Persephone. Matthias Falke

Persephone - Matthias Falke


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registrierte, wie etwas an seiner Unterarmmanschette blinkte. Er sah aus dem Augenwinkel hin, ohne die Aufmerksamkeit von dem Tloxi zu nehmen. Es war das Symbol für Abbruch. Es kam direkt von der MARQUIS DE LAPLACE.

      »Wir wissen, was Sie vorhaben.« Der Tloxi klang ganz ruhig, keineswegs drohend. Dennoch hatte diese Ruhe, die noch immer unpersönlich wie eine Flughafendurchsage war, während der letzten Sätze etwas Angsteinflößendes eingenommen.

      »Dr. Schleuner«, sagte Kristina Nursin, die ebenfalls angepiepst worden war.

      »Sofort.« Er hob die Hand um anzudeuten, dass er nur noch einen Augenblick brauche.

      »Sie haben vor, einen von uns vom Rest der Gruppe zu isolieren und zu autopsieren«, stellte der Tloxi sachlich fest.

      »Wir werden nichts ohne Ihre Einwilligung tun«, stammelte Schleuner überrumpelt.

      »Negativ«, sagte der Tloxi. »Sie werden überhaupt nichts tun. Seit Bestehen unseres Volkes ist kein Mitglied einer fremden Spezies autorisiert worden, einen von uns zu autopsieren.«

      »Selbstverständlich.« Schleuner registrierte, wie seine Mitarbeiter nach und nach die Helme wieder aufsetzten. Die Anzeige an seinem Unterarm hatte den Rhythmus ihres Blinkens verdoppelt. Das war nervtötend. Er versuchte sich zu konzentrieren. Aber die Situation entglitt ihm wie ein nasses Stück Seife, das umso sicherer davonflutschte, je fester er zugreifen wollte.

      »Chef!« Das war die Stimme Kristina Nursins. Auch sie hatte, wie er über die Schulter hinweg wahrnahm, damit begonnen, den Helm wieder überzustreifen. Aber ihr Haarnetz hatte sich geöffnet. Der Pferdeschwanz gebärdete sich widerspenstig. Eine Kollegin half ihr, verhedderte sich aber ihrerseits in dem Durcheinander aus Haaren, Netz und Helmkupplung.

      »Da geht etwas vor«, sagte einer der anderen Wissenschaftler.

      Schleuner versuchte aufzustehen. Trotz oder wegen der geringen Schwerkraft war das gar nicht so einfach. In die Anzüge waren Gravipander eingearbeitet. Er musste sich erst darauf einstellen. Dabei war er Physiker, kein Astronaut! Als er sich abrupt hochstemmte, verlor er das Gleichgewicht und kippte nach vorne, in den Tloxi hinein, der regungslos dastand und ihn verständnislos anglotzte.

      Für einen Moment hatte Schleuner die rot glimmenden Augen des kleinen Roboters keine Handbreit vor den seinen. Er sah, wie das leichte Flimmern und Flackern darin mit einemmal aufhörte. Der starre Blick des Wesens wurde noch eine Nuance starrer.

      Dann erloschen die Augen.

      Es war spät geworden. Die kleine Jennifer war längst im Bett, und auch die Zwillinge waren irgendwann aus ihrem Zimmer heruntergekommen, um Gute Nacht zu sagen. Die Erwachsenen blieben sitzen, leerten noch eine Flasche Wein und unterhielten sich. Irgendwann hatten sie alle Anekdoten aus der heroischen Zeit des Erstfluges durchgekaut. Beth gähnte laut und vernehmlich, um sich gleich darauf zu entschuldigen. Laertes hatte verstanden. Er erhob sich schwankend und stellte fest, dass er zu gleichen Teilen müde und betrunken war. Ash kam nicht einmal mehr aus seinem verführerisch bequemen Sessel hoch. Er sah aus, als wolle er am liebsten hier schlafen.

      Beth war Laertes’ Zustand nicht entgangen.

      »Wenn du magst, kannst du über Nacht hier bleiben«, sagte sie. »Ich habe das Gästezimmer für alle Fälle hergerichtet.«

      Eigentlich war es ihm unangenehm, sich noch länger in diesem Familienidyll einzuquartieren. Schon am Nachmittag hatte er aufbrechen wollen! Aber er war zu schwer und zu benommen. Ihm fiel keine Ausrede ein. Und die Vorstellung, sich jetzt noch in den Scooter zu setzen und eine Stunde lang die Küstenstraße hochzutuckern, war wenig verlockend.

      »Wenn’s keine Umstände macht?« Mehr brachte seine ungelenke Zunge nicht mehr zustande.

