Lombok. Matthias Falke
holografischen Module eine und warf sich gegen die Kuppelwände. »Zentrale, bitte kommen!«
»Ich höre Sie, Norton!«
»Ich kann Sie kaum verstehen!« Norton musste Ladanas Blick ausweichen, um sich nicht durch Lachen zu verraten. »Hier zieht ein Sandsturm auf. Ich fürchte, der Kontakt bricht gleich zusammen.«
»Ich sehe hier nichts von einem Sandsturm.«
»Sind Sie hier oder ich?«
»Norton, wenn das einer ihrer billigen ...«
»Zentrale, Zentrale, sind Sie noch da?«
»Ich bin da.« Die Stimme des Offiziers verriet, dass er zwischen zwei Optionen schwankte. Sollte er das ganze als Scherz auffassen und entsprechend reagieren? Aber wenn doch etwas daran war, saß er auf der falschen Seite, wenn die Sache hoch kochte. »Wäre es nicht besser, in den Stallion zurückzukehren?«, fragte er.
»Negativ«, schrie Norton in die vorgehaltene Hand hinein. »Der Sturm ist zu stark.«
»Ich versuche auf die Systeme ihres Fahrzeugs zuzugreifen, aber ich bekomme keinen Kontakt.«
»Hören Sie mir zu?«, rief Norton verbittert. »Hier herrschen starke atmosphärische Störungen. Sandsturm plus elektrische Entladungen. Wir bleiben im Zelt, bis das vorüber ist. Da sind wir sicher. Im Freien ist der Aufenthalt nicht zu empfehlen. Hier schlagen immer wieder Dinge ein, die wie Kugelblitze aussehen. Der Gang zum Stallion ... Hallo? Sind Sie noch da?«
Ohne eine weitere Antwort der Zentrale abzuwarten, schaltete er die Übertragung ab.
Ladana biss sich auf die Lippe.
Plötzlich war es ganz still im Zelt, nachdem der inszenierte Sandsturm ihnen in den Ohren gegellt hatte.
»Den sind wir los«, sagte Norton.
Ganz langsam stand Ladana auf. Den Helm hatte sie schon abgelegt. Jetzt zog sie die Stiefel aus und schälte sich elegant aus ihrem Anzug. Norton nahm den Blick nicht von ihr, während er ebenfalls den Anzug öffnete. Nach einer effektvollen Pause strippte sie das mausgraue sensorielle Unterzeug herunter.
Norton sog ihren Anblick auf wie einen ätherischen Duft.
Dann stürzte er sich auf sie.
Kapitel 3. Am Strand von Marathon
»Und, hast du was?« Sie konnte kaum noch stillsitzen.
»Leider nein.« Der alte Kybernetiker schüttelte den Kopf. Es war knapp ein Jahr, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, damals war sie stolz nach Mariafels aufgebrochen, als jüngster Zögling des Elitestifts seit dessen Bestehen. Jetzt war sie wieder hier. Es kam ihr gleichzeitig weniger und mehr vor als ein Jahr. Und ihr väterlicher Freund schien das zu bestätigen. Sein Haar und sein Bart waren bereits von grauen Strähnen durchzogen. Der leidende Zug in seinen hageren, asketischen Zügen war einer Gelassenheit gewichen, für die Weisheit vielleicht nicht einmal das falsche Wort war. Seine schmale, hoch aufragende Gestalt hatte etwas Entrücktes bekommen. Aus dem Programmierer war endgültig ein Philosoph geworden.
»Gar nichts?!« Jennifer wollte es nicht glauben.
Laertes sah sie schweigend an. Sie sah, dass er nachdachte. Nicht über die Sache, sondern über die Art, wie er sie ihr schmackhaft machen sollte.
»Dieser Jeremy«, begann er behutsam.
»Ja?«
»Es sieht aus, als habe er nie existiert.«
»Aber er hat existiert«, brauste sie auf. »Er existiert! Ich habe fast ein Jahr mit ihm zusammen gelebt und gearbeitet.« Sie sah den Freund an. »Ich habe mit ihm geschlafen.«
»Das will ich gerne glauben.« Laertes schmunzelte nachsichtig. »Ich will dich ja nicht der Lüge zeihen. Aber hier drin« – er deutete auf das Tablet, an dem er über eine Stunde lang gesessen hatte –»hier drin existiert er nicht.«
»Wenn ihn jemand findet, dann du!«
»Genau das meine ich. Er existiert in der realen Welt, zweifellos. Aber in dieser Welt, auf die ich Zugriff habe, existiert er nicht.«
»Wie kann das sein?!«
Laertes legte die langen, schmalgliedrigen Hände ineinander, mit denen er die holografischen Menüs seiner Suchalgorithmen bearbeitet hatte wie ein Klaviervirtuose sein Instrument.
