Auslaufgebiet. Lotte Bromberg

Auslaufgebiet - Lotte Bromberg


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auch wenn der Kerl schon sehr sexy aussah inmitten seiner roten Stämme und auch für einhunderttausend Euro, Du hast sie nicht alle. Der Jeep hielt, sie stieg aus und ging auf wackeligen Beinen auf den Mann zu.

      »Was soll an einer Selbstmörderin an der Krummen Lanke interessant sein? Weißt Du, wie viele es davon gibt jedes Jahr? Sie ertränken sich, obwohl man eigentlich meinen sollte, daß sogar Nichtschwimmer das andere Ufer erreichen. Aufhängen kommt auch gut. Nehmen sich ein Bäumchen, krabbeln rauf und lassen sich ins Seil fallen.« Der Redakteur interessierte sich deutlich mehr für den Zahnstocher, der Kantinenrouladenreste aus Ritzen pulte, als für seine kleine Praktikantin.

      »Sie hat sich nicht umgebracht, sie wurde ermordet.«

      Warum mußte immer er sich um das Gemüse kümmern? Diese glatten Züge, hohen Stimmen, schlichten Ansichten kombiniert mit großen Klappen. Immerhin war sie blond, der Arsch auch ganz nett. »Woher weißt Du das?«

      »Das spüre ich.«

      »Na super, eine Praktikantin mit Gefühlen.«

      »Hier steht, daß die Todesursache noch nicht geklärt ist, daß Fremdverschulden nicht ausgeschlossen werden kann.«

      Der Redakteur winkte ab. »Das ist, damit die Angehörigen sich nicht grämen. Bei Suizid läuft immer die Schuldkiste an. Die Nachbarn sagen, Gott, wie schrecklich und denken, wird schon einen Grund gehabt haben.«

      »Mein Informant sagt …«

      »Eine Praktikantin mit Informanten, wie schick.«

      »Er sagt, sie war in schrecklichem Zustand.«

      »Was heißt das?«

      »Ihr fehlte ein Ohr, der Busen und die Nase waren angeknabbert.«

      Der Redakteur beugte sich vor. »Angeknabbert?«

      »Fraßspuren, sagt mein Informant. Irgendwer hat sie als Futter angenommen.«

      »Wer?«

      »Tiere halt.«

      »Hunde?«

      »Das hat er nicht gesagt. Er dachte wohl eher an Ratten, Wildschweine und so.«

      »Hunde.« Der Redakteur lehnte sich zurück, schnipste den Zahnstocher weg und lächelte. »Hunde töten hübsche, junge Frau und verspeisen sie. War es nicht sogar im Auslaufgebiet?«

      »Ich glaube ja. Aber …«

      »Nix aber. Mach Dich sachkundig über die Berliner Hundegesetze. Läuft einiges an Hundehassern rum. Fang mit den Grünen an. Gibt da eine, deren Kind hat sich mal fast den kleinen Finger abbeißen lassen. Seitdem kriegt sie Asthma, wenn sie einen Köter sieht. Also die Mutter, nicht das Gör, das befummelt längst mit allen Fingern wieder das blühende Leben. Interview die Mama, sag ihr, freilaufende Hunde haben im Wald eine Frau zerfleischt. Das gibt unkontrollierte Aussagen. War das Opfer nicht Joggerin? Wenn wir Glück haben, sogar schwanger. Und alles geht über meinen Tisch, hast Du verstanden? Wenn Du Dein eigenes Ding versuchst, bist Du ratzfatz Deine Stelle los.«

      »Und wenn es eine gute Story wird?«

      »Rede ich mit dem Chef. Kriegst vielleicht sogar Gehalt. Zumindest erst mal für ein halbes Jahr, dann sehen wir weiter. Also, ab mit Dir. Wir machen da draußen einen schönen Hundekrieg.«

      Oskar nahm den ersten Zug von seinem zweiten Bier. »Du willst mir ernsthaft erzählen, man kann damit seinen Lebensunterhalt bestreiten, die Hunde anderer Leute auszuführen?«

      In dieser durchgeknallten Stadt gab es immer wieder etwas zu lernen. Da verbrachte er seine Tage und Nächte mit den verbohrten Nummern eins bis drei, folgte Hinweisen aus der Bevölkerung auf die veröffentlichten Photos der zwei Opfer, lief sich die Hacken krumm, weil Pankower und Tegeler ihren türkischen Gemüsehändler nicht vom bulgarischen Autohändler unterscheiden konnten, war genervt, übermüdet, dankte trotzdem für Aufmerksamkeit und Unterstützung der Hilfspolizisten in Genossenschaftswohnungen, saß endlich mit einem richtigen Menschen beim Bier und mußte sich Geschichten anhören, die für ihn eher nach Schlumpfhausen, denn seiner Heimatstadt klangen. Menschen, die ihre Vormittage lieber im Wald als zwischen Nachbarn verbrachten. Geld verdienen mit Spazierengehen, alles klar. »Was ist bloß aus Berlin geworden.« Oskar schüttelte den Kopf.

