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das ist ein ziemlich einfaches BASIC-Programm. Jede Zeile beginnt mit einer Nummer und enthält eine oder mehrere Anweisungen. Wenn ich jetzt den Befehl RUN tippe und die Return-Taste drücke, arbeitet der Atari die Zeilen von oben nach unten ab.«
»Und das soll ein Spiel sein?«
»Es ist eins«, sagte ich fest. »Ein sehr einfaches. Aber es ist tatsächlich eines, bei dem man mit einer guten Strategie schneller zur Lösung kommt als mit einer schlechten. Das ist wichtig bei Spielen. Es gibt immer ein Ziel und verschiedene Möglichkeiten, es zu erreichen. Bist du ein guter Spieler, erreichst du das Ziel schneller. Ein Spiel ist eine Art Test.«
»Du willst mich testen?«
Statt einer Antwort startete ich das Programm, das uns aufforderte, eine Zahl zu erraten. »So, der Atari hat sich jetzt eine zufällige Zahl zwischen eins und zehn ausgedacht, und wir müssen sie erraten.«
»Fünf«, sagte Anna.
»Sehr gut«, sagte ich und tippte auf die Taste mit der Ziffer 5, dann auf Return. Der Computer antwortete »Zu klein.«
»Acht«, sagte Anna.
»Kennst du das Spiel?«, fragte ich, denn sie hatte auf Anhieb die richtige Strategie gewählt.
»Ich rate.«
»Du rätst gut.« Ich gab die 8 ein und zeigte auf den Bildschirm. »Gratulation, du hast gewonnen. Das ging ziemlich schnell. Wir können den Glücksfaktor verringern, indem wir Zahlen zwischen 1 und 1000 nehmen.«
»Und wer soll das kaufen?«
Ich drehte mich zu Anna um. »Wie meinst du das?«
Sie warf mir den Elefanten zu und griff zum Nashorn. »Mein Vater sagt immer: Was niemand kauft, taugt nichts. Keiner würde dein Spiel kaufen.«
»Es ist ja auch ein sehr einfaches Spiel. Ich wollte dir nur zeigen, dass ...« Ja, was eigentlich? Wollte ich ihr beweisen, was für ein toller Hecht ich war, indem ich einen Computer, der sie nicht interessierte, mit einem Spielchen fütterte, das sie nicht interessierte? Oder hatte mich eine unsichtbare Macht dazu gezwungen, irgendein Spiel zu programmieren, und dieses war mir als erstes eingefallen, weil ich es in der Bücherei in einer Computerzeitschrift gesehen hatte?
»Kannst du ein besseres Spiel programmieren?«, unterbrach Anna meine Gedanken. »Eines, das, sagen wir … tausend Leute kaufen, zu einem Preis von … 20 Mark?«
Ich zuckte mit den Schultern und zeigte auf den Atari. »Man braucht nur eine Idee und etwas Zeit. Na ja, und man muss sich um Vervielfältigung und Verkauf kümmern, dazu braucht man eine Datasette oder ein Diskettenlaufwerk. Man muss eine Anleitung schreiben und eine hübsche Verpackung entwerfen. Dann muss man eine Anzeige in einer Zeitschrift schalten und warten. Aber im Prinzip spricht nichts dagegen.« Ich streichelte den Elefanten. In die Stille hinein knurrte mein Magen. Ich sah auf die Uhr: Viertel vor Sechs. »So ein Computer ist zwar nur ein Kasten mit etwas Elektronik drin. So ähnlich wie ein Videospiel. Aber mit einem entscheidenden Unterschied: Man kann unendlich viele Dinge damit tun. Man kann etwas erschaffen, das es vorher nicht gab. Eine eigene Welt.«
»Eine eigene Welt«, wiederholte Anna geistesabwesend und streichelte ihr Nashorn.
Zum ersten Mal im Leben wünschte ich mir, ich wäre ein Kuscheltier.
Als ich später Tommy davon erzählte, behauptete er allen Ernstes, dass ich alles total verkehrt anstellte. Man müsse ein Mädchen zu einem Eis oder ins Kino einladen!
Den Nieselregen als Argument gegen die Idee mit der Eisdiele ließ Tommy zum Glück gelten. Allgemein war er der mutigere von uns beiden. Er warf mir dauernd vor, dass ich schüchtern war, und das zu Recht.
»Sagte ich schon, dass du ein behämmerter Idiot bist?«, raunzte er mich an und schüttelte verzweifelt den Kopf. »Besucht ein Mädchen und streichelt bloß ihren Elefanten.«
»Ich wollte nicht rausgeschmissen werden.«
»Mich wundert, dass sie nicht vor Langeweile eingeschlafen ist.« Tommy machte die Augen zu, den Mund auf und schnarchte.
