Am Tintenfluss. Maria Winter

Am Tintenfluss - Maria Winter


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Irgendetwas bleibt dabei aber auf der Strecke.“ „Blödsinn“, erwidert Rita mit solchem Nachdruck, dass Jens die Augen aufreißt. „Susann geht im nächsten Jahr zum Studium nach Berlin. Tim ist pflegeleicht und lernt sehr gut.“ Jens fällt Rita ins Wort: „Peter ist unser Sorgenkind. Er braucht deine Unterstützung.“ „Den werde ich nicht vernachlässigen.“ Rita schiebt sich die Haare hinter die Ohren. Sie schlägt die Schnitzel platt und wirft sie in die Pfanne. „Du bist das einzige Kind deiner Eltern. Sie haben alles für dich erledigt. Seit unserer Hochzeit mache ich es. Du brauchst dich nicht mehr bedienen zu lassen. Die Hausarbeit wird geteilt.“

      „Rita, Rita, wie zum Teufel soll ich das mit meinem Beruf vereinbaren. Seit du im Kloster warst, bist du wie umgewandelt. So kenne ich dich nicht.“ Nachdenklich spitzt Rita die Lippen und rührt die Salatsoße an. „Wann waren wir zuletzt gemeinsam im Theater? Immer noch müssen wir die Kredite für unser Haus begleichen. Klar, du hast viel mit dem Radsport zu tun.“ Jens entgegnet: „Schlechter Stil ist im übrigen auch, wenn man einfach abhaut und seinen Mann mit den drei Kindern im Stich lässt“. „Ich wusste, dass ich dir meine drei Spatzen unbesorgt überlassen konnte.“ „Hast du nichts daraus gelernt?“, fragt Rita. „Doch, ich bin um eine Erfahrung reicher geworden. Ich habe dein warmes, herzliches Lachen vermisst. Deine Cleverness und Klugheit, wenn es um die Kinder geht und nicht zuletzt unser Bettkantengespräch am Abend.“ Rita drückt die Finger auf ihre Augen und sagt: „Ich bekomme Kopfschmerzen von all den nutzlosen Streitereien.“ Jens blickt aus dem Fenster und stößt einen Seufzer aus. Gerade als er etwas sagen will, stürzt Tim in die Küche und ruft: „Mami, ist das Essen fertig? Ich habe einen Riesenhunger.“

       Gartenparty

      „Hallo Rita, mach Feierabend“, ruft die Nachbarin Hanne über den Gartenzaun. „Deine Rosen und Hortensien blühen prächtig.“ Rita schneidet die letzten verblühten Rosen ab. Sie schaut auf, läuft zum Gartenzaun und begrüßt Hanne. „Ich möchte euch zur Gartenparty am Samstagabend einladen. Jeder bringt für das Buffet etwas mit.“ „Ich mache selbstgebackene Stutenschnitten“, erwidert Rita und bedankt sich für die Einladung. Im Gänsemarsch laufen Jens, Rita und Tim am Samstagabend durch den Garten zu Hanne. Jeder trägt eine Platte Stutenschnitten, belegt mit altem Bauernkäse und luftgetrocknetem Schinken. Der Grillrauch kommt ihnen entgegen. Hanne begrüßt die Drei und sie stellen die Platten aufs Buffet. Hannas Schwester Wilma kommt zu Rita und fragt: „In welcher Bäckerei hast du die Stuten gekauft?“ „In meiner“, erwidert Rita. „Hmm, es schmeckt ausgezeichnet.“ Die Stuten habe ich heute Morgen gebacken“. „Ich habe gar nicht gewusst, dass du so gut backen kannst.“ Wilma und Rita setzten sich auf die Gartenbank. Rita berichtet, wie sie als Kind bei ihrer Oma auf dem Bauernhof am Backtrog gestanden hat.

