Museumsschiff. Matthias Falke

Museumsschiff - Matthias Falke


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Einige Arbeiter, unterstützt von generatorgetriebenen Robotern, verstauten das Geschoss in den Ladebuchten des Explorers. Mit heulendem Generatorfeld fuhr der Kran dann um den riesigen gedrungenen Leib der ENTHYMESIS herum, um den Vorgang auf der Backbordseite zu wiederholen. Reynolds Arbeitsgruppe hatte, nachdem die maßgeblichen Berechnungen abgeschlossen waren, insgesamt vier Lambda-Sonden auf Warptechnologie umgerüstet. Zwei davon nahmen wir für unsere Mission an Bord, während die beiden anderen auf der MARQUIS DE LAPLACE blieben, um, im Fall des glücklichen Gelingens, einen Pendelverkehr aufnehmen zu können.

      Wir sahen zu, wie auch der zweite Zylinder im Leib der ENTHYMESIS verschwand, deren Schleusenklappen daraufhin geschlossen wurden. Das tiefe Brummen des Hauptreaktors zeigte an, dass das Schiff in automatischen Vorlauf gegangen war. Der Diensthabende kam herangestiefelt, baute sich vor mir auf, salutierte förmlich und machte Meldung. Er reichte mir das MasterBoard, auf dem die Information blinkte, die ENTHYMESIS sei vollständig gewartet, betankt und mit zwei neukonfigurierten Lambda-Ionensonden bestückt. Ich quittierte mit meiner ID und entließ den Mann, der sich beeilte, zur Schleusenkammer zu kommen und zum Tower zu fahren, der, mehr als dreißig Decks über uns, wie ein Wespennest unter der Hangarkonstruktion des großen Drohnendecks klebte.

      Wir gingen an Bord. Jennifer steuerte zielstrebig die Brücke an und nahm wie selbstverständlich den Hauptbedienplatz ein. Und doch war es kein Routineflug, zu dem wir aufbrachen.

      »Unsere Routine besteht darin, dass es niemals Routine ist«, sagte sie, während sie ihre Instrumente prüfte und den Status des Schiffes abfragte.

      Der Hauptreaktor ließ das Schiff erzittern, als Jennifer auf Volle Leistung ging. Lambert hatte neben ihr an der Konsole der Zweiten Pilotin Platz genommen. Reynolds und Taylor verteilten sich auf die rückwärtigen Sitze und beeilten sich, ihre Gravigurte zu aktivieren. Ich stand noch hinter den Sesseln der beiden Pilotinnen und überwachte die Vorstartroutine. Jenseits der wulstigen Schnauze unseres Schiffes glitt das Hangartor auf, und wir sahen die lähmende Leere des Kosmos. Jennifer absolvierte das übliche launige Palaver mit dem Tower. Dann zündete sie das Triebwerk und brachte uns bei Kleiner Fahrt aus dem Drohnendeck in den Raum hinaus. Wir entfernten uns mit konventionellem Antrieb so weit von der MARQUIS DE LAPLACE, bis der Zwölf-Kilometer-Titan-Corpus nur noch ein silbriges Zündhölzchen war, das in der einschüchternden Leere schwebte. Dahinter baute sich die riesenhafte Struktur der Großen Mauer auf, ein Palast, von dem jeder einzelne Ziegel aus Myriaden Welten gebildet war. Ich nahm meinen Platz ein und schnallte mich an.

      »So weit so gut«, sagte ich, als ich mich vergewissert hatte, dass alles okay war und das Schiff einwandfrei arbeitete. »Dann lass uns mal sehen, was das Baby neuerdings so unter der Haube hat.«

      Jennifer machte über die Schulter hinweg das Go-Zeichen. In der Spiegelung der leicht polarisierten Frontscheibe sah ich die konzentrierte Entschlossenheit in ihrem Gesicht. Sie gab vollen Schub, die ENTHYMESIS bäumte sich auf, und obwohl die Feldgeneratoren über die künstliche Schwerkraft nahezu alle Beschleunigungskräfte neutralisierten, wurden wir in die Lehnen unserer gravimetrischen Sessel gedrückt. Ich liebe dieses Schiff!, jubelte es in mir, als wir auf die Höchstgeschwindigkeit bei konventionellem Antrieb beschleunigten.

      »Umschalten auf Warpantrieb«, sagte Jennifer. »Drei, zwei ...«

      Für den Bruchteil einer Sekunde kam doch ein mulmiges Gefühl auf. Ich registrierte, dass ich die Hände um die Lehnen meines Sitzes krallte und den Atem anhielt. Schon jetzt war der Fluss der Zeit gestört. Die letzte Sekunde war stehengeblieben wie ein Gegenstand, der nach dem Wegfall der künstlichen Gravitation plötzlich im Raum schwebte und nicht mehr zu Boden stürzen wollte.

      »Eins«, zählte Jennifer.

