Das Geheimnis vom Oranienburger Thor. Horst Bosetzky
Mahlzeit mischen, ohne dass es auffällt.«
»Man muss das Gift aber erst einmal haben, um das zu tun«, merkte Werpel an.
»Arsen zu erwerben ist gar nicht so einfach«, gab Schering zu Protokoll. »Die Zeiten, in denen es jeder als Fliegengift kaufen konnte, sind vorbei.«
»Trotzdem kann es noch in vielen Haushalten vorhanden sein.«
»Das stimmt. Heute jedenfalls darf ich keinem Mehlhändler, Bierbrauer, Bäcker oder Müller Arsen verkaufen, wenn Fliegen, Schaben, Mäuse oder Ratten ausgerottet werden sollen. Dafür gibt es inzwischen andere Methoden. So soll verhindert werden, dass das Arsen durch Unachtsamkeit in die Nahrungsmittel gelangt. Kammerjäger meinen außerdem, dass Ratten und Mäuse das Gift leicht in Gefäße mit Mehl, Malz oder Graupen speien können.« Werpel schüttelte sich. »Wem dürfen Sie überhaupt noch Arsen verkaufen?«
»Medicinern, Tierärzten und allen Künstlern, die mit Gold, Silber und Glas zu tun haben. Auch Fabriken, in denen Kattun und Pelze gefärbt werden, dürfen Arsen verwenden.«
Werpel horchte auf. »Pelze? Corduan könnte also das Arsen selbst im Hause gehabt haben?«
»Im Prinzip ja.«
»Nun …« Werpel stockte, weil sich der Verdacht gegen die Dienstmagd Susanna damit erhärtet hatte. Da brauchte er eigentlich gar nicht weiter nach einer unbekannten Giftmörderin zu forschen. Dennoch wandte er sich noch einmal an Schering. »Wir gehen von einem weiblichen Täter aus. Hat in Ihrer Apotheke vielleicht eine Frau nach Arsen gefragt?«
»Nein«, sagte Schering, ohne lange nachzudenken.
Der Criminal-Commissarius bedankte sich und trottete zurück ins Bureau, um sich dort mit einem kleinen Schläfchen auf den Feierabend vorzubereiten. Doch dazu kam es nicht, denn auf dem Flur wartete eine sehr erregte Dame, die Werpel unbedingt zu sprechen wünschte. »Ich bin Magdalena Gnie und habe eine wichtige Aussage zu machen.«
Werpel war sehr ungehalten. »Hat das nicht Zeit bis morgen früh?«
»Nein.«
»Worum geht es?«
»Um den Kürschner Corduan, den man vergiftet hat.«
Sofort war Werpel wieder eifrig bei der Sache. »Dann treten Sie ein!« Er hielt ihr die Tür auf und wartete, bis sie Platz genommen hatte. »Was haben Sie mir Wichtiges mitzuteilen, gute Frau?«
Magdalena Gnie zögerte nicht lange mit ihren Ausführungen, die sie in ihrem besten Hochdeutsch vortrug. »Bei uns in der Brüderstraße gibt es eine gewisse Caroline Schlitt. Der sagt man nach, dass sie ihrem Mann vorzeitig zu einem Platz auf dem Friedhof verholfen hat. Und nun ist auch dieser Kürschner in der Jägerstraße gestorben, bevor er eigentlich an der Reihe gewesen wäre.«
Werpel wurde etwas ungeduldig. »Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«
Nun fiel Magdalena Gnie, aufgeregt, wie sie war, doch wieder in die berlinische Mundart zurück. »Wat det eene mit det andere zu tun hat? Sie, der Corduan, det war ihr Onkel, und nu erbt se allet.«
Werpel beschloss, nachdem Magdalena Gnie gegangen war, sofort Caroline Schlitt aufzusuchen und sie zu befragen. Da es bei solchen Aktionen immer besser war, nicht allein zu erscheinen, hieß er seinen Constabler, ihn zu begleiten.
Krause schwieg fast auf dem gesamten Weg Richtung Brüderstraße. Erst am Ziel wollte er wissen, auf welche Brüder die Straße anspiele.
»Früher haben hier Dominikanermönche gelebt.« Werpel war selbst erstaunt, darauf gekommen zu sein. Inzwischen hatte sich die einst ruhige Brüderstraße zu einer lebhaften Geschäftsstraße gewandelt.
