun kriegen.« Er wiederholt: »Das ist wichtig«, und geht zurück in den Sitzungsraum.

      Quignard stellt seinen Stuhl wieder hin, setzt sich mit geschlossenen Augen, zwingt sich, langsam und gleichmäßig zu atmen, indem er durch den Mund ausatmet, seine großen Hände liegen flach auf dem Schreibtisch.

      Während Quignard sich langsam beruhigt, hat Maréchal wieder sein Glas genommen und trinkt in kleinen Schlucken, um nicht loszulachen. »Und, was hat sich dein zündelnder Feuerwehrmann nun wieder ausgedacht?«

      »Es ist ein Alptraum, Antoine. Vor nicht mal einer Stunde bin ich dort weggegangen, sie haben Verhandlungen vereinbart, und nun besetzen die Arbeiter die Büros der Geschäftsleitung.«

      »Das ist schon anderen Chefs passiert, und die haben’s auch überlebt.«

      »Vielleicht, aber bei der Gelegenheit eröffnet mir Park, dass er mit einem System fingierter Rechnungen Geld unterschlägt, um seiner koreanischen Managerbande, die allesamt Stümper sind, Gehaltszulagen zu zahlen, und dass das Ganze zu allem Überfluss auch noch schwarz auf weiß in der Firmenbuchhaltung steht … Wenn da irgendwelche Schlaumeier einen Blick drauf werfen … Das Werk muss geräumt werden.« Quignard greift zum Telefon. »Ich rufe den Kommissar an …«

      Maréchal bremst ihn. »Tu das nicht. Das führt nur zu Ausschreitungen, die die Bullen vom Kommissariat nicht in den Griff kriegen. Und das Anfordern von Spezialeinsatztruppen braucht Zeit und gute Gründe.«

      Die beiden Männer trinken schweigend. Quignard grübelt. »Zündelnder Feuerwehrmann, hast du gesagt. Die Feuerwehr, das ist eine Idee. Ein Feuer bricht aus, und alle werden evakuiert.«

      Erneutes Schweigen. Die beiden Männer trinken. Quignard brummt, mehr zu sich selbst: Zumal wir nicht Gefahr laufen, dass die Versicherungsschnüffler uns auf die Nerven gehen.

      Maréchal hat sein Glas geleert und erhebt sich. »Karim Bouziane hat auf dem Gelände hinter der Fabrik einen Grill aufgestellt. Der muss an so einem Streiknachmittag nur so geglüht haben. Na dann, ich überlass dich deinen Angelegenheiten, ich fahr nach Hause. Danke für den Cognac.« Er hebt die Hand zum Gruß, die Tür klappt zu.

      Schnell mal überlegen. Ein Glas Cognac. Wäre jetzt nicht Tomaso der richtige Mann? Er denkt an ihre erste Begegnung zurück. Ein Geschäftsfreund hatte ihn nach Nancy ins Oiseau Bleu mitgenommen. Ein ganz besonderer Laden, hatte er gesagt. Ein Restaurant, das beste von Nancy. Der Besitzer, Tomaso, war gekommen und hatte sie begrüßt. In der hochgewachsenen eleganten Erscheinung hatte Quignard eine unnachgiebige Härte gespürt, Blaustahl, die ihn sofort fasziniert hatte. Nach dem köstlichen Abendessen dann der Nachtclub im Untergeschoss des Restaurants, Nutten, die besten von Nancy. Er war Stammgast geworden im Oiseau Bleu, wo er viel mehr Zeit verbrachte als zu Hause, und hatte sich mit Tomaso angefreundet, der sich ihm ein wenig geöffnet hatte: ein ehemaliger Hund des Krieges, der dabei war, sich neu zu orientieren, noch gezeichnet von Einsätzen und Gewalttaten, von denen der junge Quignard während seiner kurzen Zeit in der militärischen Geheimorganisation OAS geträumt hatte. Ach ja, das waren Zeiten … Und Tomaso war vierzig, hätte fast sein Sohn sein können, der Sohn, den er nie hatte. Also hatte Quignard ihm Aufträge für seinen Sicherheitsdienst verschafft, auch den für Daewoo Pondange, und er konnte sich dazu nur beglückwünschen. Linke Tricks gegen unliebsame Gewerkschafter, Übergabe von Geldkoffern, hier und da ein wenig Wirtschaftsspionage. Tomaso hat ihm nie einen Gefallen abgeschlagen, alles effizient und diskret erledigt. Für einen brennenden Mülleimer in einer besetzten Fabrik ist er natürlich der richtige Mann.

