Persephone. Matthias Falke
ich bereits sagte: Sie haben unsere Kommunikation entschlüsselt und sich zu eigen gemacht.«
»Sie empfangen uns in unserer eigenen Sprache«, staunte der Kommandant. »Grammatikalisch richtig und in geschliffener Diktion.«
»Nichts, was eine KI aus unseren Beständen nicht auch hinbekäme«, beeilte Schleuner sich zu sagen. »Im umgekehrten Falle.«
»Faktisch haben wir aber noch nichts von ihnen«, fauchte die Gobaidin.
»Sie nennen sich Tloxi.« Schleuner spielten seinen letzten und, wie er meinte, größten Trumpf. Leider musste er mit ansehen, wie er wirkungslos verpuffte.
»Sie haben uns gehackt«, fuhr die stellvertretende Kommandantin fort, ohne sich im übrigen vom Fleck zu rühren. »Sie wissen alles über uns.«
Über Schleuner hinweg wandte sie sich an die anderen Wissenschaftler. Unter ihnen war Dr. Kopertnik, der Leiter der KI-Verwaltung.
»Haben wir Anzeichen dafür, dass sie unsere Systeme unterwandern?«, fragte Doina Gobaidin ihn.
»Bis jetzt nicht«, sagte Kopertnik rasch. »Ich verstehe Ihre Besorgnis, Vizeadmiralin. Aber bis jetzt liegen keinerlei Anzeichen vor, dass sie auch nur versucht hätten, unsere Bordcomputer auszulesen.« Er lächelte ein wenig selbstgefällig. »Ich wage zu behaupten, dass unsere Firewall sie da auch vor gewisse Schwierigkeiten stellen würde.«
»Solche Schwierigkeiten wie die, im Handumdrehen Uniertes Englisch zu beherrschen!«
»Das ist für eine KI keine besondere Herausforderung«, versuchte Schleuner das Gespräch zurückzuholen. »Sie haben unsere Lokale mitgehört, vielleicht auch die akustischen Unterhaltungen unserer Mitarbeiter vor Ort. Das ist etwas ganz anderes, als wenn es beispielsweise darum ginge, sich in ein solches Schiff zu hacken.«
»Denn Schlüssel haben sie jetzt schon«, sagte die stellvertretende Kommandantin. »Unsere Frequenzen, unsere Sprache, unsere Grammatik. Im Grunde müssen sie uns gar nicht mehr hacken. Wir haben ihnen alles auf dem Silberteller präsentiert.« Dann tat sie, als würde sie sich selbst ins Wort fallen. »Aber entschuldige, Alexander«, sagte sie giftig. »Ich wollte deiner Einschätzung der ganzen Sache keineswegs vorgreifen.«
Sie ließ einen strengen Blick über die gesamte Brückencrew schweifen und wandte sich dann wieder ab.
Ein Moment der Stille entstand, in dem man Schleuner und Kopertnik durchatmen hörte. Wiszewsky gab sich dagegen unbeeindruckt.
»Was war das mit diesem Wort«, fragte er. »Wie nennen sie sich?«
»Tloxi.« Schleuner war froh, im Text fortfahren zu können. Sein Assistent spielte einen kurzen Filmschnipsel ein, in dem einer der Roboter eine unidentifizierbare Lautfolge von sich gab. Ein seltsames Knacksen.
»Sie haben unsere Sprache bis auf die Ebene der einzelnen Phoneme analysiert«, erläuterte der Wissenschaftler. »Parallel zu diesem Versuch einer akustischen Kommunikation senden sie Signale auf der Frequenz unserer Lokalen. Von daher haben wir eine digitalisierte Version dessen, was in der mündlichen Aussprache ein wenig interpretationsbedürftig ist.«
Vom anderen Ende der Brücke hörte man die Vizeadmiralin genervt schnaufen.
Wiszewsky lächelte seinem Chefwissenschaftler auch jetzt gewinnend zu.
»Von daher«, sagte Schleuner, »können wir ganz sicher sein. T-L-O-X-I. Tloxi!«
»Und was soll das heißen?«, fragte der Kommandant.
»Das ist ihr Eigenname.« Der Chef der Planetarischen Abteilungen wirkte für einen Moment konsterniert. »So nennen sie sich.«
»Gewiss.« Wiszewsky musste überlegen, wie er seine Frage formulieren sollte. »Aber was heißt es.«
»Ach so.« Schleuner tat auf wenig überzeugende Weise so, als sei ihm der Groschen gefallen. »Das wissen wir natürlich noch nicht. Wir müssen ihre Sprache insgesamt vorliegen haben. Ein einzelnes Wort lässt sich schlecht deuten.«
»Verstehe.«
»Aber wir sind dran«, fügte der Wissenschaftler noch an, um dem Wortwechsel einen versöhnlichen Abschluss zu geben.