      „Oma backte jeden Samstag Stuten. Brotbacken ist etwas sehr Lebendiges, besonders das Backen im Holzbackofen. Dazu gehörten nicht zuletzt die Freude am Selbermachen und das duftende, wohlschmeckende Brot. Die wertvollen Inhaltsstoffe des Getreides wurden durch die schonende Behandlung erhalten. Im Backhaus war es sehr warm. Neben dem Backofen stand der hölzerne Backtrog. Oft lief ich mit Oma ins Haus, um alle Zutaten zu holen. Auf der Upkammer stand der Vorrat von Mehl, Zucker und Salz. Die Stutenformen, Krüge und Tonschüsseln standen auf den Wandregalen. An der Decke hingen Leinensäcke mit getrockneten Äpfeln, Birnen und Pflaumen. Dort wurde das Brot auf Hängeregalen mäusesicher aufbewahrt. Zuletzt trug Oma einen Emailleeimer voll warmer Buttermilch und ich das große Stück Hefe. Sie sah in den Backofen. Vom Feuer ist nur die Glut übrig und die Steine sind weiß. Es ist heiß genug, sagte Oma und band sich eine lange, weiße Schürze um. Die Ärmel vom Kleid krempelte sie hoch. Für mich wurde es spannend. Sie macht eine Mulde in das Mehl. Die Hefe bröckelte sie hinein, gab Zucker und einen halben Eimer von der warmen Buttermilch dazu. Das Salz gab sie an den Rand des Mehls. Oma rührte zuerst mit einer Hand Hefe, Zucker, Buttermilch und Mehl untereinander. Dann knetete sie mit beiden Händen, so dass sie bis zu den Ellenbogen im Teich versank. Immer wieder musste ich von der warmen Buttermilch nachgießen. Es war Schwerstarbeit, den Teig von der einen auf die andere Seite in den Backtrog zu legen. Sie musste so lange kneten, bis er Blasen warf. Ich sah, wie Oma schwitzte und so mancher Schweißtropfen landete im Teig. Ab und zu stellte sie sich hin, um den Rücken gerade zu machen. Von ihr hing es ab, ob das Brot gelang. Es durfte nicht zu fest, zu locker oder zu klebrig werden. War Oma endlich fertig mit dem Kneten, streute sie etwas Mehl über den Teig und deckte ein großes Tuch darüber. Sie schimpfte oft: Blagen, Dör tu, net kleppern! Der Teig durfte keine Zugluft bekommen. Mit einem nassen Reisigbesen kehrt sie den Backofen aus. Ich staunte, wie sich der Teig vermehrt hatte. Er füllte den ganzen Backtrog. Oma schnitt vom Teig ein Stück ab und formte Stuten daraus. Als sie fertig war, standen zwölf Formen gefüllt mit Stutenteig und eine großes Blech mit Brötchen auf dem Tisch. Oma schnitt mit dem Brotmesser Kreuzzeichen in Stuten und Brötchen. Alles musste jetzt noch einmal aufgehen. Sie prüfte mit der Hand die Wärme des Backofens. Mit einem Holzschieber brachte sie die Formen weit in den Ofen. Nach kurzer Backzeit holte sie die Brötchen heraus. Eine Stunde ungefähr blieben die Stuten im Ofen.“

      „Ich erinnere mich genau daran, als Oma einmal die Brote aus dem Ofen holte und auf den Rost stellte, schaute aus einem der Brote das Hinterteil einer Maus heraus. Wir Kinder lachten und kreischten – eine Maus im Stuten. Oma nahm das Brotmesser und schnitt das Brot halb durch. Das Stück mit der Maus gab sie den Hühnern, die eifrig das Brot aufpickten.“ „Wenn Oma die Brote aus dem Backofen holte, zog mir der frische Brotgeruch in die Nase. Ich bekam Hunger. Oma war streng. Nie bekamen wir frisches Brot direkt aus dem Ofen. Erst am Abend bekam jeder sein Brötchen. Dem Brot wurde stets besondere Achtung zuteil und niemals wurde ein Stück weggeworfen.“

      „Komm Wilma, wir holen uns ein Schnittchen.“ Als die beiden zum Buffet kommen, schauen sie auf drei leere Platten.

       Herbsttag

      Der erste Nebel

      Pflaumenkuchen backen

      Brombeer- und Holundersaft probieren

      Äpfel und Pfirsiche pflücken

      Kartoffeln ausgraben

      Kartoffellaub anzünden

      Stockbrot backen

      Wollschal holen

      den jungen Wein einschenken

      Freude am Abend

      über den rotgoldenen Sonnenuntergang

       Buttermilchsoße mit Speck

      Anna schob mit dem kleinen Finger die Gardine zur Seite, sie rief ihren Mann: „Karl, komm und schau, wie schön Fine ist. Sie heiratet einen Arzt.“ Gelangweilt antwortete Karl: „Du weißt doch, wo die Liebe hinfällt und jetzt komm da weg vom Fenster.“ „Lass mich doch“, gab Anna zur Antwort. „Ne, ne – guck mal, Kathrin als Brautmutter im Arbeitskittel. Ihre beiden Jungs, Felix und Florian, stehen mit den Fahrrädern neben ihr.“ „Wie die Kathrin energisch auf die beiden einredet. Warum ist sie nicht bei dem Brautpaar und den Gästen?“ Anna wendete sich vom Fenster ab, um Kaffee zu kochen. „Als ich heute Morgen bei Schmidt geholfen habe“, sagte Karl, „hat mir Gerd erzählt, dass sie dreißig Gäste erwarten. Ein Hochzeitswetter haben sie, 25 bis 30 Grad, ideal um im Garten zu feiern. Fine hat die Katze immer gut gefüttert.“

      Die Neugier ließ Anna nicht los. „Wir bequatschen doch sonst auch alles zusammen“, sagte sie zu Karl, „ich springe eben mal herüber zu Schmidt.“ Flink wie ein Wiesel huschte Anna über die Straße. Ohne anzuläuten lief sie durch die geschmückte Haustür. An der Küchentür klopfte sie und steckte den Kopf durch die halboffene Tür. „Hallo Kathrin, bist du da? Ich möchte euch eben gratulieren.“ „Komm nur herein. Danke Anna“, sagte Kathrin betrübt. „Was ist los?“, fragte Anna. Mit Entsetzen musste sie feststellen, dass Kathrin weinte. „So eine Blamage“, schluchzte Kathrin. „Komm Anna, setz dich.“ Sie schob ihr einen Stuhl hin.

      „Die


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