      Vor der offenen Tür drängen sich etwa zwanzig Arbeiter und versuchen einen Blick nach drinnen zu erhaschen. Zu hören ist die Stimme von Amrouche, der die Sitzung mit einer gewissen Feierlichkeit eröffnet.

      Während Nourredine immer noch benommen dasitzt, den Kopf in die Hände gestützt, und nicht richtig Luft bekommt, verteilt sich der Rest der Truppe in den Büros und nimmt mit sichtlichem Vergnügen die Räumlichkeiten in Besitz. Teppichböden, richtige Wände, saubere, solide Möbel, zarte Pastelltöne, reichlich Platz, eine andere Welt als die Fabrik, eine Welt, in der man Lust bekommt zu spielen, sich in einen der Drehsessel zu setzen, Füße auf den Tisch, die metallenen Aktenschränke als Grundausstattung für ein Schlagzeug neuen Typs zu verwenden, alle Apparate der Telefonanlage zum Klingeln zu bringen. Wir sind hier zu Hause, oder besser, wir tun so, als seien wir hier zu Hause. Dann wird das Spiel langweilig, in einer Schublade findet sich eine Flasche Whisky, die aus Kaffeetassen geleert wird, man ruft entfernt lebende Freunde an, ein bisschen Kleinzeug verschwindet in namenlosen Taschen, elektronische Terminkalender, Handys, bunte Filzer als Mitbringsel für die Kinder, ein Montblanc-Kugelschreiber, durch ein Fenster gegenüber der großen Fabrikhalle schaffen zwei Männer einen topmodernen Computer samt Zubehör hinaus.

      Im Sitzungsraum zieht sich die Diskussion durch endlose Präliminarien in die Länge, der Dolmetscher übersetzt jeden Beitrag ins Koreanische oder Französische. Amrouche geht Punkt für Punkt eine Liste mit Beschwerden durch, die sich seit Gründung der Fabrik angesammelt haben. Die Gruppe der vor der Tür versammelten Zuhörer wird allmählich kleiner. Der Nachmittag zieht sich hin, man beginnt sich zu langweilen. Im Hauptgang drehen die dafür Eingeteilten ihre Runde, was niemanden weiter interessiert. Im Büro des Personaldirektors sitzt ein Grüppchen im Kreis und lässt Joints herumgehen. Schade, dass die Sekretärinnen schon weg sind, mit ihnen wär die Party lustiger. Und wo sind unsere Mädels? Die haben Schiss gekriegt, kannste dir doch denken. Lacher, Kerle unter sich. Andere sitzen neben dem Kaffeeautomaten schon wieder bei ihrem unvermeidlichen Kartenspiel. Im Büro vom Chef steht ein Fernseher, aber die Fernbedienung ist unauffindbar. Das Gerät wird auf den Boden geschmissen. Nourredine ist mit dem Kopf auf den Knien auf seinem Stuhl eingeschlafen.

      Étienne hat den Computer aus dem Wagen des koreanischen Managers geholt. Er setzt sich in ein ruhiges Büro und schließt ihn an. Mit Computern, denkt er, kennt er sich ein bisschen aus. Mal gucken, wie sie in den Büros arbeiten, wo er schon mal die Gelegenheit dazu hat, das macht ihm Spaß, das interessiert ihn. Er kommt ohne weiteres in den Rechner hinein, drückt ein paar Tasten. In der Rubrik »Verwaltung Einkauf-Verkauf Lieferanten« erscheinen mehrere Ordner, denen Nummern zugeordnet sind. Er öffnet irgendeinen und stößt auf Namensdateien, französische und ausländische Namen, er kennt keinen. Klickt einen an. In einem Fenster links auf


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