Museumsschiff. Matthias Falke

Museumsschiff - Matthias Falke


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Lehrgänge, um die Offizierslaufbahn einschlagen zu können. Jetzt wurde er, dank seines Ehrgeizes, seiner Arbeitswut und seiner Erfahrung im Umgang mit Feldgeneratoren, zu Reynolds’ rechter Hand, wo es darum ging, eine neue Generatorengeneration zu schaffen. Taylor rückte in Reynolds Arbeitsgruppe offiziell auf den Posten des Generatorbeauftragten vor. Er musste die Beförderung zum Offiziersanwärter abwarten, ehe er von Rogers eingesetzt werden konnte, aber dann war er der rechtmäßige Leiter des Technikerteams, das sich noch in der gleichen Stunde an die Entwicklung eines völlig neuen Typs von warpfähigen Feldgeneratoren machte. Zu jeder beliebigen Tageszeit und an sieben Tagen der Woche sah man Reynolds und Taylor als seinen verlängerten Arm im abgesperrten Bereich des Kleinen Drohnendecks, wo sie mit erhitzten Köpfen und in einem Jargon miteinander konferierten, den nur noch ihre engsten Mitarbeiter verstanden.

      Frankel zog sich auf Verwaltungstätigkeiten zurück. Er tauchte hin und wieder auf dem Drohnendeck auf, schlich um die Versuchsstände herum, ließ ein paar bissige Bemerkungen los und verschwand dann wieder. Obwohl wir weit davon entfernt waren, einen Termin für einen Test der neuen Sonde ansetzen zu können, ging es doch mit der Stimmung an Bord spürbar aufwärts. Jennifer brauchte abends über eine Stunde, um mir von den Fortschritten des Tages zu berichten. Ich hätte in dieser Phase der Entwicklung gern selbst mehr Zeit im Kleinen Drohnendeck zugebracht und wäre den Kameraden gerne zur Hand gegangen, aber schließlich war ich ENTHYMESIS-Kommandant, und meine Aufmerksamkeit hatte sich in dieser Zeit wieder mehr meinem eigenen Baby zuzuwenden, der auf drei Schiffe geschrumpften Explorer-Flotte, die in den Hangars des Großen Drohnendecks vertäut war.

      Ich verbrachte meine Tage mit Colonel Kurtz, meinem ranggleichen Kollegen von der Endeavour. Er hatte den Flug der ENTHYMESIS II von Neptun-Orbit in den erdnahen Raum durchgeführt. Bis jetzt waren wir nicht dazu gekommen, uns über die neue Technik auszutauschen. Aber sowie sich jetzt abzeichnete, dass die Entwicklung in ein neues Kapitel ging, das auch Explorereinsätze mit sich bringen würde, ließ ich mich von ihm in der neuen Technologie unterweisen. Einige Piloten und Kommandeursanwärter gingen uns dabei zur Hand. Ich hätte Jennifer gerne dabei gehabt, aber sie hatte sich selbst für unabkömmlich erklärt, um ungestört am Sondenprogramm mitwirken zu können. Ich machte mir, was ihre Instruktion anging, auch keine Sorgen. Wenn ich ihr abends erzählte, was wir gemacht hatten, stellte ich fest, dass sie weiter war als ich und von der Materie mehr verstand.

      Wenn ich mir zwischendurch eine Stunde freinahm und vom Großen zum Kleinen Drohnendeck hinüberwechselte, traf ich auf eine eingeschworene und vor Begeisterung glühende Gemeinschaft. Reynolds, Jennifer, Jill und Taylor werkelten mit aufgekrempelten Ärmeln und erhitzten Gesichtern inmitten von zwei Dutzend ölverschmierten Mechanikern und zahllosen Robotern an riesigen Generatorspulen und ausgeweideten elektronischen Innereien, die aus der geöffneten Sonde hingen wie Gedärme aus einem geschlachteten Riesen. Die Gemeinde war in der Regel nicht ansprechbar. Halbsätze und Fetzen von Kommandos wurden hin und hergebrüllt, mathematische Formeln und militärische Befehle verschmolzen ununterscheidbar zu einem eigentümlichen Jargon, einer technisch-wissenschaftlichen Geheimsprache, die für den Außenstehenden nicht verständlicher als pures Sinesisch war. Personen wuselten durcheinander. Unidentifizierbare Geräte, kleiner als ein tragbarer Kommunikator oder größer als eine Drohne, wurden herumgereicht oder mittels Kränen, die starke Generatorfelder erzeugten, durch die Halle gehievt. Meistens stand man hier nur im Weg. Es teilte sich lediglich die Atmosphäre unbedingter Begeisterung und fiebrigen Schaffens mit. Ich kam jedesmal wie berauscht an meinen eigenen Arbeitsplatz zurück, und Kurtz fragte mich mehr als einmal, ob ich nicht heimlich einen trinken ging, wenn ich vorgab, über die Mittagspause Jennifer und die anderen zu besuchen.

