Der junge Häuptling. Liselotte Welskopf-Henrich

Der junge Häuptling - Liselotte Welskopf-Henrich


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übrig. Als ich gefangen war, musste ich auch so eine Witwe heiraten. Bin bald wieder ausgerissen! Und du bist deinen sieben Großmüttern, Tanten und Nichten entkommen, Kraushaar. Gratuliere! Du bist also kein schlauer Tschapa mehr, sondern unser Bobby geworden!«

      Die beiden fielen sich wieder an die Brust.

      »Vielleicht kommen wir heute noch mal zur Sache!« Pitt dachte an das Wettgeschäft und wurde ungeduldig. »Bobby, hör zu, du bist Capt’n beim Stockball? Bei der blauen Partei?«

      »Bin ich! Bin ich!«

      »Und wie steht’s? Siegt deine Mannschaft?«

      »Soll ich sie machen siegen?«

      »Was heißt das? Geht’s nicht ehrlich zu?«

      »Ehrlich, ehrlich, ganz wahrhaftig!«

      »Weißt du, wie die rote Partei spielt? Wer ist ihr Capt’n? Kennst du ihn?«

      »Steht da drüben! Gewaltiger Indsman. Ein Ponka!«

      Die Blicke richteten sich auf den Indianer, der in der Nähe des gegenüberliegenden Torzeltes stand. Er war groß, sehr schlank, in buntes Baumwollzeug, aber nicht geschmacklos gekleidet. Sein langes blauschwarzes Haar hatte er in Zöpfe geflochten. Das hagere Gesicht war bemalt. Die Farben waren so dick aufgetragen, dass sich die natürlichen Züge überhaupt nicht mehr erkennen ließen. In seinem Gürtel steckte ein Revolver. Sonst war keine Waffe an ihm zu sehen. In der Hand hielt er den Schlagstock, der einem Hockeyschläger ähnlich geformt war. Nicht weit von ihm stand seine Gruppe indianischer Stockballspieler.

      »Was hältst du von ihm?«, drang Pitt in den Neger.

      »Weiß nicht, meine Freunde, wie Jack der Ponka spielen will. Wenn er hat Laune, gut zu spielen, bin ich besiegt. Hat er Laune schlecht, treibe ich den Ball in sein Tor.«

      »Laune gut! Laune schlecht! Laune schlecht! Laune gut! Sollen wir erst um die Laune eines Indsman würfeln?! Kann dem Kerl keiner Bescheid sagen, wie er zu spielen hat?!«

      Bobby, der Athlet, zog die Schultern bis zu den Ohren hoch. »Kann ihm keiner Bescheid sagen! Jack der Ponka tut, was ihm passt. Soll ich ihn bitten, einen Tipp zu geben?«

      »Ihr beiden Captains müsst was miteinander ausmachen!«, schlug Pitt vor. »Den Gewinn schöpfen wir zusammen ab!«

      Der Neger wiegte den Kopf und zeigte die Perlenzähne. »Indianer immer halsstarrig! Aber ihr seid meine Freunde! Ich werde versuchen, mit Ponka zu reden!«

      So ging die Gruppe, die nun schon aus sechs Mann bestand, am Rande des Spielfelds entlang zur anderen Partei hinüber.

      Der Ponka schaute den Herankommenden entgegen. Er hatte den Spielstock in der Rechten und wippte leicht damit. Die blauschwarze Bemalung machte es unmöglich, einen Ausdruck in seinem Gesicht wahrzunehmen. Aus dem Spielen seiner Hand, aus der Haltung seiner Schultern, aus der halben Wendung des Kopfes sprachen aber betonter Hochmut und eine nur nachlässige Aufmerksamkeit.

      »Jack!«, redete Tschapa Kraushaar den Indianer an, »hier bitten fünf ehrenwerte Gentlemen um deine Aufmerksamkeit! Sie möchten auf einen von uns wetten. Bisschen was gewinnen, bisschen lustig leben, ehe die vier da wieder zum Niobrara reiten müssen – willst du ihnen einen Rat geben?«

      Der Ponka hörte auf, mit dem Spielstock zu wippen, und blieb einen Augenblick unbeweglich. Pitt schaute in das blauschwarz bemalte Gesicht, in diese Maske eines Menschen, hinter der selbst die Augen unter gesenkten Lidern verborgen blieben. Es rieselte ihm plötzlich kalt über den Rücken, und er griff unwillkürlich nach seinem Amulett. Aber er hatte nicht Zeit, weiter darüber nachzudenken, was ihn erschreckt hatte, denn der Indianer antwortete leise: »Bobby wird Sieger sein.«

      Beim letzten Wort hatte er sich schon abgewandt, ließ die sechs stehen und ging daran, seine Spielergruppe einzuteilen.

      Die Rauhreiter schauten sich verblüfft an.