»Danke, Schleuner.«
Die Crew aus Experten und Brückenoffizieren stand beklommen da, als der große Schirm fürs erste erlosch. Wiszewsky schien zu überlegen, wie es weiterging. Doina Gobaidin fuhr herum, als habe sie auf diesen Moment gewartet.
»Alexander«, sagte sie scharf. »Entschuldige, wenn ich mich einmische.«
»Du bist mein Vize«, entgegnete er zuckersüß. »Du darfst dich in alles einmischen.«
»Findest du das nicht merkwürdig«, fragte sie, ohne auf seinen süffisanten Ton einzugehen. »Sie haben unsere gesamte Sprache, unsere Frequenzen und so fort, wir haben von ihnen ein einziges Wort, mit dem wir noch dazu nicht das geringste anfangen können.«
»Wir arbeiten dran.« Wiszewsky stellte sich rhetorisch vor seine Wissenschaftler und hob dazu die Schultern.
»Das ist mir zu wenig«, sagte die Gobaidin. »Wo sind unsere KIs? Wenn es so einfach ist, unbekannte Kommunikationsformen zu knacken, warum kriegen wir das nicht auch hin.«
»Ich gebe die Frage weiter an die Spezialisten.«
Schleuner zuckte zusammen. »Wie gesagt, das, was wir für die interne Kommunikation der Tloxi untereinander halten, ist auf eine sehr anspruchsvolle Weise verschlüsselt. Die Chefprogrammierer unserer Quantencomputer sind dabei, die entsprechenden Algorithmen zu schreiben, um das zu dechiffrieren.«
»Laertes würde das an einem Nachmittag improvisieren«, murmelte die Vizeadmiralin in sich hinein. Laut sagte sie: »Warum ist unsere eigene Lokale eigentlich nicht in solcher Form verschlüsselt?«
Schleuner sandte einen fragenden Blick in Richtung des Kommandanten, der ihm die Antwort überließ.
»Um ehrlich zu sein, wir sahen nie eine Notwendigkeit dafür!«
Wiszewsky zuckte auch dazu nur mit den Achseln.
»Deine Vorsicht in Ehren«, sagte er zu seiner Stellvertreterin, »aber bis jetzt gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass diese – Dinger irgendwie gefährlich sind.«
»So!« Doina Gobaidin brauste auf. »Bezichtigst du mich der Paranoia, Alexander?«
»Das nicht, aber ...«
»Um uns allen ins Bewusstsein zu rufen, womit wir es zu tun haben: Wir wissen es nicht! Warum kommen euch diese Wesen eigentlich so harmlos vor? Ihr scheint sie nicht richtig ernst zu nehmen? Weil sie so klein sind? Weil sie aussehen wie Maidbots, die reiche Leute ihren Kindern schenken?« Sie schüttelte den Kopf.
»Bleib bitte sachlich«, mahnte Wiszewsky.
»Entschuldige«, erwiderte sie giftig. »Ich habe mich hinreißen lassen.« Sie kam jetzt auf den Rest der Mannschaft zu, der sich auf der Brücke der MARQUIS DE LAPLACE versammelt hatte, um die Lücke zwischen sich und der Crew zu schließen. »Ich möchte nur an Sie alle appellieren«, sagte sie dann in deutlich konzilianterem Ton, »weniger vertrauensselig zu sein. Im Augenblick wissen wir gar nichts. Wir haben noch nicht einmal in die – Dinger reingeschaut.«
»Das wird einer der nächsten Schritte sein«, sagte Schleuner eilfertig. »Ich warte nur noch auf die Freigabe.«
Die Gobaidin überging ihn, als sei er nicht existent. »Wir haben nicht die geringste Ahnung, womit wir es zu tun haben. Lassen Sie sich vom Augenschein nicht täuschen. Was wir wissen, ist, dass diese – Tloxi uns anscheinend technisch haushoch überlegen sind.« Sie ließ eine Pause eintreten, in denen sie die Anwesenden einen nach dem anderen mit einem strengen Blick maß. »Lassen Sie sich nicht einlullen, bleiben Sie misstrauisch!«
Die erfahrenen Wissenschaftler und dekorierten Brückenoffiziere nickten wie eine Schulklasse, die eine Standpauke ihrer Rektorin über sich ergehen lassen musste.
»Fertig?«