Persephone. Matthias Falke

Persephone - Matthias Falke


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Augen wanderten von einem zum anderen. »Soll ich euch eine Weile allein lassen? Wollt ihr Anekdoten austauschen? Oder sollte ich sagen: Raumfahrergarn?«

      »Wir kommen zurecht«, sagte Ash. »Mit Publikum macht es mehr Spaß!«

      Dabei war Laertes sicher, dass es keine Anekdote vom heroischen Jungfernflug gab, mit der er sich nicht schon vor seiner Frau und geladenen Gästen produziert hatte. Die Symbiose der beiden war gut eingespielt. Das hatte er schon am Mittag zu spüren bekommen, als sie ihn in die Gender-Falle tappen ließen. Auch jetzt machten die Blicke, die die beiden einander zuwarfen, ihn hellhörig.

      »Ein bisschen seltsam war es ja schon«, sagte Beth im Ton einer unüberhörbaren Anspielung.

      »Was meinst du?«

      »Dass die Meldung über den Erstkontakt genau an dem Tag kam, als ihr gelandet seid.«

      »Das war nicht der Erstkontakt«, sagte Laertes, wieder eine Nuance schroffer, als er eigentlich wollte. »Es war nur ein Verdacht, der von den Medien ausgeschlachtet wurde.« Er runzelte die Stirn. »Und Zufall war es sicher nicht.«

      »Nein, war es nicht.« Ash sagte das so ruhig und bestimmt, dass Laertes erst recht aufhorchte.

      »Was weißt du?«

      Ash setzte sich umständlich zurecht und schenkte sich noch einmal Wein nach. Er genoss den Auftritt. Er hatte den ganzen Tag darauf gewartet.

      »Die Vermutungen«, erzählte er, »waren schon sehr viel älter. Es gab nicht das eine Signal, wie es dann in diesem albernen Newsflash hieß. Die Sache hatte mehrere Jahre Vorlauf.«

      »Während unseres Fluges?«

      »Während des Rückflugs.« Ash nickte. »Die Relaisdrohnen, die wir unterwegs, auf dem Hinflug, ausgesetzt hatten, fingen bestimmte Muster auf. Es waren die empfindlichsten und gleichzeitig am weitesten draußen platzierten Sensoren, die die Menschheit bis dahin ausgebracht hatte. Die Möglichkeit war nicht ganz von der Hand zu weisen, dass sie früher oder später etwas Einschlägiges orten würden. Wenn irgendein System, dann dieses.«

      »Dann hatte man es darauf abgesehen?«

      »Das weiß ich nicht. So genau kenne auch ich die Interna nicht.« Er hob sein Glas und prostete erst seiner Frau und dann seinem Gast zu. »Wie du weißt, und wie du hier überdeutlich sehen kannst, bin ich kein Mauretanier. Das heißt, an die wirklich geheimen Geheimnisse komme auch ich nicht dran.«

      »Hast du dich ihnen angeschlossen?«, fragte Beth dazwischen.

      »Nein.« Laertes wandte seine Aufmerksamkeit sofort wieder seinem Freund zu.

      »Aber«, fuhr Ash fort, »so wie ich die Brüder kenne, haben sie es von Anfang an, das heißt seit der Planungsphase der ersten Sternenflug-Mission, darauf angelegt oder es zumindest billigend in Kauf genommen, dass etwas derartiges geschieht.«

      »Vielleicht konnten sie so ein paar SETI-Gelder abzweigen.« Laertes lächelte dünn.

      »Wie dem auch sei. Die Relais fingen etwas auf. Es wurde herausgefiltert und untersucht. Durch Mustererkennungen und Dechiffriermaschinen gejagt. Man bekam bestimmte Frequenzen und Algorithmen. Damit konnte man gezielt weitersuchen. Von nun an war es eine Suche, die den Namen verdiente.«

      »Alles auf dem Rückflug«, stöhnte Laertes. »Während ich geschlafen habe!«

      »Ich will mal so sagen, Kumpel.« Ash spielte seinen Trumpf mit links aus. »Wenn du der Bande deine Seele verkauft hättest, hätten sie dich geweckt!«

      »Das habe ich aber nicht getan«, sagte Laertes ruhig. »Und dann?«

      »Die Sache blieb im innersten Zirkel. Auch ich kenne die Namen nicht. Wiszewsky war mit Sicherheit im Club. Wheeler natürlich.« Ash hob die Schultern. »Ich glaube nicht, dass es insgesamt mehr als fünf oder sechs Personen gewesen sind, die über alles Bescheid wussten. Dann noch ein paar Fachidioten, die man mit Teilaspekten betraute.«

      Laertes nickte vor sich hin. »Aber irgendwie kam es ja doch raus!«

      »Es muss ein Leck gegeben haben«, stellte Ash emotionslos fest.

