Persephone. Matthias Falke
sämtlichen Schirmen entfaltete sich ein Feuerwerk an Daten. Gewaltige Massen an Informationen brandeten auf die Station ein und wurden von ihren Systemen aufbereitet. Die Besatzung würde Wochen damit zu tun haben, den Anfall an Messergebnissen zu interpretieren. Im Augenblick gab es nur eine Frage.
»Hat es geklappt?« Dr. Rogers beugte sich, als sei er kurzsichtig, über die Konsole. Das optische Bild zeigte eine Staubsäule, die sich langsam und majestätisch über der Einschlagstelle in die Luft erhob. Da jeder Größenvergleich fehlte, waren ihre Dimensionen zunächst nicht festzustellen. Sie musste aber mehrere hundert Meter hoch sein. Ihre Form war die einer schlanken Fontäne.
Mit einigen Sekunden Verzögerung brach nun das eigentliche Inferno über ERIS herein. Die meisten Daten kamen von den Satelliten, was eine gewisse Pufferung mit sich brachte. Eine hochauflösende 3D-Konsole etablierte sich unaufgefordert. Sie zeigte die Totale des Planeten, die nun durchscheinend wurde und den komplizierten Schalenbau im Inneren der Welt offenbarte.
»Bingo.« Brini nickte seinem Vorgesetzten zu. Er strahlte über beide Ohren. »Sieht so aus, als hätten wir einen Volltreffer gelandet.«
»Ins Schwarze!« Auch Rogers wirkte zufrieden.
Sie verfolgten noch eine Weile, wie der Tsunami der hereinkommenden Daten von den hochentwickelten KIs der Bordsysteme gebändigt wurde. Dann reichten sie einander feierlich die Hand.
»Ich denke, das war ein voller Erfolg«, sagte Rogers.
»Das sehe ich ganz genauso.« Brini wusste kaum noch, wohin mit sich. Er trat von einem Bein auf das andere und wollte sich von Rogers losmachen, der immer noch seine Rechte festhielt.
»Immer langsam.« Der Stationsleiter schien amüsiert. »Was haben Sie denn vor?«
»Ich würde sagen, wir haben etwas zu feiern.«
In der Crew machte ein vorfreudiges Raunen die Runde.
»Auf die Gefahr, Sie zu enttäuschen«, sagte Dr. Rogers, der Brinis Hand jetzt endlich losließ und sich an die gesamte Besatzung des Orbitallabors wandte. »Aber ich fürchte, die eigentliche Arbeit fängt erst an!«
»Nimm doch noch ein Stück Kuchen.« Beth reichte Laertes die Platte, und er nahm sich ein weiteres Stück des frischen Erdbeerkuchens.
»Selbst gebacken?«, fragte er höflich.
»Natürlich«, sagte Ash anstelle seiner Frau. »Beth ist eine hervorragende Hausfrau.«
Er betonte das Wort und sah seinen ehemaligen Kameraden dabei lauernd an.
»Was?« Laertes kaute mit vollen Backen. Auch Kaffee, wie Beth ihm mit einer Geste anbot, ließ er sich noch einmal einschenken.
»Ich weiß genau, was du jetzt denkst!« Ash hatte den jovialen Freizeitton drauf.
»Ich habe kein Wort gesagt.«
Ash wartete, bis Beth aufstand und ins Haus ging, um frischen Kaffee und Limonade zu holen. Auch letztere schmeckte hervorragend! Selbstgemachte Zitronenlimonade!
»Du denkst, da hat er sich aber eine ins Bett geholt«, fuhr Ash dann fort. »Eine die Kuchen backt und Blumen gießt und ihm süße Kinderchen schenkt.«
»Ich habe nichts dergleichen gesagt oder gedacht.« Laertes hatte den Mund leer und konnte sich endlich verteidigen. Er sah Jenny zu, die in einem kleinen Sandkasten spielte. Dann schaute er seinem Freund ins Gesicht. »Niemals würde ich in solchen – Kategorien denken! Ich glaube, Beth ist eine ganz patente Frau, die ...«
»Sie hat einen Master in Triebwerkstechnik und arbeitet im Forschungszentrum in Pensacola!« Ashs Triumph klang ein wenig angestrengt. Laertes fragte sich, ob die rhetorische Vorbereitung nötig gewesen wäre.
»Schön«, sagte er nur.
Beth kam mit einer weiteren Kanne Kaffee und einer Karaffe voll Limonade zurück.
