Und die Tage lächeln wieder. Susanne Zeitz

Und die Tage lächeln wieder - Susanne Zeitz


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der Einsamkeit. Mein Herz tat mir so weh, dass ich dachte, es bliebe stehen.

      Die große Trauer, die ich als Kind erlebt hatte, kam wieder an die Oberfläche. Meine Knie wurden weich wie Pudding und so ließ ich mich an der Wand zu Boden gleiten.

      Die Jahre meiner Kindheit zogen an mir vorbei wie in einem Film. Unsere gemeinsame, glückliche Zeit, der Abschied, als sie nach Peru flogen, ihr Tod, meine Einsamkeit, die Abschiebung ins Internat und mein starkes Heimweh nach ihr.

      Die Tränen flossen wie Sturzbäche über meine Wangen und hinterließen nasse, dunkle Flecken auf meinem Pullover.

      Irgendwann klingelte das Telefon, doch ich wollte mit niemandem reden. Als ich das penetrante Geräusch nicht mehr ignorieren konnte, hangelte ich mich mühsam am Schrank nach oben. Müde, unendlich erschöpft wankte ich zum Telefon.

      „Alex, geht’s dir gut?“ Konrads Stimme tönte besorgt.

      „Ja, es geht so einigermaßen“, beruhigte ich ihn und versuchte, meiner Stimme Gehalt zu geben.

      „Ich habe dich einfach alleingelassen. Hätte ich bleiben sollen?“

      „Nein Konrad. Es ist alles in Ordnung. Ich gehe jetzt ins Bett.“

      „Dann telefonieren wir morgen?“

      „Ja, wir telefonieren morgen. Gute Nacht, Konrad.“

      Ich legte auf, bevor er noch etwas erwidern konnte. Ich wollte jetzt nicht mehr sprechen.

       Kapitel 9

      „Wir leiten nun den Sinkflug ein. Bitte schnallen Sie sich an und stellen Sie Ihre Rückenlehne senkrecht.“

      Die Stimme der Flugbegleiterin holt mich aus meinen Erinnerungen.

      Einen kurzen Moment lang habe ich keine Orientierung, ich bin zu weit weg gewesen.

      Mein Sitznachbar schenkt mir ein Lächeln.

      „Haben Sie auch noch ein wenig schlafen können?“

      Ich schüttle verneinend den Kopf.

      „Das tut mir leid.“

      „Ist nicht so schlimm“, erkläre ich und lächle zurück.

      Er greift in seine Tasche und bietet mir einen Kaugummi an, den ich dankbar annehme. Landungen sind nicht so mein Ding, vor allem den Druck auf den Ohren kann ich nicht leiden.

      Ich blicke aus dem Fenster. Der Tag bricht langsam an. Unter mir sind bereits in der Ferne die Lichter der Stadt zu sehen. Mein Herz klopft. Nun wird es ernst.

      „Machen Sie Urlaub in Lima?“

      Mein Sitznachbar strebt offenbar eine Unterhaltung an, worauf ich mich jetzt gerne einlasse, denn es lenkt vom Landeprozess ab.

      „Ich suche meine Mutter.“ Ach, das will ich eigentlich gar nicht zum Thema machen, aber jetzt ist es schon geschehen. Ich habe es ausgesprochen. Vielleicht ist das gut so, denn schließlich bin ich bald in Lima und muss mich dem stellen. „Ich suche meine Mutter“, wiederhole ich und räuspere mich, denn meine Stimme fühlt sich mit einem Mal an, als hätte ich einen Fremdkörper im Hals.

      „Lebt sie in Lima?“, fragt er mich.

      „Ich weiß es nicht. Ich habe nur die Adresse des Verlages, der ihren Roman veröffentlicht hat.“

      „Und ihren Namen?“

      „Nein, sie schreibt unter einem Pseudonym.“

      „Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Sie werden sie sicher finden“, meint er zuversichtlich.

      Ich finde es angenehm, mich mit ihm zu unterhalten. Keine überflüssigen Kommentare und kein neugieriges Nachbohren. Er scheint tatsächlich ein Mensch zu sein, der gut zuhören kann.

      Er kramt in seiner Tasche. Ein kleines Etui kommt zum Vorschein, dem er eine Visitenkarte entnimmt.