      »Weiß man, wer?«

      »Nein.« Ash sah ihn offen an. Laertes wusste, dass der Beamte ihn nicht belügen würde. Ash war jemand, auf dessen Wort man sich verlassen konnte. Außerdem lag die Sache mehrere Jahre zurück. Inzwischen war die Katze sowieso aus dem Sack, die Entwicklung war in eine völlig neue Phase eingetreten.

      »Es hat ein Leck gegeben«, wiederholte Laertes im Stil einer offiziellen Zusammenfassung, wie sie bei Briefings üblich war. »Vermutlich eine persönliche Sache. Meist ist es ja gar nichts Großes, sondern etwas ganz Kleines, Niedriges. Eine Eifersuchtssache.« Er hielt inne, als habe er sich selber beim Laut-Nachdenken zugehört. »Wiszewsky«, sagte er gedehnt.

      »Er war mit Sicherheit im inner circle«, sagte Ash. »Und er muss auch gewusst haben, dass es ein Leck gibt, wer das Leck ist, wann etwas durch das Leck dringt und was!«

      »Deshalb ist er vorausgeflogen.«

      »Er wollte sich seinen Triumph nicht kaputtmachen lassen.« Ash wandte sich wieder an seine Frau. »Wiszewsky hatte es plötzlich sehr eilig. Er nahm einen Explorer und flog voraus, als wir noch in der letzten Abbremsphase waren. So war er ein paar Tage vor uns hier und bekam einen Roten Teppich ganz für sich allein.«

      Beth nickte. »Ich erinnere mich gut daran. Diesen – Auftritt fand ich auch ein bisschen sonderbar. Aber du hast es mir ja später erklärt.«

      »Es ist ja jetzt auch egal«, sagte Laertes.

      »Du bist nach der Landung sofort abgetaucht?«, fragte Beth. »Franklin, also nachdem wir uns kennen gelernt hatten, wollte er mir seine Freunde vorstellen. Aber die hatten sich irgendwie in alle Winde verstreut!«

      »Am Tag der Ankunft bin ich nach Budapest gefahren«, berichtete Laertes. »Ans Grab meiner Verlobten. Dort bekam ich auch die Nachricht, diesen Newsflash. Danach war ich, wie gesagt ...«

      »Abgetaucht.« Ash grinste.

      »Auf Reisen«, sagte Beth nachsichtig.

      »Ja, und die anderen«, erkundigte sich Laertes. »Rogers?«

      »Der hat einen Lehrgang nach dem anderen gemacht«, sagte Ash. »Dem konnte es gar nicht schnell genug gehen.«

      »Ist er bei den ...«

      »Ich denke schon.«

      Die beiden Männer wechselten einen Blick.

      »Aber Wiszewsky«, hakte Laertes nach. »Er muss doch greifbar gewesen sein. War er nicht hier, in Pensacola?«

      Ash lachte prustend. »Du hast wirklich gar nichts mitgekriegt«, entfuhr es ihm.

      »Klär mich halt auf!«

      »Er forderte das Kommando über die MARQUIS DE LAPLACE«, sagte Ash. »Bekam es auch, wie wir wissen. Wheeler war alt. Er ging in den wohlverdienten Ruhestand. Wiszewsky hatte wahrlich genug vorgearbeitet. Jetzt strich er die Ernte ein.«

      »Aber?« Laertes hörte sehr wohl heraus, dass es da noch ein Aber gegeben hatte.

      »Aber das Schiff musste natürlich umgerüstet werden. Jahrhunderte einer irrwitzigen Entwicklung, die allein in den letzten Jahrzehnten vor unserer Rückkehr explosionsartig gewesen war. Eine echte Revolution. Das brauche ich dir doch alles nicht erklären.«

      »Nein, natürlich nicht.« Laertes schüttelte den Kopf. »Aber??«

      »Unsere alte MARQUIS DE LAPLACE wurde ja einer Verjüngungskur unterzogen, Hardware wie Software. Neue Triebwerke inklusive Warpspulen. Eine neue KI. Alles!«

      »Das ist mir bewusst!«

      »Das dauert!« Ash spitzte die Lippen und schlürfte an seinem Wein. »Es gab da aber noch eine weitere Möglichkeit. Während unseres Rückfluges hatte die Union damit begonnen, ein neues Explorationsschiff zu bauen. Moderner, größer und schneller.«


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