»Ich will keine Verschwörungstheorien in die Welt setzen«, sagte er in seiner behutsamen Art, »aber ich kann es mir eigentlich nur so erklären, dass er bewusst und äußerst professionell aus allen Systemen entfernt wurde.«
»Sie haben ihn verschwinden lassen.« Jennifer sprang von dem weißen Naturledersofa, auf dem sie mit untergeschlagenen Beinen gesessen hatte, und ging nervös im großen Salon auf und ab. Sie trug nur eine Boxershorts und ein Bikini-Oberteil. Der Frühsommer war bereits sehr heiß. Ihr dunkelblondes, schulterlanges Haar wischte über ihre nackten, schweißglänzenden Schultern. Sie hatte immer wieder versucht, es zu einem Pferdeschwanz zusammenzufassen. Aber das hatte nie länger als ein paar Minuten gehalten. Sie konnte ja doch nicht stillsitzen. Ihre braunen Augen glitzerten angriffslustig.
»Du hast gemeint«, sagte Laertes, »seine Familie sei sehr – einflussreich.«
Jennifer hielt auf ihrer erregten Wanderung inne und starrte ihn an.
»Auf alle Fälle haben sie Geld.«
»Das meine ich.«
»Ich weiß nicht, was sie genau machen. Ehrlich gesagt, haben wir uns über alles mögliche unterhalten, aber nicht über unsere Familien. Immerhin besitzen sie dieses Chalet. Und auch sonst ...«
»Das genügt schon«, sagte Laertes, wobei er offen ließ, ob er Jennifer Auskunft oder die Erwähnung des Vermögens meinte. »Es ist eine andere Art von Einfluss, als ihn beispielsweise dein Vater hier in Pensacola und in der Union hat ...«
Jennifers Miene nahm einen lauernden Ausdruck an.
»Aber es ist auch ein Einfluss, vermutlich ein mächtigerer und weiterreichender.«
»Geld regiert die Welt«, sagte sie voller Verachtung.
»Geld ermöglicht es, die Welt zu verlassen, zumindest diese hier.« Er deutete wieder auf sein elektronisches Gerät.
»Auch die wirkliche?« Sie nahm im Vorübergehen die Kanne mit der selbstgemachten Limonade von der Anrichte und goss ihnen beiden nach. »Meinst du, sie haben ihn auf eine der Kolonien gebracht.«
Laertes seufzte schwer. Sie konnte spüren, wie etwas in ihm aufbrach. Er versuchte es für sich zu behalten. Aber sie kannte ihn und seine Geschichte gut genug, um zu wissen, dass das ganze ihn nicht kalt ließ.
»Das ist Spekulation, Jennifer«, sagte er mit einem Ausdruck von Qual in den ausgezehrten Zügen. »Und diese Spekulation wird dich auffressen, wenn du erst einmal anfängst dich ihr hinzugeben.«
»Ich soll ihn mir aus dem Kopf schlagen«, sagte sie düster und ohne den Satz in Frageform zu kleiden.
»Ich denke, das ist es, worauf es hinausläuft.« Er sah sie offen an. Seine Augen schimmerten ein wenig. Sie wusste nicht, ob er in diesem Moment noch an sie und Jeremy dachte – oder an die Verlobte, die er vor über zwei Jahrhunderten irdischer Zeit zurückgelassen hatte.
»Okay ...« Sie legte die Hände aneinander und zupfte mit den Fingerspitzen an ihren Lippen. »Das klingt zunächst einmal sehr logisch und vernünftig ...«
»Du bist ein starkes Mädchen«, sagte Laertes. »Du wirst es schaffen. Im Augenblick denkst du natürlich nicht so, aber es gibt jede Menge attraktiver junger Männer da draußen, gerade hier in Pensacola.«
Sie erwiderte seinen Blick und nickte. Dann nahm sie ihre Wanderung wieder auf.
»Weißt du«, sagte sie nach einer Weile, »das Seltsame ist, dass ich, dass wir beide das die ganze Zeit geahnt haben. Dieses gemeinsame Jahr