Frauengeflüster. Tamara Hinz

Frauengeflüster - Tamara Hinz


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Ich bin ich: Das ist meine Biografie

      Wir wissen heute, dass unser Ich ganz stark durch unsere persönliche Geschichte, also dadurch, wie unser Leben bis heute verlaufen ist, geprägt wird. Vor allem unsere Kindheit spielt hier eine ganz wesentliche Rolle. Denn in dieser Phase unseres Lebens sind wir noch formbar und weich, sodass jede Prägung, zum Guten wie zum Schlechten, tiefe Spuren in uns hinterlässt.

      Wenn ich mich im Folgenden mehr auf die Negativprägung konzentriere, dann nicht, weil ich das Gute nicht sehe oder es kleinreden will. Denn tatsächlich hat vieles, das wir an Kompetenzen und Lebenstauglichkeit hier und heute in unserem Leben finden, seine Wurzeln im Früher und in dem, was uns von unseren Eltern und anderen Bezugspersonen mitgegeben wurde. Es lohnt sich, immer wieder einen dankbaren Blick nach hinten zu tun und es nicht als Selbstverständlichkeit zu nehmen, wenn wir guten Boden hatten, auf dem wir prächtig gedeihen und wachsen konnten. Demut und Dankbarkeit wäre da eine angemessene Reaktion.

      Aber das Gute macht uns in unserer Entwicklung nicht zu schaffen, sondern das Schlechte und das, was uns zu einem gesunden Gedeihen fehlte. Und so ist ein Blick in die eigene Geschichte besonders dann vonnöten, wenn wir im gegenwärtigen Leben mit unserem Ich große Probleme bekommen und denken: „Hier klemmt’s bei mir immer wieder. Ich stolpere immer an den gleichen Stellen, ohne genau zu wissen, warum.“ Wir brauchen dann diesen Rückblick, um nachvollziehen zu können, woher diese Blockaden kommen. Wenn wir uns selbst nicht verstehen mit dem, wie wir denken, fühlen oder reagieren, dann hat das häufig seine Ursachen in der Kindheit, und wir können Zusammenhänge herstellen, wenn wir hier einmal genauer hinschauen.

      Dieser Rückblick in die eigene Geschichte hat nicht das Ziel, andere (z. B. die Eltern) anzuklagen und dann in einer sich selbst bedauernden Opferhaltung zu verharren. Es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, das eigene Gewordensein besser zu verstehen. Wir können dann zu uns selbst sagen: „Klar, dass ich so denke, so fühle und mich so verhalte, das ist bei meiner Geschichte und der damit verbundenen Prägung eine logische Folge. Meine Reaktion ist vielleicht nicht gut, und ich werde mich kräftig ins Zeug legen müssen, um ungute Prägungen abzulegen und Neues einzuüben. Aber in alldem begegne ich mir selbst mit großem Verständnis. Ich verurteile mich nicht und klage mich nicht an, wenn ich mit manchen Situationen im Leben nicht gut zurechtkomme, sondern bleibe mir selbst zugewandt.“

      Dieser Rückblick kann uns helfen, unser Lebensfundament, das möglicherweise sehr schadhaft, brüchig oder rissig ist, im Nachhinein auszubessern. Indem wir erkennen, dass es da manche Fehlprägung gegeben hat und uns über uns selbst manche Wahrheit untergejubelt wurde, die keine Wahrheit, sondern eine Lüge war, können wir nachträglich Stützpfeiler einbauen oder undichte Stellen abdichten. Indem wir Gott unser verwundetes Herz hinhalten und ihn um Wiederherstellung bitten, kann auch manche Verletzung noch nachträglich heilen.

      Vor ungefähr zehn Jahren hatte ich eine heftige Erschöpfungsdepression, die einherging mit starken Angst- und Panikattacken. Damals hatte ich das Gefühl, meine Seele würde mir regelrecht um die Ohren fliegen. Meine Psyche kollabierte, machte, was sie wollte, und ließ sich scheinbar durch nichts mehr beruhigen. Mit der Bearbeitung und Verarbeitung dieser Störung kam auch bei mir noch einmal ganz viel Altes, scheinbar längst Vergessenes wieder hoch. Ich spürte, dass diese Altlasten mein Leben bis in die Gegenwart hinein vergifteten.

      Für mich war es ganz wichtig, meine Kindheit in einer Alkoholikerfamilie noch einmal zu beleuchten, um Zusammenhänge und Auswirkungen auf mein jetziges Leben zu verstehen. Erst dann konnte ich beginnen, nachzubessern und zu korrigieren, was da in der Kindheit schiefgelaufen war. Heilung begann, und Gesundes fing an zu wachsen – ein Prozess, der bis heute anhält und der wahrscheinlich nie ganz abgeschlossen sein wird.

      Bei Ihnen werden es ganz andere Themen sein, die Sie in der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte beschäftigen. Aber diese Auseinandersetzung lohnt sich: So manch eine Blockade in unserer Persönlichkeit kann auf diesem Weg überwunden werden und wir werden immer fähiger, ein Leben im Einklang mit uns selbst zu leben.

