Persephone. Matthias Falke

Persephone - Matthias Falke


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      Matthias Falke

      Persephone

      © 2017 Begedia Verlag

      © 2015 Matthias Falke

      Umschlagbild – Alexander Preuss

      Lektorat, Satz und ebook-Bearbeitung – Harald Giersche

      ISBN-13 – 978-3-95777-100-1 (epub)

      Besuchen Sie uns im Web:

      http://verlag.begedia.de

      Das ENTHYMESIS-Universum

      Eine Science-Fiction-Saga in sieben Trilogien

      1. Laertes

      -Erstflug

      -Persephone

      - Lombok

      2. Exploration

      3. Gaugamela

      4. Zthronmic

      5. Tloxi

      6. Jin-Xing

      7. Rongphu

      Kapitel 1. Der Test

      Das orbitale Forschungslabor ERIS bewegte sich schweigend auf seiner annähernd kreisförmigen Umlaufbahn um den zweiten Planeten. Die fliegende Wissenschaftsplattform bot zwanzig Personen Platz. Sie war mit dem Modernsten ausgerüstet, was den Planetologen der Union derzeit zur Verfügung stand. In ihren Einrichtungen steckten Milliarden an Entwicklungskosten. Die meisten ihrer virtuellen, interaktiven, vollintegrierten und von KIs der dritten Generation gesteuerten Anlagen waren noch geheim. Sie würden, wenn überhaupt, erst in vielen Jahren für den öffentlichen Markt freigegeben werden.

      Die Aufgabe von ERIS war es, den Planeten zu erforschen, der sich träge unter ihr drehte und dem die Scherzkekse von der Wissenschaftlichen Abteilung den Namen Orkus gegeben hatten. Der eigentliche Zweck der Mission war es jedoch, das High Tech-Labor selbst und seine hochgezüchtete, kostspielige Ausstattung zu testen.

      Aktuell war die Station nur mit sieben Wissenschaftlern besetzt. Die Lebenserhaltungssysteme waren für zwölf Monate autark. Seit dem letzten Versorgungsflug waren erst wenige Wochen vergangen. Ein Frachter der TERMIT-Klasse hatte Wasser, Sauerstoff, frische Lebensmittel sowie Synthetisatorsubstanz gebracht. Außerdem persönliche Gegenstände, Wechselwäsche, zwei Forschungsmodule des Typs AIGIS, Plasma für die beiden Shuttles der ERIS und ein Containment, das auf der Nutzlastkapsel einer Lambda-Ionensonde basierte und das auf der höchsten Geheimhaltungsebene eingestuft war: Nur für den Kommandanten.

      Wie alle kleineren Sprungschiffe der Frühzeit der interstellaren Exploration wiesen auch die TERMIT-Frachter ein groteskes Missverhältnis zwischen Nutzlast und Ruhemasse auf. Der noch wenig erprobte Flug im Überlichtbereich machte es nötig, den Schiffen zu einer gewissen Trägheit zu verhelfen. Einheiten, die kleiner als eine Million Tonnen waren, konnten bis jetzt nicht zuverlässig genug navigieren. Unbemannte Versuchseinheiten waren viele Millionen Kilometer abseits der vorherberechneten Koordinaten aus den Transportkorridoren gekommen, was für den regulären Betrieb unzumutbare Risiken barg. Ein Schiff konnte sich im Inneren eines Mondes materialisieren oder zu tief im Gravitationstrichter eines Planeten, den es eigentlich ansteuern sollte. Die Forschungen steckten fest. Die superrelativistische Physik des Überlichtfluges ließ sich mathematisch schlechter in den Griff bekommen, als die Chefentwickler der Union und der konkurrierenden Vereinigungen bislang erklären konnten.

      Solange leichtere und zielgenauere Schiffe nicht zur Verfügung standen, behalf man sich mit zweierlei. Zum einen mussten die Einheiten zuerst bei Unterlichtflug das innere System verlassen und den relativ freien Raum der äußeren Planeten gewinnen, um zu springen. Dort betrugen die Distanzen zwischen den Massen viele Milliarden Kilometer oder mehrere Lichtstunden, was jenseits der kritischen Toleranzen der Aggregate lag und eine entsprechende Sicherheit gewährleistete. Erkauft wurde das mit einem manchmal mehrwöchigen Flug der schweren Einheiten bei Unterlichtflug, was zu nicht unerheblichen Zeitverlusten führte. Zum anderen schleppten die Schiffe dieser Generation gewaltigen Ballast mit sich herum, um ihren Flug zu stabilisieren. Da es dichte Masse sein musste und nicht Fracht sein konnte, die nicht in der gleichen Weise berechenbar war, ergab sich die für Ökonomen schwer zu ertragende Unwucht von bis zu einer Million Tonnen Ballast bei einer Nutzlast von gerade hunderttausend Tonnen. Das verschlang Treibstoff und, während der Beschleunigungsphase, Zeit. War im Augenblick aber technologisch nicht anders darzustellen. Die Schiffe – und das Prinzip galt für nahezu alle derzeit in Dienst stehenden Typen – ähnelten so den aufgedunsenen Königinnen der Termiten, Ameisen und anderen staatenbildenden Insekten. Der winzige Kopf und Vorderkörper wurde fast erdrückt und in den Schatten gestellt von dem bizarr aufgeblähten Unterleib. Statt Eier zu produzieren und den Erhalt der Population sicherzustellen, befanden sich in den zwei Dritteln der Gesamtlänge einnehmenden Hecksektionen der TERMIT-Frachter jedoch riesige Barren aus unverhüttetem Erz, das man der Einfachheit halber aus Asteroiden gebrochen hatte.

