Persephone. Matthias Falke

Persephone - Matthias Falke


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Der Druckausgleich zischte. Es knackste in den Ohren. Dann blinkte das Signal zum Abnehmen des Helmes.

      Schleuner befreite sich und atmete einige Male tief durch. Die Luft im Quarantänezelt war kühl und trocken. Sie roch, wenn überhaupt, nach den Elastilfolien, aus denen die Kuppeln bestanden. Er wartete ab, bis alle seinem Beispiel gefolgt waren. Es war interessant, die Reaktionen der Leute zu beobachten, wobei er sich sagen musste, dass die meisten von ihnen schon wesentlich länger in den Anzügen steckten als er. Die Männer rieben sich das Gesicht und schnitten groteske Grimassen, um wieder ein Gefühl in Stirn und Wangen zu bekommen. Die Frauen hatten es dagegen hauptsächlich mit ihren Haaren. Kristina Nursin öffnete das Netz, das ihre Frisur im Inneren des Helmes gebändigt hatte, und entließ den dunkelblonden Pferdeschwanz daraus, der über die Helmkupplung auf ihren Rücken herabreichte.

      »Das würde ich lassen«, sagte Schleuner.

      Er hatte das mechanisch gesagt, um zu überspielen, warum er die Kollegin etwas zu penetrant angestarrt hatte. Kristina war eine attraktive Frau von Mitte dreißig mit strahlend blauen Augen, hoher Stirne und aparten Wangenknochen. Wenn sie das Haar ganz öffnete, musste sie noch mehr Sex Appeal haben. Aber auch das Strenge, das die Frisur ihr gab, stand ihr gut. Schleuner hatte sie nie anders gesehen. Auch an Bord, beim Routinedienst in der Planetarischen, trug sie stets Pferdeschwanz oder Netz.

      »Warum?«, fragte sie nur.

      »Vorschrift.« Er grinste nonchalant.

      Sie hob die Schultern. »Sieht ja keiner!«

      »Es sehen alle«, rief er ihr ins Gedächtnis. »Und wenn etwas passiert, bin ich als Ihr direkter Vorgesetzter der Gelackmeierte.«

      »Was soll denn passieren?«, fragte sie. Aber dann rollte sie das Haar doch wieder zu einer Art Dutt zusammen und verstaute es in dem farblosen Netz aus Elastil.

      »Können wir dann anfangen«, rief einer aus dem Team ungeduldig.

      »Selbstverständlich.« Schleuner musste lachen. Er musterte die Tloxi, die für ihn ununterscheidbar waren. »Welcher ist der Sprecher?«, fragte er.

      »Der da.« Kristina Nursin deutete auf den Roboter, der ihnen beiden jetzt gerade gegenüber stand. Wenn sie selbst die Basis bildeten und die fünf Wesen die Spitzen eines fünfzackigen Sterns markierten, stand der Tloxi, der sich bereits mit einigen von ihnen unterhalten hatte, oben.

      »In Ordnung.« Schleuner ging zwischen den beiden Tloxi durch, die ihm am nächsten standen und die keinerlei Regung zeigten. Die Abstände zwischen ihnen waren groß genug. Es hätte sogar die ganze Wissenschaftlergruppe im Inneren ihres Kreises Platz gefunden. Dennoch achtete Schleuner darauf, keines der Wesen zu berühren.

      Er postierte sich in der Mitte der Formation, beugte sich unbeholfen vor und beschloss dann, in die Hocke zu gehen. Er betrachtete den Tloxi, der mit leerer Miene vor sich hinzustarren schien. Das grob gerasterte Rot seiner Augen, die aussahen, als seien sie aus primitiven semitransparenten Plastikelementen zusammengesetzt, schien ein wenig zu flackern.

      »Ist das normal?«, fragte Schleuner.

      »Die Augen, meinen Sie?« Auch jetzt übernahm es Kristina, für den Rest der Gruppe zu reden.

      Schleuner bejahte.

      »Die Intensität variiert leicht«, erklärte sie daraufhin. »Die Lichtstärke schwankt um etwa ein Prozent, die Farbwerte bewegen sich noch weniger. Wenige Nanometer rauf und runter. Vermutlich spiegeln die Augen die geistige Aktivität. Aber bislang konnten wir keine Muster identifizieren.«

      Schleuner nickte. »Fragen wir sie einfach!«

      Der klobige Anzug machte es nicht ganz einfach. Aber dann hatte er eine Stellung gefunden, in der er dem Tloxi einigermaßen in Augenhöhe gegenüber war.