Er war mein bester Freund. Mein einziger, genau genommen. Gut, er existierte nur in meiner Fantasie, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass die Anzahl meiner Freunde genau Eins betrug. Natürlich hatte ich Schulkameraden. Aber richtige Freunde sind Typen, die nicht bloß mit dir abhängen, sondern die sofort da sind, wenn‘s dir dreckig geht, und die dir Bescheid stoßen, wenn du Mist gebaut hast. Was ist ein Junge ohne Freunde? Einsam. Ich wollte nicht einsam sein. Meine Schulkameraden waren manchmal ganz okay. Aber keine Freunde. Ich führte sogar eine Liste über die Gründe. Für Tommy gab es eine solche Liste nicht. Das wäre mir dann doch komisch vorgekommen. Komischer jedenfalls, als abends im Bett Selbstgespräche zu führen.
Kurz vorm Einschlafen meinte Tommy noch, etwas mehr Mut könne auch einem unverbesserlichen Idioten wie mir nicht schaden, notfalls müsse man ihn mir einprügeln.
»Fang schonmal ohne mich an«, murmelte ich schlapp, dann umfingen mich süße Träume.
Donnerstag
Nach der Informatik-Stunde hatten wir Pause. Der Computerraum der Schule war ausgestattet mit acht nagelneuen Apple IIe-Rechnern, jeder besaß zwei Floppy-Laufwerke, einen Bernstein-Monitor und die meisten stürzten öfter mal ab. Wir programmierten in Pascal, einer Sprache, die im Gegensatz zu BASIC saubere Programmstrukturen ermöglichte. Befehle wie if-then-else oder gar repeat-until musste man in BASIC immer mit GOTO-Befehlen simulieren. Unserer Lehrer impfte mir dankenswerterweise eine geradezu neurotische Abneigung gegen GOTO ein, die bis zum heutigen Tag anhält.
Der Apple IIe war ein mehrere tausend Mark teurer Rechner, dem so ziemlich alles fehlte, was einen Homecomputer auszeichnete, obwohl er auch bloß über einen 1 MHz schnellen 6502-Prozessor verfügte. Man konnte ihn nicht ohne weiteres an den Familien-Fernseher anschließen, und Joystick-Buchsen suchte man ebenfalls vergebens. Dafür stellte er 80 Zeichen pro Zeile dar und konnte mit weit mehr als 64 K RAM ausgerüstet werden. Ein Profi-Gerät, keine Option für den eigenen Wunschzettel.
Auf dem Weg in die Pause sah ich Anna zufällig auf der Treppe, die zum Schulhof führte. Ich fand nach dem gelungenen Montagnachmittag überhaupt nichts mehr dabei, sie auch in der Öffentlichkeit anzusprechen. Früher hätte ich das nie gewagt. Es gab Tabus, gegen die man lieber nicht verstieß. Zwar waren die möglichen Strafen unklar, aber mit Sicherheit beschämend. Tuscheln und Flüstern, Grinsen und Gelächter. Fingerzeigen, erröten … letztlich also ein Schicksal schlimmer als der Tod.
»Na, sollen wir mal wieder ...«, begann ich, wurde aber gleich unterbrochen.
»Pssst«, machte Anna und sah in alle Richtungen, als dürfe keinesfalls jemand sehen, was hier gerade geschah. Oh Gott, ich hatte das Tabu gebrochen! Mein Ende war nah, und Tommy würde nachher sagen: »Selbst schuld, kein Mitleid.«
Allerdings stieß sie mich nicht fort, sondern zog mich in den Gang, der zu den Klassenräumen der Mittelstufe führte. Während der Pause hatten wir hier nichts zu suchen, so dass ich mich nervös nach Lehrern umsah, die uns umgehend verscheuchen würden.
»Ich habe nachgedacht«, zischte Anna im Verschwörertonfall. »Kann man in ein Computerspiel Bilder einbauen?«
»Bilder?«
»Fotos.«
»Hm«, machte ich. »Nicht ohne weiteres.«
»Wie mein Vater sagte.« Anna winkte ab. »Diese Computer sind zu nichts zu gebrauchen.« Sie wandte sich ab, aber ich hielt sie am Arm fest.
Sie fuhr herum. Wäre sie eine Katze gewesen, hätte sie gefaucht. Ich zog meine Hand zurück, als hätte mich ein elektrischer Schlag getroffen.
»Warum hast du das gefragt?«
Abschätzend sah mich Anna an, als wäre sie nicht sicher, ob ich es wert war, ihr Geheimnis zu erfahren. Dann sah sie plötzlich an mir vorbei. »Schnell weg«, zischte sie.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Wir