      Zu unserer Biografie gehören auch Situationen, die wir „vermurkst“ haben. Entscheidungen und Weichenstellungen, die sich im Nachhinein als Fehlentscheidungen entpuppt haben, mit deren Konsequenzen wir und andere nun aber leben müssen. Da gibt es Schuld, Versagen und Unrecht, das wir anderen zugefügt haben, das wir heute bitter bereuen, das wir aber nicht mehr so einfach wieder gutmachen können. Manchmal spüren wir nur allzu deutlich: Der Zug ist in unserem Leben endgültig abgefahren!

      Brüche und Versagen gehören auch zu unserem Menschsein und haben bei der einen oder anderen von uns das Leben nachhaltig geprägt. Wenn wir hier Gottes Vergebung nicht annehmen können, wenn andere Menschen oder wir selbst uns diese Vergebung verwehren, dann stehen unsere Schuldgefühle immer wieder auf, klagen unser Ich an und verhindern, dass wir als freie Menschen durchs Leben gehen.

      Nicht zuletzt gehört zu unserer Geschichte auch unsere derzeitige Lebenssituation. Ob Sie als Familienfrau leben oder als Single, ob Sie Arbeit haben oder keinen Job finden, obwohl sie liebend gerne Ihren Beruf ausüben würden, ob Sie in einer liebevollen Paarbeziehung eingebettet sind oder sich gerade getrennt haben, ob Ihre Wohnverhältnisse so sind, dass Sie sich wohlfühlen oder Sie an dieser Stelle sehr unglücklich sind, ob Ihr Leben materiell einigermaßen gesichert ist oder ob Sie permanent Geldsorgen haben, ob Sie derzeit relativ unbeschwert durchs Leben gehen oder momentan große Krisen erleben – all das wird Ihr Selbstgefühl und Ihre Einstellung zu Ihrem Ich maßgeblich mitprägen.

      Nun haben wir die verschiedenen Bereiche unseres Ichs etwas „auseinandergepflückt“ und uns unsere Persönlichkeitsstruktur, unsere Begabungen und unsere Biografie angeschaut. Manches, was Sie da betrachtet haben, wird Ihnen gefallen haben. In diesen Bereichen sind Sie mit sich zufrieden und haben ein ganzes Ja zu sich selbst. Das ist gut so, und diese Stärken und positiven Seiten an Ihrer Person sollten Sie unbedingt festhalten und sich diese Dinge immer wieder vor Augen führen.

      Aber da ist auch all das andere an unserer Person, das, was wir eher mit dem Etikett „negativ“ versehen, wenn wir daran denken. Diese Dinge gehören aber auch zu uns – selbst dann, wenn sie sich mit dem Wunsch „Ich möchte mit mir selbst im Einklang leben“ scheinbar nur schwer vereinbaren lassen.

      Was also tun, damit wir als ganze Person, mit allem „drum und dran“, einigermaßen mit uns rund sind? Ich sage bewusst „einigermaßen“, weil ich der Überzeugung bin, dass wir uns alle immer mal wieder mit Selbstzweifeln und Unzufriedenheiten herumschlagen. Glauben Sie nicht, dass Ihre Kollegin, Nachbarin oder gute Bekannte, die vielleicht sehr selbstbewusst auftritt und Sie damit kolossal beeindruckt, solche Gefühle nicht kennt!

      Wenn wir uns gegenseitig hinter unsere auf Hochglanz polierte Fassade schauen lassen, dann stellen wir ganz schnell fest, dass jeder sie kennt: Tage, an denen man gänzlich unzufrieden mit sich selbst ist, das Gefühl hat, man bekommt gar nichts geregelt und sieht darüber hinaus auch noch zum Fürchten aus!

      Aber solche Tage sollten die Ausnahme sein, und mein Wunsch für Sie und mich ist es, dass es uns immer besser gelingt, mit uns selbst „rund“ zu sein. Im Folgenden einige Impulse, wie uns das besser gelingen kann.

       Vor allem: geliebt!

      Es gibt ein Grundgefühl, ein Grundwissen, das eigentlich zu uns Menschen gehört, weil wir in dieses Gefühl hineingeschaffen und hineingeboren wurden. Es ist die ganz tiefe Gewissheit, von Gott, unserem Schöpfer, gewollt und geliebt zu sein, und bei ihm, wie ein Kind bei seinen liebenden Eltern, geborgen zu sein. Leider haben wir dieses Grundgefühl verloren, weil uns entweder das Wissen um Gott und der Glauben an ihn abhanden gekommen sind oder wir ein sehr verzerrtes Bild von diesem Gott haben. Wenn er für uns überhaupt noch existiert, dann allenfalls als theoretisches Gedankengebäude oder humorloser Aufpasser, der uns Menschen mit erhobenem Zeigefinger ein moralisch korrektes, dafür aber langweiliges und farbloses Leben „verpassen“ will.

      Aber wenn wir die Bibel als Grundlage für unser Wissen über Gott nehmen, dann wird sehr schnell deutlich, dass es diesem Gott keinesfalls vorrangig um ein mustergültiges Leben seiner Geschöpfe geht, sondern um etwas ganz anderes. Seine wichtigste Botschaft an uns Menschen


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