Lombok. Matthias Falke

Lombok - Matthias Falke


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spinnst!« Sie lachte ungläubig.

      »Komm«, rief er gutgelaunt. »Die Akademie ist ganz schön öde. Rogers’ Vorlesungen sind das Einzige, was interessant ist. Der ganze Rest, die Übungen, die Seminare ...« Er gähnte übertrieben.

      »Du meldest dich freiwillig auf einen Trip wie diesen, den du vermutlich nicht mal als Pflichtleistung anrechnen kannst?«

      Sie überlegte immer noch, ob er wirklich so – abgebrüht war oder ob er sie zum Besten hielt.

      »Ich würde als Attaché nach Sina City gehen, wenn es sein müsste«, erklärte er. »Nur weg aus diesem öden Kaff von Pensacola. Dort ist nichts!«

      »Du bist verrückt.« Sie kicherte. »In Pensacola sind – alle! Hunderte junger Kadettinnen!«

      »Du zum Beispiel bist jetzt hier.«

      »Lass das.« Sie schnitt ihn mit einer energischen Geste ab.

      »Was das Anrechnen angeht«, fuhr er unbeeindruckt fort. »Das kann ich sicher nicht, außer Rogers dreht irgendwas in der Verwaltung für mich.«

      »Du hast ein Stein im Brett bei ihm, was?«

      »Er mag mich.«

      Auch dieses Grinsen kam einen Tick zu selbstgewiss daher. Ladana seufzte. »Lass uns morgen weiterreden.«

      »Wie du meinst. Wer übernimmt die erste Wache?«

      Er weidete sich an ihrem erschrockenen Gesichtsausdruck. Die Müdigkeit hatte schon tiefe Riefen in ihr hübsches Gesicht geschnitten. Die Vorstellung, sich noch die halbe Nacht um die Ohren schlagen zu müssen, versetzte sie sichtlich in Panik. Aber da kam schon die Durchsage der Zentrale.

      »Die Wache übernimmt der Große Bruder.«

      »Gott sei dank«, stöhnte Ladana.

      »War interessant, eurer Unterhaltung beizuwohnen«, sagte der diensthabende Offizier auf der INSTRUCTOR noch.

      »Ach, fick dich!« Sie fuhr ihren Sitz zurück, so dass er eine schmale Liege bildete, und drehte sich auf die Seite.

      »Das will ich jetzt nicht gehört haben«, kam es aus den Lautsprechern. »Trotzdem eine gute Nacht, Team 12.«

      In den nächsten Tagen arbeiteten sie sich langsam weiter vor. Sie waren das letzte von zwölf mobilen Teams und folgten einem annähernd geraden Vektor nach Süden. Team 1 bewegte sich nach Südwesten, die anderen strahlenförmig dazwischen, so dass ihre Gruppe einen allmählich länger und breiter werdenden Fächer aufspannte. Im Angelpunkt saß die INSTRUCTOR. Sie kartierten das Gebiet optisch, geodätisch, mineralogisch und über seismische Sprengungen auch tiefengeologisch. Daneben nahmen sie Gesteinsproben, analysierten die Atmosphäre, vor allem im näheren Umkreis der Fumarolen, und sie stellten über Funk- und Laserverbindungen mit den jeweiligen Nachbarteams auch Werte wie die Staubkonzentration, die elektrische Leitfähigkeit oder das Magnetfeld fest.

      So warfen sie einen Kartenausschnitt von bald einigen hundert Quadratkilometern Fläche auf die sandige und vulkanische Kruste des Mondes Tawri. Gebirgszüge und trügerische Staubebenen verhinderten immer wieder, dass sie die Richtung akkurat einhielten. Andererseits ermöglichten es diese Abweichungen auch, dass die Teams einander auf Sichtweite nahe kamen. So experimentierten Norton und Ladana einen Vormittag lang mit dem von Kurtz geführten Team 11, indem sie einander Codes über optische und suboptische Laser zumorsten.

      Sie setzten Drohnen aus, die als fliegende Relais dienten und die auch schicke Bilder von den chromglitzernden Fahrzeugen lieferten, wenn sie die leuchtend ockerfarbene Staubfahnen über das erdbraune oder zinkoxidrote Land schleppten.

      In ihrem Rücken arbeiteten sich die Bodenteams hinter ihnen her. Diese Mannschaften waren größer, meist vier bis sechs Rekruten, bewegten sich aber langsamer, da sie zu Fuß oder mit schweren Scootern unterwegs waren, die auf Agrav-Schlitten große Materialmengen hinter sich herzogen. Die Pioniere errichteten umfangreiche Basen, die volle Autarkie herstellten und deren wissenschaftliche Maßnahmen ins Detail gingen, wo die mobile Teams nur im Vorbeifahren ein paar Sprengungen vornahmen und ein wenig Regolith von einer Felskruste kratzten.