      »Überhaupt nicht.« Beth führte ihn nach oben und zeigte ihm das Zimmer. Ash hatte sich mit einer undefinierbaren Handbewegung von ihm verabschiedet. Laertes wartete, bis Beth im Bad fertig war und die Schlafzimmertür hinter sich geschlossen hatte. All diese Einrichtungen eines fremden Ehelebens genierten ihn. Er ging ins Bad und war froh, als er wieder in seinem Zimmer war. Natürlich hatte er nichts dabei. Es hatte ein Kaffeebesuch werden sollen. Ein, zwei Stunden, um von der gemeinsamen Vergangenheit zu klönen. Jetzt war Mitternacht vorüber, und er war immer noch hier.

      Er zog sich aus und setzte sich auf die Bettkante. Als er das Medaillon aktivierte, schaute ihn Kathys traurig-schönes Antlitz an. Er versank eine Weile in den Anblick. Dann legte er den Daumen in die Passform auf der Rückseite.

      »Guten Abend, Laertes«, sagte Madeleines sanfte Stimme. »Da ist es aber spät geworden.«

      »Ja, wir haben uns verplaudert.«

      »Das tut dir gut«, meinte die KI mitfühlend. »Ich bin froh, dass du wieder unter Leute gehst.«

      »Die letzten Jahre waren ein bisschen einsam, du hast recht.«

      »Vorträge und Reisen ...« Die körperlose Stimme schien zu schmunzeln.

      »Was soll ich den Leuten sonst erzählen?«

      »Die Wahrheit?«

      »Aber was ist die Wahrheit?«

      »Das ist eine philosophische Frage, mein Freund. Ich fürchte, wir werden sie heute Nacht nicht mehr beantworten.«

      »Weißt du, Madeleine, manchmal finde ich es schade, dass du keinen Leib hast. Für solche Äußerungen gehörst du eigentlich übers Knie gelegt!«

      »Würde dir das Spaß machen?«

      »Nein.« Er streifte das Kettchen, an dem das Medaillon baumelte, über den Kopf und deponierte es auf dem Nachttisch. »Was soll ich den Leuten sagen? Dass ich nur abgehangen bin? Mich vor aller Welt verborgen habe? Mich in mein Selbstmitleid vergraben habe?«

      »Ich denke, du bist in letzter Zeit gut vorangekommen«, erwiderte Madeleine. »Allein, dass du die Einladung deines Freundes angenommen hast, ist ein Fortschritt. Vor einem Jahr wäre das undenkbar gewesen.«

      »Ja, du hast recht.«

      »Und dann sitzt du bis morgens früh und plauderst! Großes Lob!«

      »Du sollst mich nicht verspotten, Madeleine.«

      »Ich verspotte dich nicht, Laertes.«

      »Du hast Bewusstsein und eine Persönlichkeit. Vielleicht hast du inzwischen tatsächlich so etwas wie eine Seele. Aber manche Dinge wirst du trotzdem nie begreifen. Weil du sie nicht nachempfinden kannst.«

      »Den Schmerz?«

      »Das Bewusstsein, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Das Gefühl des Unwiederbringlichen.«

      »Es tut mir leid. Ich wollte mich nicht über dich lustig machen. Aber ich denke, du kehrst trotz allem langsam ins Leben zurück. Es mag trivial klingen, zumal von einem Computer, aber du solltest jetzt nach vorne schauen, Laertes.«

      »Ich bin ja schon dabei.«

      Er schlüpfte ins Bett und deckte sich zu. Die Decke war leicht und angenehm. Das Fenster stand einen Spalt weit offen. Der Nachtwind führte das Geräusch der Brandung und den Geruch des Meeres mit sich.

      »Was gibt es Neues?«, fragte er. »Was machen unsere heldenhaften Freunde bei der Eroberung der Galaxis?!«

      »Oh, es gibt tatsächlich Neuigkeiten«, sagte Madeleine.

      »Offizielle?«

      »Nein.« Die KI klang beinahe so, als habe sie gekichert. »Nichts was du in den Nachrichten der Medien findest!«

      »Stabslog?«

      »Nicht einmal das!«

      »Jetzt spann mich aber nicht länger auf die Folter!«

      Laertes wusste, dass Madeleine bisweilen eigenmächtig geheime, streng geheime und absolut geheime Kanäle anzapfte. Er hatte sie dazu nicht ausdrücklich aufgefordert, aber er unternahm auch nichts dagegen. Sie hatte ihren eigenen Kopf. Und als ehemalige Bordentität des größten Schiffes


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