      »Das hat ja schnell funktioniert!«, meinte der kleine Josef. »Hier auf Randall geht wohl alles wie geölt! Gleich nach Sonnenaufgang beim Leutnant empfangen – Verstärkung schon zugesagt – und jetzt auf Anhieb der Tipp erteilt! Was hat denn der Ponka für einen Vorteil dabei, wenn er dich gewinnen lässt, Bobby?«

      Der Neger lächelte überlegen. »Jack der Ponka hat gute Laune und ist Bobbys Freund!«

      »Das versteh, wer will!«

      »Los, los! Wir müssen jetzt schnell sein!«, flüsterte Pitt. »Überall erzählen, dass Jack der Ponka siegt! Dann steigt unsere Quote, wenn wir auf Bobby wetten. Bobby, du bist Gold wert!« Pitts offene Nasenlöcher wirkten in diesem Augenblick freundlich. Er roch Geld.

      Die sechs verteilten sich, um den Wettschwindel zu organisieren. Kurz ehe das Spiel begann, trafen sie sich wieder und legten alle Geldbeträge zusammen, die sie nur irgend aufbringen konnten. Louis, der Kanadier, wurde als gemeinsamer Wettbankier gewählt. Bobby leistete eine erstaunlich hohe Einlage.

      »Bobby Kraushaar!«, sagte Tom überrascht und strafend, »woher hast du so viel Geld? Bist du unter die Diebe gegangen?«

      »Tom ohne Hut und ohne Schuhe! Ich habe ein wenig gehandelt.«

      »Das hast du ja schnell gelernt.«

      Louis, der Kanadier, ging mit den gesammelten Wetteinsätzen nicht zu dem zahnlosen Ben, über den sich die Rauhreiter geärgert hatten, sondern zahlte den Gesamtbetrag bei Johnny, dem großen fetten Händler mit dem schütteren Haar, ein, und zwar im letzten Augenblick vor Beginn des Spiels, damit sich die anderen Wetter nicht mehr danach richten konnten.

      Der Neger begab sich zu seiner Mannschaft, die aus dreißig Mann bestand. Das Spiel setzte ein. Der harte kleine Ball wurde geschlagen und flog über den grasigen Boden. Die Spieler rannten gewandt und geschwind. Sie jagten aneinander vorbei und nahmen sich den Ball vom Stock weg. Bobby und Jack hielten sich noch zurück, doch wurde den Kennern schon klar, was in diesen beiden Spielern an Schnelligkeit, Wendigkeit und Umsicht steckte. Die Zuschauermenge vergrößerte sich rasch. Die Wetter feuerten die Spieler an. Nach den Soldaten kamen auch Offiziere aus dem großen Tor heraus. Einer folgte dem anderen, um dem immer lebhafter werdenden Spiel zuzuschauen.

      Alle waren sehr überrascht, was für gute Mannschaften sich Bobby und Jack aus den bunt gekleideten, verluderten und versoffenen Indianern rings um das Fort zusammengestellt hatten. Auch unter den Indianern, die zuschauten, schlug plötzlich das Feuer des Stolzes hoch, als sie ihresgleichen gut spielen sahen. Aus ihren Reihen bildete sich spontan eine Ordnergruppe, die die Zuschauer von dem großen Spielfeld fernhielt.

      Die beiden Mannschaftsführer gingen aus sich heraus und spielten hervorragend.

      »Bobby! Bobby!«

      »Jack! Jack!«

      »Donnerwetter, können die spielen!« Louis, der Kanadier, war begeistert. »Da hätte ich mitmachen sollen!«

      Nachdem die ersten drei Tore errungen waren und das Spiel 2:1 für die rote Partei stand, konnte fast zwei Stunden hindurch keine Partei mehr den Ball in das Zelt der anderen treiben.

      Es war vorgesehen, das Spiel bis zum Einbruch der Dunkelheit fortzusetzen. Gegen Mittag wurde die erste längere Pause eingelegt. Es stand noch immer 2:1.

      Da Jack der Ponka gleich zu Beginn der Pause verschwand, war es Bobby, der der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und Neugier wurde. Er gab den erstaunten Zuschauern und eifrigen Wettern ein Interview nach dem anderen. Sogar der Kommandant und der elegante Leutnant Roach fanden es nicht unter ihrer Würde, den »Nigger« anzusprechen. Die Spielstärke der beiden Mannschaften wurde allgemein diskutiert. Bobby heimste zahlreiche Zigarren und Zigaretten ein und orakelte freigebig und widersprechend über den Ausgang des Spiels. Als die Spieler sich ausgeruht hatten und das Spiel wieder aufgenommen werden sollte, war auch der Indianer wieder pünktlich zur Stelle.

      »Den Jack und den Bobby scheint das nicht einen Tropfen Schweiß zu kosten!«, sagte ein Dragoner neiderfüllt. »So ’n Herz und so ’ne Sehnen wie die müsste man haben! Sagenhaft!«

      Das Spiel


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