      Der Chronist

      Man befindet sich in der Etappe. Der Feind ist unsichtbar; er scheint nicht zu existieren. Aber man täusche sich nicht. »Die tiefste Stille ist die trügerischste.« So sah es schon der alte Ash, der, Veteran und frühes Opfer der sinesischen Aggression, den Cato seiner Zeit zu geben bestrebt war. In der Stille der Etappe bereitet sich das Wesentliche vor. Hier fallen die Entscheidungen, die später, wenn es zum Treffen kommt, nur noch vollzogen werden, in Wirklichkeit und Realität umgemünzt, was sich im Eigentlichen längst zugetragen hat. Die MARQUIS DE LAPLACE schwebt in der trügerischen Finsternis, verborgen in der unermesslichen Weite des leeren Raums, wo man sich weniger sicher als verloren fühlt. Es kommt der Punkt, an dem man sich nach Gefahr und Herausforderung zu sehnen beginnt, damit sie dieses Stillgestelltsein im offenbaren Nichts beende. Lieber kämpfen und lieber sogar sterben, sagt sich mancher im schwarzen Sog der Nächte, die von keinem Wind und keinem Stern erleuchtet werden, als dieses Schweigen länger zu erdulden, das einem den Schlaf versehrt, das an den Träumen zehrt und die Gleichförmigkeit der Tage in triste Mühsal wandelt.

      Man täusche sich nicht. Hier in der tiefsten Abgeschiedenheit, durch Ewigkeiten von den Kampfplätzen geschieden, bereitet sich das Wesentliche vor, hier werden die Würfel geschnitzt, die später nur noch fallen müssen. Die schon gefallen sind, denn im Innersten ist alles längst getan. Den Rest vollbringt die Zeit und in ihr eine Macht, die von den Philosophen stets mit Argwohn betrachtet worden ist. Im Geiste wirkt die eigentliche Kraft, und wenn der Geist sich erst einmal entschlossen hat, dann ist’s so gut, als sei es schon geschehen. Der entscheidende Konflikt tobt im Lager der Griechen, unweit des Blachfeldes und doch fern von ihm. Das Ringen geht darum, ob Achilles an den Kämpfen teilnimmt und zu ihnen zurückkehrt. Als dies entschieden ist, ist ihm der Sieg über den Helden Hektor ebenso gewiss wie der eigene baldige Tod. Nun sind die Räder freigegeben, bergab laufen sie aus eigenem freien Willen. Es gehört keine Sehergabe dazu, dies vorauszusagen. Als Cato sich in den Querelen des Senates damit durchgesetzt hat, Karthago zu zerstören, standen dessen Mauern noch, doch nur wie Schnee, der noch in warmer Märzensonne liegt. Auch das Projekt Manhattan war ein Werk von Zivilisten, die, von militärischen Einwirkungen unbedroht, in ihren Bungalows aus Sperrholz saßen und, von elektrischen Ventilatoren mild befächelt, ihre Besprechungen abhielten und das Ding ausheckten, dass, zu flüchtiger Anwendung gediehen, in die Arsenale der Geschichte tauchte. Seine bloße Vorweisung, die Nennung seines Namens, genügte den Jahrzehnten, wie die Anrufung des Dschinn, zu Furcht und Zittern. Ingenieure, nachrangige Techniker- und Monteurschargen, hatten ins Werk gesetzt, was die Herzen todesfroher Krieger auf Generationen erlahmen ließ. Man kann gegen Monstra kämpfen, aber gegen den Abgrund selbst, das speiende Chaos, das sie ausgeworfen hatte?

      Man befindet sich in der Etappe. Zwischen Marathon und Salamis. Die Waffen schweigen. Doch die Sägen und Hämmer der Zimmerleute sprechen. Sie schmieden eine neue Flotte. Ob und wer sie wann ins Treffen führt, ist äußerlich, so flüchtig wie die Namen, die die Chronisten aufführen, um sie nicht selbst zu vergessen. An welchem Gestade sich die Heere messen, welches Meer sie mit ihrem Blut so dunkel wie den Wein färben, bleibt gleichgültig. Dass sie entschlossen sind, den Widerstand zu errichten und sich nicht preiszugeben, gibt das Schauspiel ab, das den Göttern selbst behagt. Sie stutzen auf ihren hohen Thronen, legen die Mienen auf die Eisenfäuste und weiden sich an den Schlägen, mit denen Argos eine neue Argo zimmert.

      *

      Einige Wochen später erhielten wir den neuen Marschbefehl.

      »In Ordnung, Frank«, sagte Dr. Rogers, als er mir Wiszewskys Vorstellungen erläuterte, der sich selbst zu schwach fühlte, um sich mit derlei Vorgängen zu langweilen. »Hier sind die Unterlagen. Reynolds gibt sein Wort, dass diesmal nichts mehr schief gehen kann. Wir hören voneinander!«

      Ich salutierte und rief meine Crew zusammen. Nach einer Stunde trafen wir uns im Großen Drohnendeck. Außer Jennifer, die den Flug als Erste Pilotin durchführen würde, und Lambert, die ihr dabei zu assistieren hatte, kam Reynolds mit an Bord, der die von ihm ersonnene Umrüstung eigenhändig und vor Ort erproben wollte. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch, dem zu entsprechen mir nicht schwer fiel, stieß außerdem Taylor zu uns. Er war inzwischen zum Corporal befördert worden und hatte sein Leutnantspatent so gut wie in der Tasche. Wir versammelten uns unter der Backbordstelze, die fünf Stockwerke über uns aufragte und in den bulligen Rumpf der ENTHYMESIS mündete. Die römische II hatten wir kurzerhand überspritzen lassen. Für uns war dieses Schiff jetzt die ENTHYMESIS, ein dreihundert Meter langes klobiges Kraftpaket mit viereckigem Schädel und sechs schweren Elefantenbeinen. Die Steuerbordschleuse stand gerade noch sperrangelweit offen, und wir verfolgten, wie ein


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