»Stell dir vor«, rief Ash ihr empört entgegen, als sie die Treppe von der Terrasse herunterkam und über die Wiese ging. »Mein Freund hier hat den Verdacht geäußert, du seist ein Hausmütterchen ohne Bildung, das nur kochen und backen kann.«
»Das stimmt doch überhaupt nicht!« Laertes sprang auf, um Beth das schwere Tablett abzunehmen. Dabei bemerkte er das breite Grinsen, das seine Gastgeber wechselten. Offenkundig war das ganze ein Spiel, das sie öfter mit ihren Gästen spielten. Ein festes Ritual.
»Blödmann!« Er boxte Ash im Vorbeigehen in die Schulter und setzte sich dann wieder auf seinen Platz.
Jenny kam von ihrem Sandkasten gelaufen und verpasste ihrem Vater ebenfalls einen Fausthieb auf den Oberarm. Ash krümmte sich in vorgetäuschtem Schmerz. Dann packte er die Kleine, um sie durchzukitzeln. Laertes sah ihnen versonnen dabei zu. Er wartete, bis auch Beth ihren bequemen Stuhl wieder eingenommen hatte.
»Du arbeitest für die Union?«, fragte er dann.
»Wir alle sind die Union«, lachte sie.
»Ja, das stimmt.« Er trank einen Schluck Limonade. »Alle eine große Familie.«
Ash attackierte seine Tochter mit Kitzelangriffen. Die Kleine kreischte vor Vergnügen. Genau so plötzlich, wie sie gekommen war, wurde sie der Sache dann wieder überdrüssig. Sie machte sich von ihm los und kehrte in ihre Spielecke zurück.
»Aber das müsst ihr mir trotzdem noch einmal erklären«, sagte Laertes, als die Erwachsenen wieder unter sich waren. »Wieso ist sie die Jüngste? Und wie geht das zu?«
Beth reichte ihrem Mann über den Tisch hinweg die Hand und drückte sie lange. Die beiden sahen einander mit einem warmen Lächeln an.
»Jenny ist unsere Kleine«, sagte Beth. »Donnan und Garth gehen auf die Schule. Und der Große ...«
Laertes hätte sich beinahe an seiner Limonade verschluckt.
»Ihr habt noch drei weitere Kinder?«, platzte er heraus. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?« Er funkelte Ash böse an.
»Wir wollten dich überraschen.« Der Beamte strahlte vor Begeisterung über seinen gelungenen Coup.
»Das ist euch gelungen.« Laertes sah von einem zum anderen. »Also! Ihr habt noch drei Söhne, und einer davon ist erwachsen, oder was?«
»Donnan und Garth sind Zwillinge.« Beth lehnte sich stolz in ihrem Gartenstuhl zurück. »Alwyn geht aufs College.«
»Aufs College.«
»Wenn du zum Abendessen bleibst, kannst du die beiden Mittleren kennen lernen«, sagte Beth. »Der Große hat gerade einen Lehrgang. Er kommt nur an den Wochenenden nach Hause.«
»Okay.« Laertes wirkte ein wenig konsterniert. Er schüttelte den Kopf, als Beth ihm noch ein Stück Kuchen auftun wollte. Stattdessen fixierte er Ash. »Bitte!«
»Von dem Programm Semen hast du also nie gehört?«, erkundigte sich Ash.
»Offenbar nicht, nein.«
»Ich muss sagen, das war ein außerordentlich feiner Service, den die Union uns da geboten hat.«
»Ein Service? Ich wusste nur, dass Du dich bei der speziell eingerichteten Kontaktbörse angemeldet hattest.«
»Ja genau. Aber das hier ist etwas anderes. Ein äußerst umfangreiches Programm«, fiel Beth ein. »Es ging ja nicht nur um das Material als solches, um das sich schon vor dem Abflug gekümmert werden musste, sondern auch um die ganze Organisation, die Logistik, die psychologische Betreuung, die finanzielle Ausstattung, all diese Dinge.«
»Es ist ein gewaltiger Apparat, der da im Hintergrund agiert«, sagte Ash. »Und offenbar arbeitet er so diskret, dass selbst Angehörige der Crew nichts mitbekommen haben.«
»Hat das etwas mit unserer MARQUIS DE LAPLACE zu tun?«, fragte Laertes.
»In gewisser Weise.« Ash schmunzelte. »Notgedrungen.«
»Verstehe.« Laertes schüttelte den Kopf. »Also wenn