Kampf mit den Tloxi. Matthias Falke

Kampf mit den Tloxi - Matthias Falke


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brauchten nur ein paar Momente, um sich auf die neue Situation einzustellen. Dann räumten sie unter den Laya auf, dass sie einem leidtun konnten. Nicht eine der gegnerischen Maschinen erreichte den rettenden Feuerschutz ihres Geschwaders.

      »Brave Tierchen«, sagte General Rogers, der das Geschehen auf seinem eigenen Display verfolgte.

      »Es sind keine Tiere«, versetzte Jennifer gereizt.

      »Was sonst?«

      »Es sind intelligente Wesen. Sie haben ein Bewusstsein und eine rudimentäre Sprache. Sie empfinden Schmerz und Lust, wie wir.«

      »Sie verfügen über nichts, was sich als begriffliche, grammatikalisch strukturierte Sprache bezeichnen ließe«, hielt der General dagegen.

      »Ich dachte, Sie kommunizieren mit Ihnen?«, schaltete ich mich in die Debatte ein. Noch immer rasten wir den Transittunnel entlang.

      »Wir kommunizieren mit ihnen«, lachte Rogers, »wie man mit Ameisen kommuniziert, wenn man ein Stück Zucker in ihren Bau wirft.« Er sah sich wieder über die Schulter zu mir um und setzt sein breites Haifischgrinsen auf. »Natürlich werden sie sich alle wie verrückt darauf stürzen. Aber ist das Kommunikation?«

      »Was ist der Zucker in unserem Fall?« Auf dem Gefechtsholo sah ich zu, wie die Scyther die letzten Jäger der Laya, die unvorstellbar schnell und wendig waren, in wenigen Augenblicken zur Strecke brachten.

      »Der Kampf.« Rogers schaute wieder nach vorne. Wir passierten gerade den Energievorhang und schossen auf das Große Drohnendeck hinaus. Die Kadettin nahm das Gas weg und ließ den Scooter langsam in die Parkbucht gleiten. Vor uns erhoben sich, wie Elefanten in einer Menagerie, zwei Enthymesis-Explorer.

      »Für diese – Wesen«, sagte Rogers, während wir ausstiegen, »ist der freie Kampf im Raum etwas, was ihnen offensichtlich intensive Lustgefühle bereitet. Deine Partnerin kann dir das sicher näher ausführen.«

      »Der Flug ist für sie gleichbedeutend mit Lust«, brummte Jennifer. »Das Gefühl der Freiheit. Es muss nicht notwendig ein Kampf sein.«

      »Du hast mit ihnen gesprochen«, sagte Rogers gleichmütig. »Natürlich kennst du sie sehr viel besser.«

      »Ich habe mich in sie eingefühlt«, gab sie zurück. »Das ist etwas anderes.«

      »Wie dem auch sei.« Der General drohte die Lust an der Auseinandersetzung zu verlieren. »Wenn wir ihnen einen Gegner bieten, stürzen sie sich wie wild auf ihn. Die Sache macht ihnen Spaß!«

      »Dennoch ist es eine Schweinerei, was wir da machen.«

      Rogers beschrieb nur eine wegwerfende Handbewegung. »Wir arrangieren ihnen eine Möglichkeit zum Lusterwerb. Und nebenher tun sie auch noch etwas für den Erhalt der Union.«

      »Sie haben Verluste.« Wir gingen zur Enthymesis. Mit einem Auge studierte Jennifer immer noch die Meldungen des Gefechtskanals, den sie jetzt auf kleine Darstellung geschaltet hatte.

      »Das ist unausweichlich.« Sentimentalitäten dieser Art hatten den Helden von Persephone noch nie aus dem Konzept gebracht.

      »Wir benutzen sie als Kanonenfutter.«

      »Wäre es dir lieber, ich würde Menschen an die vorderste Front schicken?«

      »Nein, natürlich nicht.« Sie sah mich Hilfe suchend an. »Sag doch auch mal was, Frank!«

      »Du warst eine von ihnen«, meinte ich. »Du hast dich in sie eingeschwungen.«

      »Ich wurde von ihnen akzeptiert.« Jennifer nickte traurig. »Weil ich ihnen sagte, dass das nicht ihr Krieg sei.« Ihr Blick heftete sich auf General Rogers und wurde dabei noch eine Spur trotziger. »Sie haben mir vertraut. Wir hätten die Schlacht um S’Deró unblutig beenden können, wenn nicht irgendein wild gewordener Kommandant eine Clusterbombe abgefeuert und ein halbes Volk von ihnen ausgelöscht hätte.«

      »Geht das wieder los!«

      Rogers stand am Fuß der sechzig Meter hohen vorderen Backbordstelze und wartete darauf, dass wir das Wartungsteam entließen und die Enthymesis offiziell übernahmen. Ich ließ mir das MasterBoard geben und quittierte mit meiner ID. Wir bestiegen die Elevatorkanzel und schwebten zur Brücke des bulligen Explorers hinauf. Die Stabsmitarbeiter, die uns in den beiden anderen Scootern gefolgt waren, nahmen den Elevator der mittleren Stelze. Oben würden sie sich auf die Unterkünfte für Passagiere begeben. Außerdem waren bereits zwei Hundertschaften leichter Infanterie an Bord, spezialisiert für Straßenkämpfe.