      Ab und zu kam es zu kleineren Unfällen – jemand verbrühte sich die Hand, jemand verstauchte sich den Fuß oder schnitt sich beim Reinigen eines der komplexen Geräte –, aber insgesamt verlief der Einsatz während der ersten Tage störungsfrei. Und gerade diese kleineren Komplikationen waren es ja, weswegen man das Ganze abhielt. Auch wenn das nicht allen in derselben Deutlichkeit klar zu sein schien.

      »Was suchen wir hier eigentlich?«, fragte Ladana eines Abends, als sie es sich wieder einmal im Cockpit ihres Stallion gemütlich machten und die Synthetisatoren anfuhren.

      Norton starrte sie an. Dann gluckste er. Ihm war schon während der Briefings aufgefallen, dass sie vor sich hingedöst und nicht richtig aufgepasst hatte. Sie trug Innenohr-Implantate, über die sie gerne und viel und vor allem laut Musik hörte. Offenbar hatte sie gar nicht mitbekommen, worum sich der Einsatz drehte!

      »Das weißt du nicht?«, fragte er amüsiert.

      »So ungefähr«, sagte sie ausweichend. »Wir suchen doch hier irgendwas!«

      Ihr Blick flackerte unsicher. Aber ihr drohend vorgeschobener Unterkiefer signalisierte, dass sie bereit, sofort loszuschmollen, wenn er anfing, sie zu belehren.

      »Wir tun so, als ob wir etwas suchen«, sagte er schmunzelnd.

      »Wir tun nur so?«

      »Ladana.« Er ignorierte das gefährliche Blinzeln ihrer schönen Augen. »Das ist eine Trainingsexpedition. Wir simulieren das Prozedere einer Explorermission. Nebenbei testen wir die Ausrüstung. Das meiste sind Prototypen. Hast du während der gesamten Einweisung geschlafen?«

      »Nein, schon klar.« Sie schmollte.

      Er lächelte nachsichtig. »Letztlich geht es um ein paar schöne Bilder!«

      »Drehen wir einen Film?«

      »Die Mission wird in einem professionellen Breitband-Holo dokumentiert. Das ganze wird dann zu einem Werbevideo geschnitten. Reklame für die Enthymesis-Flotte! Und für die Firmen, die die Ausrüstung liefern. Schon mal was von Drittmittel-Sponsoring gehört?«

      »Ja, Herr Klugscheißer!«

      »Na also, dann weißt du ja bescheid.« Er streckte die Hand aus und zupfte an ihrem Haar, das allmählich strähnig wurde, wie viel sie auch an den langen Abenden daran herumkämmte. »Immer schön in die Kamera lächeln!«

      Sie senkte die Stimme. »Meinst du, unsere Ringkonferenzen beim Essen schneiden sie auch mit?«

      »Auf alle Fälle. Solche Sachen kommen immer gut. Sympathische und attraktive Leute, die gut gelaunt spannende Abenteuer auf exotischen Randwelten erleben!«

      »Ich bin Modell in einem Clip?« Sie schlug seine Hand weg, aber nur um selbst ihre verfilzten Haare durch die Finger gleiten zu lassen. »Ich meine, wenn wir draußen sind und uns meinetwegen die Drohnen filmen, haben wir ja wenigstens die Helme auf. Aber hier drin ...«

      »Hier drin sieht man alles.« Er zwinkerte ihr zu. »Fast alles.«

      Darauf ging sie nicht ein. »Hätte man da nicht unsere Einwilligung einholen müssen? Oder machen sie das noch, bevor sie das Material ausstrahlen?«

      »Weder, noch«, sagte er traurig. »Mit der Rekrutierung hast du einer Einschränkung deiner Persönlichkeitsrechte zugestimmt. Wenn sie dich nicht gerade beim Pinkeln filmen, können sie mit dem Material machen, was sie wollen.« Er legte den Kopf schief und betrachtete ihre Verblüffung. »Du bist Soldatin, Private Zol!«

      »Scheiße.«

      »Pssst.« Norton legte den Finger auf den Mund.

      »Was?«

      »Feind hört mit.«

      Erschrocken sah sie zur Konsole, über die sie mit der Zentrale verbunden waren. Dann zeigte sie dem Gerät den Finger. »Scheiß drauf«, knirschte


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