Herzensöffnung (2): Versöhnung. Hero Leander
bekommen hat, dann beginnen Sie bitte dort zuerst. Dieses Haus muss schnell fertig werden, schon wegen des Kindes, das Ende März zur Welt kommen will. Als Zweites sollte Ihr Ferienhaus fertig werden, damit wir etwas vorzeigen können. Wenn sich bis März noch welche entschließen, sollten sie auch gleich mit berücksichtigt werden. Wer sich erst entscheidet, wenn die Baggerarbeiten abgeschlossen sind, der muss bis September warten. Auch dann geht der Bau nur weiter, wenn es mindestens fünf Interessenten sind. Wegen ein oder zwei Ferienhäusern lohnt sich der Aufwand nicht.“
Olaf nickte. „Ich werde alles so machen, wie Sie es sagen.“ Dann fragte er: „Wann werde ich das erste Mal Geld bekommen?“
„Gehaltszahlung ist in unserer Firma immer am Monatsende. Ich denke, dass es in der letzten Woche im Januar sein wird. Kommen Sie bis dahin aus?“ Wolfram fühlte plötzlich wieder, wie wenig Geld sie zur Verfügung hatten.
Olaf aber meinte: „Wir werden bis dahin auskommen müssen. Das wird schon irgendwie gehen.“ Dabei versuchte er so locker wie möglich zu sein.
Wolframs Blick zu Ivonne sagte ihm, dass diese Lockerheit nur gespielt war und Jansens wirklich am Existenzminimum lebten. Deshalb sagte er: „Vielleicht kann ich erreichen, dass man Ihnen einen Vorschuss zahlt, da Sie in der kurzen Zeit schon einiges geleistet haben. Dann brauchen Sie auch Geld, wenn Sie zu persönlichen Absprachen nach Bergen müssen. Heben Sie auf jeden Fall alle Quittungen und Belege auf, wenn Sie für die Firma Geld ausgeben. Ich denke da an Busfahrten und Ähnliches. Diese Ausgaben bekommen Sie von der Firma natürlich zurück, wenn Sie sie mit Belegen nachweisen können.“
Kurz darauf verabschiedeten sie sich. Wolfram umarmte Ivonne und danach auch Olaf. Der Abschied fiel allen nicht leicht.
Als sie alle wieder am Tisch in Kjelds Wohnzimmer saßen, meinte Wolfram: „Sven, ich könnte mir vorstellen, dass ein engerer Kontakt mit Olaf Jansen günstig für euer Vorhaben mit dem Haus sein könnte. Jansens sind sehr einfache, aber von Grund auf ehrliche Leute. Dann könntest du auch manches im Hotel besser organisieren, wenn du diesen Kontakt pflegst. Olaf wird hier im Dorf der Organisator des Baus und auch manch anderer Dinge sein. Ich glaube, dass eine Zusammenarbeit mit ihm auch dem Hotel nützen könnte. Nimm einfach mal an, hier im Dorf findet sich jemand für diese Bäckerei-Idee oder für den Souvenirladen. Beides würde auch das Hotel attraktiver machen. Ihr solltet überhaupt mehr zusammenarbeiten. Bis jetzt habt ihr eher in Konkurrenz gestanden. Tauscht euch aus und bietet nie das Gleiche an. Sprecht euch ab. Teilt euch so den Service für die Urlauber. Ich denke, dass es eine gute Idee ist, wenn Dorf und Hotel zusammenwachsen. Einigkeit macht stark! Das ist ein altes deutsches Sprichwort.“
„Vielleicht hast du recht“, meinte Sven. „Jetzt, da wir einen neuen Betreiber haben, der offensichtlich mehr Wert darauf legt, dass die Angestellten im Interesse des Hotels denken und handeln, kann so eine Zusammenarbeit doppelt gut sein. Man erwartet jetzt auch von mir Ideen zur Verbesserung der Auslastung des Hotels. Nur habe ich absolut keine Ahnung, wie man diese Auslastung verbessern kann.“
„So schwer ist das gar nicht. Du musst nur großflächiger denken. Wer kennt denn schon euer Hotel? Kaum jemand, außer ein paar Reisebüros. Und was kann euer Hotel bieten? Außer Landschaft, Ruhe und Langeweile kaum etwas. Hier solltest du ansetzen. Das Hotel muss attraktiver werden. Mach einen Vertrag mit dem Blumenladen, dass sie täglich Tischschmuck und einige Sträuße für den Verkauf liefern. Bei Bedarf kann man das erhöhen. Hängt euch an den Fotografen für die Postkartenherstellung. Das Hotel braucht dringend eigene Postkarten, ebenso vom Dorf und von Bergen. Bietet Briefmarken mit an. Das alles sollte es auch an der Rezeption zu kaufen geben. Außerdem solltet ihr einen Flyer vom Hotel erstellen lassen. Der müsste dann in jedem Zimmer ausliegen, damit jeder Urlauber ihn mitnehmen und bei sich zu Hause Werbung für euer Hotel machen kann. Auch ist das Internet im Kommen. Ihr solltet über einen Internetauftritt nachdenken. Besprich diese Ideen mit deiner Chefin. Sie wird dir sicher zuhören, denn sie ist ja auch im Zugzwang.“
„Bei dir klingt das alles so einfach. Wo nimmst du nur all diese Ideen her?“, fragte Sven.
