Koshiki Kata. Roland Habersetzer

Koshiki Kata - Roland Habersetzer


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Bestätigt wurde hierdurch ebenfalls der Sinn, den Roland Habersetzer stets in den nunmehr über 50 Jahren seiner Kampfkunstpraxis und in seinem Engagement für eine authentische Tradition gesehen hat, einer Tradition, die im Zeichen des größten Respekts vor den Stufen „Shu“, „Ha“ und „Ri“ steht. Schließlich stellt dies auch die Legitimierung seines eigenen Konzepts der Praxis der Kampfkünste dar, des „Weges des Tengu“ („Tengu no michi“).

      Im Jahre 1968 erschien sein erstes populärwissenschaftliches Buch über die Kampfkünste. Heute besteht sein Werk aus über 70 Büchern, was ihn zum Autor der weltweit bedeutendsten Buchreihe auf diesem Gebiet werden läßt. Seine Bücher, die in mehrere Sprachen übersetzt worden sind, gelten in allen frankophonen Ländern als historisches, technisches und pädagogisches Standardwerk. Auch in vielen anderen Ländern besitzen sie hohes Ansehen.

      Schon frühzeitig zeigte sich Roland Habersetzer enttäuscht von der Tendenz des Karate, sich von einer Kampfkunst zur Sportart zu entwickeln. Daher gründete er 1974 das Centre de Recherche Budo (CRB), eine internationale, unabhängige Organisation, die zahlreiche Budôka zusammengeführt hat, denen vorrangig der Erhalt der geistigen Werte der japanischen und chinesischen Kampfkünste am Herzen liegt. Durch sein Wirken im Rahmen des CRB, durch zahlreiche Lehrgänge und Seminare auf der ganzen Welt und natürlich auch durch seine technischen Handbücher und historischen Werke leistete er echte Pionierarbeit, damit die traditionellen Werte seiner Kunst nicht verloren gehen. Zwischen 1962 und 2002 unterrichtete er in seinem Dôjô in Straßburg. Stets umfaßte sein Ausbildungskonzept sowohl die Kampftechniken als auch deren kulturellen Hintergrund. Nach wie vor ist er als Budôka sehr aktiv, auch wenn sich seine Lehrtätigkeit inzwischen auf wenige Lehrgänge und Seminare hohen Anspruchs pro Jahr beschränkt.

      Der weltweit anerkannte Experte des Karatedô, des Kobudô und des Taijiquan interessiert sich leidenschaftlich für Kampfkünste in all ihren Erscheinungsformen. Nach Effektivität im Kampf zu streben bedeutet für ihn, alle Entwicklungen vorurteilsfrei zu betrachten. Diese Überzeugung führte den modernen „Rônin“, als den er sich sieht, dazu, seiner Praxis auch andere Techniken hinzuzufügen, was selbst den Umgang mit zeitgenössischen Waffen einschließt. So ist er (mit entsprechenden Diplomen aus den USA und der Schweiz) u. a. auch als Ausbilder im Kampfschießen mit Handfeuerwaffen tätig.

      Mit seinem Institut Tengu, das er 1995 gründete, begann parallel zu seiner Tätigkeit als Budôka eine neue Etappe seiner Forschungen auf dem Gebiet der Kampfkünste. Das Ziel dieses Instituts besteht darin, auf Grundlage des Studiums und des praktischen Vergleichs zahlreicher Formen des Kampfes mit und ohne Waffe zu einem umfassenden Konzept der Selbstverteidigung zu gelangen, das den Gegebenheiten des heutigen Lebens gerecht wird. Die Absicht von Habersetzer Sensei besteht darin, der Praxis des Karatedô einen Sinn zu verleihen, der in der modernen Gesellschaft Bestand hat, einen Sinn, der nichts zu tun hat mit sportlichen oder spielerischen Varianten. Sein leidenschaftliches Streben gilt einer gültigen Neubestimmung des Konzepts des Kriegertums für unsere Epoche; Techniken, Taktiken und Verhaltensweisen der Praxis des klassischen Karatedô sollen mit den Gegebenheiten unserer Zeit in Einklang gebracht werden.