      „Ich bin für zwei Wochen geschäftlich in Lima. Wenn Sie Hilfe brauchen, dann können Sie sich jederzeit an mich wenden. Hier steht meine Handynummer, unter der ich zu erreichen bin. Man weiß ja nie und ich kenne mich in Lima recht gut aus.“ Er schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln.

      „Danke, das ist sehr nett von Ihnen.“ Ich bin ein wenig verdutzt. Strahle ich solch eine Hilflosigkeit aus? Doch ich nehme die Karte gerne an und stecke sie in meinen Geldbeutel. Ein kleiner Rettungsanker in einer fremden Stadt.

      „Hier ist meine Handynummer. Vielleicht können wir uns auf einen Kaffee treffen“, sage ich freundlichkeitshalber.

      Er strahlt. „Gerne. Ich heiße übrigens Martin.“

      „Alexandra.“

      Er reicht mir die Hand. Eine sympathische Hand mit festem Druck.

      Ich blicke aus dem Fenster. Der Flughafen kommt näher. Die Positionslichter blinken.

      Kurz darauf setzt die Maschine mit einem Ruck auf der Landebahn auf.

       Kapitel 10

      Ich bin in Lima.

      Die übliche Geschäftigkeit breitet sich aus. Taschen und Jacken werden zusammengerafft, Gepäckklappen geöffnet und im Gang gedrängelt. Jeder möchte möglichst als erster das Flugzeug verlassen.

      Martin reicht mir mein Handgepäck. Ich stopfe meine Jacke in den Rucksack und hänge ihn mir über die Schulter. Wir warten, bis der größte Andrang vorbei ist. Dann verlassen auch wir die Maschine.

      „Liegt Ihr Hotel auch in Miraflores?“

      „Nein. Ich habe im Zentrum gebucht. In der Nähe vom Plaza Mayor“, antworte ich.

      Mein Nachbar zieht kaum merklich die Augenbraue hoch und blickt mich leicht erstaunt an. „Dann haben Sie sicher nicht vor, lange zu bleiben.“ Sein Kommentar ist eher eine Feststellung als eine Frage.

      „Ich muss ebenfalls in die Stadt. Sie können mit mir fahren. Mein Mitarbeiter holt mich ab.“

      Ich möchte etwas entgegnen.

      „Nein“, meint er, „es macht wirklich keine Umstände und ich würde Sie gerne vor Ihrem Hotel absetzen.“

      Es sind circa fünfzehn Kilometer bis zum Stadtzentrum und ich habe noch nie so viele Autos gesehen. Es herrscht ein unheimlicher Verkehr. Lärmend, stockend, stinkend. Wir fahren durch Stadteile, wo die Armut förmlich aus den kleinen, schmuddeligen Häusern schreit.

      Ich schlucke. Was ich bis jetzt zu sehen bekomme, ist furchtbar. So habe ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Diese Armut und dieser Schmutz.

      Wie soll ich denn in dieser riesigen Metropole meine Mutter finden? Mein Mut und meine Hoffnung sinken in die Tiefe.

      „Lima ist eine Stadt der Extreme. Hier kann man alles finden. Reichtum, große Armut, Hütten und Paläste. Es ist eine Stadt, die an ihren Auspuffgasen, ihrem Müll und an ihren sozialen Problemen im wahrsten Sinne zu ersticken droht“, erklärt Martin und zeigt aus dem Fenster.

      Ich kann nur müde nicken, denn diese Stadt raubt mir meine Energie und der schwere, bedeckte Himmel scheint meinen Geist tief in den Körper zu drücken.

      „Warum ist der Himmel so grau-gelb?“

      „Das ist der Smog und der Wüstenstaub. Da es in den Sommermonaten kaum regnet, bleibt der ganze Schmutz in der Luft hängen. Erst in Miraflores und den anderen Stadtteilen, die direkt am Meer liegen, ist die Luft besser.

      Ich schlucke. Vielleicht hätte ich mir doch besser ein Hotel außerhalb gesucht. Na ja, es wird schon nicht so schlimm werden.

      Nach einer Stunde haben wir mein Hotel erreicht.

      Ich bin froh, denn ich spüre zu einer wachsenden Frustration auch


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