      Die beiden Notfallshuttles der ANT-Klasse, die an der ERIS angedockt waren, folgten vom Grundsatz her dem gleichen Bauplan. Da sie jedoch keine Fracht zu bewegen hatten, sondern nur der Besatzung der Station eine Fluchtmöglichkeit bieten sollten, waren die bewohnbaren Module inklusive Normalraum-Antriebssektion um den Faktor sechs kleiner als die der Transporter. Das Prinzip war jedoch dasselbe: der winzigen Wohnkapsel war ein kolossaler Rumpf angehängt, der außer dem Überlichtantrieb nichts als sonst nutzlose Materie enthielt. Da Kommunikation schneller als Licht in dieser bedauernswerten Frühzeit der Erkundung der Galaxis ebenfalls noch nicht möglich war, konnte sich die Crew eines abgelegenen Außenpostens wie ERIS nicht darauf verlassen, in einer Notfallsituation einen Hilferuf absetzen zu können und daraufhin gerettet zu werden. Sie musste sich selbst helfen und die Station verlassen. Da man, wie der Stationsleiter, Dr. Rogers, zu sagen pflegte, von allem Wichtigen immer zwei Exemplare zur Verfügung haben soll, waren es zwei ANT-Module, die an den entgegengesetzten Seiten der Orbitalstation festgemacht hatten. Dabei: Was sollte denn passieren?

      Die Straße folgte dem Geruch des nahen Meeres und schmiegte sich, als der Ozean in Sicht kam, dem Verlauf der Küste an. Rechterhand flimmerte die subtropische Pracht des Golfs, als die Fahrbahn nach Osten einbog. Sie verlief während der ganzen Zeit auf Stelzen, die so hoch wie fünfstöckige Bauwerke waren. Das erlaubte dem Passagier, der an die Automatik übergeben hatte, den Blick auf die sandgefüllten Buchten und palmenbestandenen Strände zu genießen. Es war Nachmittag. Die Sonne stand im Südwesten und schlug aus der unbewegten Fläche des Meeres einen platinfarbenen Glanz heraus. Villen und Feriensiedlungen zogen auf der Landseite dahin, Golfplätze und Appartementanlagen. Dann stakte die Fahrbahn wieder wie auf Zehenspitzen über Urwald und Mangroven, in denen sich seit den Zeiten der ersten europäischen Entdecker nichts geändert hatte.

      Das Ziel lag etwas außerhalb von Pensacola. Dabei waren die Grenzen zwischen Weichbild und Umland fließend. Pensacola, Hauptsitz der Union, zu dem auch deren Verwaltung, die Akademie und der mit Abstand größte Raumhafen des Planeten gehörten, fraß sich wie ein Krebsgeschwür ins Hinterland. Aus dem Orbit oder aus der Luft betrachtet, präsentierte es sich als grauer Tumor, dessen Metastasen mehrere Fahrstunden weit in die Umgebung ausgriffen. Werften, Forschungseinrichtungen, Bürokomplexe, wissenschaftliche Institute, Wohnraum und Freizeitanlagen für mehrere zehntausend Menschen. Pensacola war die Union, und die Union war inzwischen eine der größten Institutionen der Welt, auch wenn ihr Werbeslogan, demzufolge sie die Galaxis beherrschte, dem einen oder anderen übertrieben und, was schlimmer war, geschmacklos erscheinen mochte.

      Das üppige Klima und die robuste Vegetation, die im Handumdrehen noch aus jeder Brachfläche aufschoss, verhinderten, dass das ganze so hässlich und deprimierend war, wie es vielleicht in höheren Breiten geworden wäre. Auch legten die Architekten und Landschaftsplaner wert darauf, immer wieder Grünflächen, Gärten und botanische Oasen zwischen den Verwaltungstrakten, Hangars und Laborgebäuden einzuschalten. Pensacola als Ganzes glich so einem Campus, beinahe einer Sommeruniversität. Es war abgasfrei, erfüllte problemlos alle Forderungen der Rassen- und Geschlechtermischung, der ethnischen Vielfalt und der religiösen Toleranz. Über dem Pensacola der Werbevideos schien permanent die Sonne. Alle Menschen trugen weiß. Und alle lachten. Das empirische Pensacola kam dem erstaunlich nahe,


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