Das Kreuz. Astrid Seehaus

Das Kreuz - Astrid Seehaus


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ist es denn dann?“

      Sie schwieg und starrte ihn an. „Ich weiß es nicht.“

      Er versuchte sie zu umarmen, aber sie wich ihm aus. „Wir können gemeinsam ein Kind haben, Simone. Liebling! Natürlich können wir das. Wir sind doch nicht zu alt für Kinder.“

      „Du verstehst das nicht“, sagte Simone und wollte das Zimmer verlassen.

      Er hielt sie auf, indem er ihre Schultern umklammerte. „Was verstehe ich nicht?“

      Ihre Stirn lag in Falten, ihre Augenbrauen waren bis zur Schmerzgrenze zusammengezogen. Es sah aus, als ob sie vermeiden wollte, vor ihm zu weinen. „Du kannst das nicht verstehen.“

      „Ich könnte es versuchen.“

      Sie entwand sich seiner Umklammerung und antwortete: „Du bist nicht von hier. Also kannst du es nicht verstehen.“

      Sie verließ den Raum. Verletzt starrte er ihr nach. Das Klappen der Haustür riss ihn zurück in die Wirklichkeit. Sie war tatsächlich gegangen. Er fluchte laut vor sich hin, als er zum Kühlschrank ging und sich frustriert eine Flasche Bier nahm. Sie war doch wohl nicht wegen der Connolly eifersüchtig. Aber dass sie eifersüchtig war, spürte er.

      ***

      Es hatte lange gedauert, aber endlich war ein dienstfreies Wochenende, und Frank fuhr mit seiner Tochter nach Weimar. Sie brauchte die Atempause vom Alltag so sehr wie er. Das Shoppen lenkte sie von ihren Problemen ab. Er hatte sich vorgenommen, auch nicht ungeduldig zu werden, wenn sie wieder einmal ausufernd lange brauchte, um sich für ein Paar Schuhe zu entscheiden. In der Zeit hätte er nicht nur die passenden Schuhe für sich gefunden, sondern auch deren Sohlen abgelaufen. Aber er übte sich in Geduld. Möglicherweise war diese Einkaufstour auch eine gute Vorbereitung für das nächste Treffen mit Lizzy. Waren es nicht die Geduldigen, die ins Himmelreich kamen? Und wenn nicht, so hoffte er es.

      „Warum stehen wir jetzt vor einer Tierhandlung?“, fragte er verblüfft, nachdem sie das gefühlt hundertste Schuhgeschäft ohne Ergebnis verlassen hatten. „Bitte sag mir jetzt nicht, dass du einen Hamster willst!“

      „Ach, Papa! Es macht einfach Spaß, sich alles genau anzuschauen, und dann später davon zu träumen.“

      „Du träumst von einem Katzenkratzbaum?“

      Sie grinste. „Schau dir mal die Halsbänder an. Sind die nicht schick? Und alle mit einem Sender versehen.“

      „Ist das jetzt ein Fingerzeig, dass ich dir auch so ein Halsband kaufen soll? Damit ich weiß, wo du nachts auf welchen Feten rumturnst?“

      „Papa! Kannst du mich nicht mal ernst nehmen! Ich bin sowieso bei Matthias. Andere Jungs interessieren mich nicht.“

      „Aber dein Leben besteht nicht nur darin, die Krankenschwester für einen Jungen zu spielen“, sagte Frank, dem dieses Thema immer wieder mal im Kopf herumging. Was würde aus seiner hübschen Tochter werden, wenn Matthias nicht wieder gesund wurde?

      „Ich bin ihm das schuldig. Und ich liebe ihn.“

      Er seufzte: „Ich weiß.“

      „Er hat mir das Leben gerettet.“

      „Ja, mein Schatz, aber was hat das mit den Halsbändern zu tun?“

      „Ich habe einen Plan.“

      Frank starrte sie an, und Jessi lachte.

      „Du willst ihm das Halsband schenken?“, neckte er sie.

      Sie kicherte. „Ich möchte mit Matthias eine Hundetherapie machen. Du weißt schon, man geht mit einem Hund in das Krankenhaus, und er kann ihn streicheln und fühlt sich dadurch besser. Und wenn der Patient glücklich ist, sind die Heilungschancen viel größer.“

      Frank beäugte sie. „Und woher kommt der Hund?“

      Jessi seufzte. „Da ist es ja.“

      „Nein“, sagte Frank.