Caroline Schlitt war schnell gefunden, doch als Waldemar Werpel ihr gegenüberstand, hätte er am liebsten die Flucht ergriffen. Im Stillen musste er Krause zustimmen, der ihm »Is dit ’n Mannweib!« ins Ohr flüsterte.
Die Hausbesitzerin ging sofort zum Angriff über, ohne dass Werpel ihr auch nur mit einem Wort erklärt hätte, weshalb er gekommen war. »Ich weiß, Herr Commissarius, mich hat jemand des Mordes an meinem Onkel bezichtigt.«
Werpel nickte nur.
Die Schlitt brach in ein Lachen aus, das Werpel später im Protokoll als wiehernd bezeichnen sollte. »Ich weiß, alle sagen über mich, ich sei die reinste Giftnudel.«
Werpel fragte förmlich: »Was sagen Sie zu der im Raume stehenden Verdächtigung?«
»Das ist doch lächerlich! Ich habe selbst genug Vermögen. Außerdem wäre mein Onkel sowieso bald gestorben, alt und krank, wie er war.«
Werpel wusste, dass er bei dieser Frau auf Granit beißen würde. Sie nach einem Alibi zu fragen war sinnlos, da es keine genaue Tatzeit gab. Der mit Arsen angereicherte Bohneneintopf war von der Magd schon Tage vor Corduans Tod gekocht worden und hatte seitdem in der Küche gestanden. Wenn die Magd außer Haus gewesen war, um Besorgungen zu erledigen, hätte sich sonst wer ins Haus schleichen können, ohne dass die Gesellen etwas gemerkt hatten. So musste Werpel unverrichteter Dinge wieder abziehen. Draußen ließ Krause verlauten, dass man der Dame selbst mit der Daumenschraube und dem Spanischen Bock nichts hätte entlocken können.
Doch Werpel winkte ab. »Krause, die Zeiten der Folter sind vorbei, hoffentlich ein für alle Mal!«
»Nee, sind se nich«, widersprach ihm der Constabler.
»Wieso?«
»Weil ma meine Frau jeden Abend uff de Folta spannt: Hat se nu noch wat jekocht, oda hat se nich?«
»Dann gehen Sie schnell nach Hause zu ihr! Schwirren Sie ab!«
Werpel atmete auf, als der Constabler seinem Blick entschwunden war. Auf dem Rückweg zum Molkenmarkt lief er auf dem Mühlendamm dem Oberst-Lieutenant von Gontard über den Weg. Der hatte ihm gerade noch gefehlt! Zwar fand der Criminal-Commissarius den Mann eigentlich sympathisch, und der Oberst-Lieutenant hatte auch mehrmals dafür gesorgt, dass Werpel sich nicht blamierte, indem er einen seiner Fälle gelöst hatte, aber es war wie im Märchen vom Hasen und dem Igel: Gontard war immer der Sieger. Und so seufzte Werpel auch, als ihn Gontard nach dem Stand der Dinge im Mordfall Corduan fragte. »Was soll ich mir große Mühe geben? Am Ende werden ja doch Sie es sein, der den Mord aufklärt.«
»Danke für die Blumen, lieber Werpel, aber in Wahrheit ziehen wir doch an einem Strang. Sie leisten die eigentliche Ermittlungsarbeit, ich binde am Ende nur den Sack zu.«
Da strahlte Werpel und erzählte Gontard sofort, dass man bis jetzt zwei tatverdächtige Frauen ausgemacht habe. »Die eine ist Susanna, die Dienstmagd von Corduan. Möglicherweise wollte sie ihn heiraten, und er hat sie abgewiesen. Die andere ist eine gewisse Caroline Schlitt, Hausbesitzerin aus der Brüderstraße, die als ausgesprochen bösartig verschrien ist.«
»Wie kommen Sie auf Frau Schlitt als Verdächtige?«, wollte Gontard wissen.
»Corduan war ihr Onkel, und sie ist Alleinerbin.«
Gontard nickte. »Das sind ernstzunehmende Motive. Sie sollten die beiden auf alle Fälle im Auge behalten. Ich befürchte übrigens, dass einige Bürgerinnen und Bürger die Gelegenheit nutzen, einer unliebsamen Verwandten oder Nachbarin eins auszuwischen und sie als Giftmörderin denunzieren. Passen wir auf, dass nicht zur Hexenjagd geblasen wird!«
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