      „Der Weg des Tengu“ (Tengu no michi) ist für ihn das Abbild einer neuen Bewußtwerdung, eines Willens, einer modernisierten Methode des Budô. Geistige Einstellung und technische Mittel entsprechen dabei den Anforderungen der heutigen Welt. Indem er nach langen Jahren auf dem Weg des klassischen Karatedô eine authentische Schule (Ryû) der vereinigten Kampfkünste (Shin Budô), „Tengu no michi“, gegründet hat, tat Habersetzer Sôke nichts anderes, als den lebendigen Geist der Tradition in die Gegenwart einzubringen. Ganz im Sinne eines „Tatsujin“ („aufrechter Mensch“) ist er somit seiner ursprünglichen Wahl treu geblieben, indem er die Tradition mit Nachdruck und Überzeugung ehrt und weitervermittelt.

      Der Autor dankt Ôtsuka Tadahiko Sensei und Myazaka Shinji, daß sie es ihm gestattet haben, die Fotos von ihnen, die während ihres Aufenthalts in Straßburg im Oktober 1993 entstanden sind, in dieses Buch aufzunehmen. Besonderer Dank gilt Ôtsuka Sensei für seine wertvolle Hilfe beim Verstehen der Kata Happoren.

      Der Autor dankt gleichermaßen Herrn Hilmar Fuchs, 6. Dan, und Herrn Jean-Jacques Graff, 3. Dan, wie auch Herrn François Claudic, der mit dem Autor zusammen auf einer Anzahl Fotografien zur Darstellung der Bunkai-Kumite in diesem Buch zu sehen ist.

      Alle Zeichnungen entstammen der Feder des Autors. Die Fotografien, wenn nicht anders vermerkt, stammen aus den Archiven des Autors oder sind lizenzfrei.

       Centre de Recherche Budo (CRB)

       7b Chemin du Looch

       F-67530 Saint-Nabor

       Internet: www.karate-crb.com

       Deutsche CRB-Website:

       www.wslang.de/​karatecrb

       Karatedô ist die Kunst der Tugendhaften.

      Funakoshi Gichin

       Der Mensch kämpft durch seinen Geist. Seine Hände und Waffen verlängern lediglich die

       Reichweite seines Willens, und der größte Irrtum unseres Zeitalters besteht darin,

       zu glauben, daß die Ausrüstung den Geist ersetzen könne.

      Jeff Cooper, American Pistol Institute

       Der Schmerz läßt den Mann denken.

       Der Gedanke läßt den Mann weise werden.

       Die Weisheit läßt das Leben erträglich werden.

      Okinawanisches Sprichwort

       Jeder ist bemüht, das kennenzulernen, was er noch nicht kennt,

       aber niemand versucht, das Wissen, welches er bereits besitzt, zu vertiefen.

      Zhuangzi

       Je größer die Götter, um so freier der Mensch.

      Marcel Gauchet in „Le désenchantement du monde“, 1985

      Man bezeichnet die alten traditionellen Kata, die Koshiki Kata, oft als „unendliche Schätze“. Über Generationen hinweg haben Meister sie bis in unsere Tage weitergereicht. Zweifelsohne wurden sie im Laufe der Zeit verändert, aber das Wesentliche dessen, was übermittelt werden sollte, ist erhalten geblieben. Seit ich vor langer Zeit begonnen habe, mich für sie zu interessieren und sie im Dôjô zu studieren, habe ich mir die Frage gestellt, wie es möglich sei, daß eine Technik, die dazu bestimmt ist, den Gegner zum Krüppel zu machen oder ihn gar zu töten, als „unendlicher Schatz“ bezeichnet wird. Was sollte denn so „wertvoll“ sein an jenen Sequenzen von Kampftechniken aus alter Zeit, in denen es letzten Endes um Leben oder Tod geht?

      Die Antwort hat sich im Laufe der Zeit ergeben, und dies auf ganz natürliche Weise. Eines Tages hatte ich begriffen, daß diese alten Kata keinerlei Geheimnis enthielten, keine verborgene Technik, die wir nicht schon längst kennen. Ich begriff, daß ihr „Wesen“ nicht in ihren Techniken bestand, daß ihre „Wahrheit“ woanders zu finden war. Daß sie in Wirklichkeit viel mehr waren als simple Anleitungen zum Kämpfen.

      Die alten Kata unterscheiden sich augenfällig von den modernen, sportlichen und spektakulären Choreographien,


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