      Im nächsten Augenblick wurde die Finsternis jenseits der großen Bugscheibe noch tiefer. Einzelne Sterne waren hier draußen im intergalaktischen Kosmos nicht zu sehen, aber die Galaxien selbst, die als opalisierende Gebilde über den Horizont ausgestreut waren, wo sie sich zu überdimensionalen Superstrukturen vereinigten, wurden plötzlich verschwommen. Sie schienen verwischt, als habe sich die Frontscheibe beschlagen. Gleichzeitig erfasste mich ein Schwindel. Es war wie unvorhergesehene Schwerelosigkeit, wie wenn ein herkömmlicher Linienjet leicht durchsackt oder der Fahrstuhl zwischen zwei Stockwerken nachgibt. Dabei saßen wir in unseren gravimetrischen Sesseln, die uns mit exakt 1.0 g an künstlicher Schwerkraft in die sensoriellen Polster drückten. Meine Augen lösten sich aus den Höhlen glitten davon. Hinzu kam der Effekt der verschmierten Aussicht, die ihn einer blitzartigen und sehr langsamen Bewegung eingefroren war. Es war gleichzeitig sehr laut und ganz still. Mein Herzmuskel schwebte eine Armlänge vor mir im Raum und schien für einen einzelnen Schlag Jahrtausende zu benötigen. Ich konnte sehen, wie sich einzelne Photonen aus einer roten Anzeige lösten und sich auf den Weg machten, den Raum der Brücke in gemessener Geschwindigkeit zu durchqueren.

      »Ende der Warpphase«, sagte jemand, dessen Stimme mir bekannt vorgekommen wäre, wenn sie nicht aus dem Inneren meiner Rückenlehne gesprochen hatte.

      Ich kniff die Augen zu und öffnete sie behutsam wieder. Die Formen der Brücke, die vorübergehend einem Weichzeichner zum Opfer gefallen waren, hatten sich wieder präzisiert. Jennifers Pferdeschwanz schwang in einer Pendelbewegung aus, deren Beginn in eine andere Epoche gefallen war. Jenseits der großen Bugscheibe waren zehntausend Galaxien an der gleichen Stelle festgefroren, die sie vor dem Sprungversuch innegehabt hatten. Unser Versuch war fehlgeschlagen.

      »Scheiße«, stöhnte ich. »Was ist schiefgegangen?«

      Die beiden Pilotinnen widmeten sich ihren Instrumenten. Sie waren unansprechbar wie Mütter, die sich über ihre Kinderwägen beugen. Neben mir löste Reynolds seinen Gravitationsgurt. Er aktivierte seine Konsole und begann schweigend, irgendwelche Daten abzufragen. Hinter ihm hockte Taylor in seinem Sessel und glotzte starr vor sich hin. Alles geschah in vollkommener Lautlosigkeit. Für einige Zehntelsekunden erwog ich, ob ich einen Hörsturz erlitten hatte. Ich räusperte mich zur Probe und bildete mir ein, mich hören zu können. Ein kleiner Laserpointer stürzte in aufreizender Zeitlupe zu Boden.

      »Was soll schiefgegangen sein?«, antwortete Jennifer zerstreut.

      Ich kapierte gar nichts mehr. Langsam, weil ich immer noch in Watte gepackt war, schaltete ich die GraviGurte aus und erhob mich. Meine Beine gehorchten mir. Ich ging die zwei Schritte nach vorne, bis ich Jennifer über die Schulter sehen konnte. Aus dem Datenwust, der über ihre Konsole ratterte, wurde ich nicht schlau. Sie offensichtlich auch nicht. Das erfüllte mich mit Besorgnis.

      »Pilotin«, sagte ich. »Ich erwarte Ihre Meldung!«

      »Es ist alles in Ordnung, Commander«, sagte Reynolds, der auf einmal neben mir stand. Ich hatte nicht mitbekommen, wie er aufgestanden war.

      »Parallaxenkontrolle abgeschlossen«, meldete Jennifer in diesem Augenblick. »10,2 Lichtjahre.«

      »Der Flug war erfolgreich«, stellte Reynolds nüchtern fest.

      Die ENTHYMESIS war zehn Lichtjahre durch den Raum gesprungen. Das war zufällig genau die Entfernung von der Erde zum Sirius, die die MARQUIS DE LAPLACE auf ihrem Jungfernflug überwunden hatte. Aber noch niemals hatte ein Schiff der ENTHYMESIS-Klasse eine solche Distanz bewältigt. Optisch waren wir an der gleichen Stelle wie zuvor. An Steuerbord kreisten die Galaxien der Lokalen Gruppe, von denen Andromeda und unsere Milchstraße die lichtstärksten waren. Der Virgohaufen hob sich kaum deutlich ab. Und an Backbord dehnte sich die Große Mauer. Der Korridor, der zwischen den beiden Strukturen verlief, bemaß sich nach hunderten von Millionen Lichtjahren. Bezogen auf seine verstörende Weite hatten wir uns nicht bewegt.

      »Positionsbestimmung abgeschlossen«, bestätigte Jennifer. »Die MARQUIS DE LAPLACE befindet sich in 10,235 Lichtjahren Entfernung auf 192 Grad. Allerdings wird sie erst in neun Jahren und acht Monaten auf unseren Schirmen erscheinen.«

      Sie ließ ihre Konsole auf Automatik gehen und warf sich in ihrem schwenkbaren Sessel herum. Ihr Strahlen brachte mich in die Gegenwart zurück.

      »Mein Gott«, stöhnte ich. In gespielter Drohgebärde schüttelte ich die Faust gegen Reynolds. »Wenn Ihre Dinger nicht funktionieren, sind wir geliefert!«

      »Sie werden


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