      »Mein Name ist Dr. Schleuner«, sagte er. »Ich bin der Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung des Schiffes MARQUIS DE LAPLACE, das sich in einem Orbit um diesen Asteroiden befindet.«

      Er konnte förmlich hören, wie Doina Gobaidin einige tausend Kilometer entfernt, auf der Brücke eben jener MARQUIS DE LAPLACE, verzweifelt aufstöhnte.

      »Das wissen wir«, sagte der Tloxi.

      Schleuner, der jetzt nur noch eine Armlänge von ihm entfernt war, bemerkte, dass der Roboter den Mund nicht bewegte, während er sprach. Allerdings schien das Flackern der Augen, die den Ton von Stopplichtern hatte, dabei zuzunehmen.

      »Das freut mich«, sagte Schleuner. »Und es freut mich, dass Sie inzwischen unsere Sprache sprechen.«

      »Das war nicht allzu schwer«, sagte der Tloxi. »Ihr Funkverkehr ist ziemlich durchsichtig. Kann man das so sagen?«

      »Ich verstehe, was Sie meinen.« Schleuner unterdrückte ein Glucksen. Auch im Umkreis seiner Mitarbeiter sah er nur grinsende Gesichter, während er gleichzeitig überzeugt war, dass die Vizeadmiralin jetzt endgültig toben und schäumen würde. Die nichtvorhandenen Sicherheitsvorkehrungen in dieser Hinsicht würden noch ein Nachspiel haben. Aber das interessierte ihn jetzt nicht im geringsten.

      »Schön«, sagte er nur. »Dann können wir uns umso besser unterhalten.«

      »Ihre Sprache ist sehr einfach strukturiert«, sagte der Tloxi.

      »Vermutlich ist sie das.« Schleuner dachte nach. »Es ist eine historisch gewachsene Kommunikationsform. Aber sie wurde irgendwann für unsere Schiffe und Basen ausgewählt, weil sie leicht zu erlernen ist und man sich in ihr knapp und präzise verständigen kann.«

      Er versuchte in der Miene des kleinen Roboters irgendeine Regung zu erhaschen, aber genau so gut hätte er Empathie zu einer Bodenfliese aufbauen können.

      »Was ja hiermit erwiesen wäre«, schloss er fürs erste.

      »Ihre Spezies befährt noch nicht lange den Raum«, sagte der Tloxi.

      »Das kommt darauf an, in welchen Zeitmaßen man denkt«, versetzte Schleuner. »Aber vermutlich haben Sie recht.« Er tauschte einen Blick mit seinen Kollegen, ehe er sich weiter vorwagte. »Wie ist es mit Ihnen? Sie nennen sich Tloxi, haben wir das richtig verstanden? Wie lange befahren Sie schon den Raum? Wo kommen Sie her? Entschuldigen Sie, wenn wir so neugierig sind. Das ist eine Untugend unserer Spezies.«

      »Zum Begriff Untugend finde ich keine Entsprechung in unserer Sprache«, sagte der Tloxi.

      »Ihre Sprache würde uns natürlich ebenfalls interessieren«, warf Schleuner leichthin ein. »Wollen Sie uns nicht Ihre Grammatik erklären, nachdem Sie sich schon mit der unseren vertraut gemacht haben?«

      Das Wesen schien in Nachdenken versunken. Es wirkte wie ein ernstes, vielleicht auch etwas trotziges Kind.

      »Es tut mir leid, Dr. Schleuner«, sagte es nach einer Weile. »Aber ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen.«

      »Was meinen Sie«, rief der Wissenschaftler aus. »Die Grammatik? Oder einen Informationsaustausch im allgemeinen?«

      »Wir sind nur das Vorauskommando«, sagte der Tloxi.

      »Aha.« Schleuner wirkte für einen Augenblick perplex. Dann hatte er sich wieder im Griff. »Es hat Sie jemand geschickt! Da Sie nicht-biologisch sind, soweit wir das beurteilen können, vermutlich Ihre Erbauer oder Konstrukteure?!«

      »Negativ«, schnarrte der Tloxi, dessen Stimme zum ersten Mal so etwas wie eine Färbung annahm. Vermutlich analysierte er das Gespräch Wort für Wort und lernte dabei auch Dinge wie die Tonmodulation.

      »Verzeihung?«

      »Ich bin nicht autorisiert, darüber Auskunft zu geben.«

      »In Ordnung«, sagte Schleuner. »Ich bin wohl wirklich etwas zu sehr vorgeprescht. Mit der Tür ins Haus gefallen. All das sind Redensarten, aber irgendetwas sagt mir, dass Sie schon verstehen, was ich meine.«

      »Was haben Sie jetzt vor?«

      »Was ich ...?« Schleuner konnte zum wiederholten Mal seine Bestürzung kaum bemeistern.

      »Wir


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