      „Er wäre auch nur ganz klein.“

      „Wie klein?“, fragte er beunruhigt.

      Jessica gab die Größe mit ihren Händen an.

      „Du willst eine Ratte?!“

      „Kleine Hunde fressen weniger. Und du würdest gar nicht merken, dass wir einen hätten.“

      Bis ich mich auf ihn setze, dachte Frank. „Und wer kümmert sich um das Tier?“

      „Ich“, sagte Jessica.

      „Oh Jess, wann hast du bloß dein ehrliches und völlig anspruchsloses Interesse an Schuhen verloren? Ich meine im Vergleich zu einem Hund. Schuhe wollen nicht Gassi gehen.“

      „Manche Schuhe schon, Papa.“

      Frank zog eine Grimasse. „Das Leben mit einem Hund ist bei meinen Dienstzeiten nicht möglich.“

      Jessica lachte herzhaft. „Na gut, wenn nicht heute, dann später. Ich kenne dich, du hast ein butterweiches Herz.“

      „Das befürchte ich auch“, murmelte er und brachte sie damit wieder zum Lachen.

      Er liebte ihr Lachen. Er liebte sie. Aber ein Hund?! Hatte er nicht schon genug Probleme?

      Er versuchte, sich den Tag nicht zu verderben, indem er an Simone dachte oder von seinen Schwierigkeiten mit ihr sprach. Er hätte seine siebzehnjährige Tochter sicherlich gefragt, was sie von Simones Entscheidung hielt, wenn sie nicht eigene Sorgen hätte. Ihre große Liebe Matthias war zwar aus dem Koma erwacht, nachdem die Ärzte tagelang um sein Leben gekämpft hatten, aber er war noch nicht in der Lage, sein vorheriges Leben wieder in voller Gänze aufzunehmen. Die Fortschritte, die Matthias machte, waren viel kleiner als erhofft. Da durfte Frank sie nicht auch noch mit seinen Problemen belasten.

      ***

      Neureiter war bekanntermaßen eine wandelnde Informationsbörse. Dabei sah er gut aus, wirkte effizient, was er auch war, war beliebt bei den Kollegen, und so unerträglich … munter!

      Rothe versuchte ihn zu ignorieren. Der Montagmorgen war zu jung für Neureiters Energie. Knurrend erwiderte er dessen Begrüßung und erkannte plötzlich Ähnlichkeiten zwischen sich und Sture Bäcker.

      „Gestern hat man ein unabgeschlossenes Auto vor dem Bahnhof gefunden“, informierte ihn Neureiter.

      Durch das offene Fenster hörte man das Martinshorn der Feuerwehr. Rothe verschanzte sich hinter dem Computerbildschirm.

      „Die Connolly ist ein echter Promi. Meine Freundin kennt sich darin aus. Sie sagt, sie macht mit ihren Büchern Millionen“, plauderte Neureiter und fuhr seinen Computer hoch.

      „Mhmmh.“

      „Haben Sie sie schon getroffen?“

      Rothe richtete seine Aufmerksamkeit schließlich auf den jungen Kollegen und starrte ihn abwartend an.

      „Sind Sie nicht neidisch auf so eine Person? Wenn man mal so darüber nachdenkt, was die mit ihren Büchern verdient.“

      „Sie hätten viel eher Grund, neidisch zu sein, Neureiter, Sie verdienen weniger als ich.“

      Martin Neureiter dachte darüber nach und meinte schließlich: „Vielleicht sollte ich es mal mit Schreiben versuchen, meine Protokolle sind nicht übel.“

      Rothe konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Kollege, wenn Sie mit dieser Art des Schreibens Millionen machen, werde ich sofort Ihr Agent.“

      Noch bevor Neureiter kontern konnte, platze Bäcker herein und schnaufte: „Die neue Biogasanlage in Mengelrode brennt.“

      Rothe und Neureiter sprangen gleichzeitig von ihren Stühlen auf und griffen nach ihren Jacken.

      Eine Hundertschaft an Einsatzkräften versuchte den Brand in der Biogasanlage einzudämmen. Auch aus den Nachbardörfern waren die Männer der freiwilligen Feuerwehren gekommen.


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