„Na ja, euer Hotel ist nicht das erste, in dem ich gewohnt habe. Ich habe schon oft Urlaub in Hotels gemacht und im Süden ist die Konkurrenz zwischen den Hotels viel größer als hier. Das, was ich dir gerade erzählt habe, ist das, was ich dort kennengelernt habe. Das sind nicht meine Ideen. Und wenn du mal ein Problem bezüglich des Hotels hast, dann frag mich. Vielleicht kann ich dir dabei mit meinen Hotelerfahrungen nützen.“
„Danke! Das würde mir bestimmt helfen“, antwortete Sven.
Sie besprachen noch viel, denn es war ja Wolframs und Marias letzter Tag in Håp Land. Am Abend verabschiedeten sie sich, denn sie wollten früh vom Hotel aus zum Flughafen fahren.
Annefried Lizell umarmte noch einmal alle ganz herzlich, besonders Wolfram. „Du hast so viel Freude in unsere Familie gebracht. Dafür danke ich dir! Werde ganz, ganz glücklich mit Maria.“ Weiter kam sie nicht, denn dicke Tränen liefen über ihr Gesicht.
Kjeld Lizell umarmte seine Tochter und auch seinen Schwiegersohn. „Du hast Wort gehalten. Das finde ich sehr anständig von dir. Das hätte mir mal einer sagen müssen, dass ich freiwillig einen Deutschen umarme.“
„Und bitte vergesst nicht, dass ihr im Juni bei uns eingeladen seid“, wiederholte Wolfram.
Da meinte Sven: „Ich kann nicht versprechen, dass ich im Juni Urlaub bekomme. Unsere Chefin bekommt vermutlich Druck vom neuen Eigentümer des Hotels. Da könnte sie in der Saison eventuell Urlaubssperre aussprechen.“
„Dann fordern wir dich eben wieder als Dolmetscher an. Das hat voriges Jahr auch geklappt.“
Sven war sich da nicht so sicher. „Voriges Jahr durfte sie noch alles selbst entscheiden. Für dieses Jahr habe ich echte Bedenken. Aber wenn ich nicht mitkommen kann, dann fährt Andrea eben allein.“
„Allein sicher nicht!“, sagte Maria lachend. „Oder willst du dann euer Kind stillen?“ Alles lachte bei dieser Bemerkung.
Nachdem sie sich auch von Andrea und Sven verabschiedet hatten, fuhren sie zurück ins Hotel. Am Abend, als die Kinder schon im Bett lagen, statten Maria und Wolfram noch einmal ihrer Brücke einen Besuch ab. Sie standen lange versonnen auf das Geländer gestützt da. Ihre Vergangenheit lief wie im Zeitraffer an ihnen vorüber. Obwohl alles erst etwas über zehn Monate her war, kam es ihnen vor, als wäre es vor Jahren gewesen. Sie umarmten sich wie damals und küssten sich. Hier war ihre Insel, die das Fundament ihres Glücks war. Hier war der Anfang von allem. Hier war der Anker ihrer Liebe. Hier war aber auch die Zufluchtsstätte für ihre Sorgen von damals. Hier war der Ort, der alles von ihnen wusste. Sie versprachen sich, diesen Ort immer wieder zu besuchen, so lange sie lebten.
2. Sonnenberg – Leben in der Villa
Der nächste Tag begann wie immer mit dem Frühstück. Dann räumten sie ihre Zimmer und meldeten sich an der Rezeption ab. Wolfram bezahlte und gab ein Kuvert für Sven ab mit der Bemerkung, dass er es bitte zustellen solle. Auf dem Kuvert stand „Olaf und Ivonne“. Darin befand sich ein Brief mit folgenden Worten:
Liebe Familie Jansen,
alles, was sich in diesem Kuvert befindet, überlassen wir euch. Es soll ein Dankeschön für die schönen Tage bei euch sein. Es ist das Restgeld, welches wir nicht mit nach Deutschland nehmen wollen. Das Zurücktauschen kostet aber auch wieder Geld und wir wollen die Banken nicht noch reicher machen. Nehmt es und denkt an uns.
Es grüßen euch aus dem deutschen Sonnenberg
Wolfram und Maria
Maria hatte diesen Brief geschrieben, da Wolfram zwar einigermaßen Norwegisch sprechen konnte, aber zwischen Sprechen und Schreiben liegen Welten, betonte er.
Auf der Fahrt nach Bergen waren alle recht ruhig. Jeder ging seinen Gedanken an die vergangenen Tage nach. Dagmar hatte wieder Laura auf dem Schoß, weil sie hinten zu fünft saßen. Am Flughafen gab Wolfram das Auto zurück und sie gingen zum Firmenjet, der sie zurück nach