      »Der Einsatz dieser Waffe war ein Kriegsverbrechen«, sagte Jennifer, während wir im Inneren der vorderen Stelze nach oben getragen wurden. »Ein Massaker, das vollkommen überflüssig war. Es hätte vermieden werden können!«

      »Hätte, hätte, Panzerkette«, äffte Rogers. »Unsere Piloten haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Ich kann ihnen nicht zum Vorwurf machen, dass sie sich nicht in die telepathischen Felder dieser Wesen einschwingen können.« Er holte Luft. »Wenn die Scyther einen Gefechtskanal oder dergleichen gehabt hätten, hätte man von gleich zu gleich mit ihnen kommunizieren können. So müssen wir uns mit Mutmaßungen behelfen.«

      »Zuckerstückchen.« Ich betrat die Brücke des Explorers, wo die übliche Besatzung aus zwei Piloten und einem WO bereits auf uns wartete.

      »Das gibt uns nicht das Recht, sie nach Belieben zu verheizen«, sagte Jennifer noch. Dann besann sie sich, dass wir bereits mitten in der nächsten Schlacht steckten. Mit einer unwirschen Handbewegung wedelte sie den Ersten Piloten von seiner Konsole und nahm ihren angestammten Platz ein.

      »Lasst uns darüber später reden«, meinte ich.

      Rogers hatte einen der rückwärtigen Sitze eingenommen und die GraviGurte aktiviert. Auch der geschasste Pilot hatte sich rasch einen anderen Platz gesucht. Als er an mir vorbeischlich, tauschte er einen komischen Blick mit mir. Ich zuckte die Achseln. Mit Jennifer Ash machte eben jeder seine eigenen Erfahrungen.

      Ich kannte die Leute nicht. Sie waren nur Namen, Dienstgrade und Nummern auf meinem Display. Seit ich das Kommando der Marquis de Laplace übernommen hatte, kam ich nur noch selten in den Genuss, einmal wieder mit einem Explorer zu fliegen. Umso mehr freute ich mich auf den kurzen Hopser in die Atmosphäre von Sin Pur.

      Vom Tower kam die Freigabe. Vor uns glitten die riesigen Hangartore auseinander. Der WO und der Zweite Pilot warteten noch darauf, dass wir die routinemäßigen Vorstartsequenzen herunterleierten, da gab Jennifer schon Schub aus dem Hauptreaktor, riss das Schiff mit einer ruppigen Bewegung aus seiner gravimetrischen Vertäuung und jagte uns in den freien Raum hinaus.

      »Was war das denn?«, entfuhr es dem Ersten Piloten, der, zur Passivität verdammt, neben Rogers auf einem der »Besucherplätze« saß.

      »Willkommen auf der Enthymesis«, sagte ich. »So haben wir das gemacht, als Sie noch zur Schule gegangen sind.«

      Streng genommen handelte es sich um die Enthymesis II, das Schwesterschiff unseres guten alten Arbeitspferdes. Die Enthymesis I, die einer ganzen Flotte von interstellaren Explorern den Namen gegeben hatte, ragte als ausgeglühtes Stahlskelett aus den zinkoxidfarbenen Wüsten des Planeten Zthronmia. Sie war abgestürzt, zerschmettert, ausgebrannt. Selbst wenn wir die Zeit gefunden hätten, sie zu bergen, wäre außer dem zerknickten und verkohlten Chassis wenig zu retten gewesen. Höchstwahrscheinlich würde sie für alle Zeiten als verrenkte Skulptur in den glühenden Himmel dieser Welt ragen, als Mahnmal gegen den Irrsinn des Krieges und zugleich Dokument der Tatsache, dass dieser immer weiterging.

      »Bei allem gebotenen Respekt«, sagte der Pilot. »Aber es gibt gewisse Regeln, an die auch Sie …«

      »Halten Sie das Maul, Bürschchen.« Es gab Dinge, bei denen verstand General Rogers einfach überhaupt keinen Spaß. »Überlegen Sie lieber, wen Sie vor sich haben.«

      Der Mann schluckte.

      »Wenn es hier etwas gibt, das Ihnen nicht passt, können wir es gerne zu Protokoll nehmen. Sie sollten sich jedoch vorher überlegen, ob das Ihrer weiteren Karriere als Enthymesis-Pilot förderlich sein


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