      »Fragt sich der Förster auch«, sagte Jakob. »Der will Betretungsgebühren von den Hundeausführern.«

      Oskar lachte. »Findig, unser öffentlicher Dienst. Und hast Du schon Verdächtige? Was ist mit dem Waidmann?«

      »Er hat einen Angestellten namens Hacke, der schießt auf Amseln und hat mir verschwiegen, daß er Iris Gerber kannte.« Seine triebgesteuerten Umgangsformen machten ihn auch nicht harmloser.

      »Und diese Hunde-Aupairs?«

      »Da bin ich noch dran.« Jakob sah Maries Gebiß und den schaukelnden Hoden des Ridgebacks vor sich. »Gab einen Zickenkrieg mit unserem Opfer. Aufsteigerin rempelt Hinterhof an.«

      »Den Weiberkram hast Du exklusiv. Apropos, was machen eigentlich Deine Mädchen in der Ferne?« Oskar beugte sich vor. »Die meiden doch unsere Heimatstadt nicht etwa deinetwegen?«

      Jakob zeigte seinem Freund einen Vogel. »Tanja hat sich ihre Fortbildung wirklich verdient.«

      Die junge Kollegin war im letzten Jahr nach Berlin gekommen, um mit Jakob, ihrem Vorbild in Sachen Anstand, zusammenzuarbeiten. Sie hatte Jakobs Absturz, Krankheit, Suspendierung und Anklage miterlebt und trotzdem auf seiner Seite gestanden. Zwar bestand sie darauf, Städterin zu sein, aber Jakob vermutete bei solch rührend sturer Treue große Brocken moorige Scholle in der Sozialisation.

      Zur Zeit war sie in Amerika auf einer Fortbildung und hatte Urlaub angehängt. Die Weite dort paßte besser zu ihr, Berlin war für ihre Füße zu vollgestopft. Dreieinhalb Millionen Artgenossen und dazu unzählige Haustiere, die nicht einmal geschlachtet wurden.

      »Stell Dir unser freilaufendes Landküken unter all den bekloppten Hundeleuten vor.« Oskar lachte.

      »Den Hacke würde sie erschießen.«

      »Blattschuß. Keine toten Amseln mehr.« Oskar beugte sich vor. »Und wo bleibt Hanna?«

      »Klappert ihre weitverstreuten Schwestern ab.«

      »Muß das Einzelkind Hagedorn allein ins kalte Bettchen klettern.«

      »Ich habe ja mein Telefon.«

      Oskar legte den Kopf schief. »Muß Liebe schön sein.«

      »Bist Du neidisch?«

      Er hob abwehrend die Arme. »Bloß keine Ärztin.«

      Jakob lachte. »Psychologin wäre noch schlimmer.«

      »Und was macht ihr Verhandlungstermin?«

      »Läßt auf sich warten. Die Approbation ruht, sie haben erreicht, was sie wollten. Aber zurück zu Waldarbeiter Hacke. Der ist mir zu aggressiv. Du mußt ihn überprüfen. Gerhard heißt er vorne.«

      »Wieso ich?«, fragte Oskar, »das Waldding ist Deins.«

      Jakob schwieg.

      Oskar lachte. »Traust Du Dich nicht in die Keithstraße?«

      »Ich war schon da.« Jakob pulte das Weiche aus einer Scheibe Weißbrot und quetschte es zu kleinen Kügelchen. »Wollte mal wieder reinschnuppern. Und Hacke überprüfen, zusammen mit Dir.«

      »Stinkt wie immer, nach ollem Schweiß und Frust. Sag nicht, daß Dir das fehlt.« Oskar suchte seine Augen. »Das glaube ich jetzt nicht. Schau mich an, Alter.« Er beugte sich vor. »Arbeiten wir zusammen, oder nicht?«

      Jakob schaute auf seine Weißbrotarbeit.

      »Sind wir das beste Team der Stadt, oder nicht?«

      Jakob reihte die Weißbrotkügelchen nach Größe auf.

      »Du


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