Schwarze Krähen - Boten des Todes. Carolina Dorn
Teufel! Können Sie mir nicht einen ordentlichen Whiskey geben, statt so ein Wassergepansche?“, beschwerte er sich und ließ das Glas samt Inhalt angewidert auf den Boden fallen.
Sie jedoch machte sich nichts daraus.
Schade, dachte sie. Er hat den Unterschied geschmeckt. Sie schenkte ihm ein neues Glas Whiskey ein, nur dass sie noch fünf Tropfen einer wässerigen, pflanzlichen Substanz hinzufügte, die durch keinerlei Geschmack auffiel, dafür aber große Wirkung zeigte.
Brandon trank das Glas in einem Zug aus. Es dauerte eine knappe viertel Stunde und er rief nach seiner Pflegerin. Er krümmte sich vor Bauchschmerzen und dazu wurde ihm furchtbar übel. Christin brachte vorsichtshalber gleich den Eimer mit und da passierte es auch gleich: ihr Patient musste sich übergeben und das nicht nur einmal, nein fünfmal, bis nur noch der reine Magensaft kam. Danach legte er sich erschöpft von der Seite zurück auf den Rücken.
„Schwester, ich glaube, jetzt könnte ich noch ein Glas davon gebrauchen“, bat er und japste nach Luft.
Christin tat, wie ihr geheißen, und mischte ihm die gleiche Portion Tropfen bei wie zuvor. Kurze Zeit später übergab er sich aufs Neue.
„Ich glaube, der Whiskey verträgt sich nicht mit Ihren Medikamenten“, erwähnte sie in ganz ruhigem Ton und völlig unschuldig. Dabei runzelte sie die Stirn.
„Quatsch, vorher hat sich auch alles miteinander vertragen“, widersprach er.
„Das kann sich später auch erst entwickeln“, antwortete sie ungerührt.
„Na ja, vielleicht haben Sie ja doch Recht“, gab er nachträglich zu.
Er zitterte am ganzen Körper. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, die ihm seine Pflegerin mit einem warmen, feuchten Tuch abwischte.
„Ich lasse Ihnen die Whiskey-Flasche hier, falls Sie doch noch mal einen trinken möchten“, teilte sie ihm mit, da er die Augen geschlossen hielt. „Wenn es Ihnen recht ist, gieße ich noch ein Glas ein. Sie brauchen nur nach mir zu klingeln.“
Sie stellte die geöffnete Flasche mit den beigemischten Tropfen absichtlich neben sein Bett auf den Nachttisch. Brandon stieg der Geruch des Alkohols aus der Flasche in die Nase und sofort würgte es ihn wieder.
„Schwester!“, rief er gequält.
Christin wollte das Zimmer verlassen und erreichte gerade die Türe.
„Schwester, nehmen Sie die Flasche mit, ich kann das Zeug nicht mehr riechen, ohne dass mir übel wird“, erklärte er ihr angeekelt.
Sie nahm die Flasche und ging nach unten in die Küche.
So, wieder einen geheilt vom Alkohol, dachte sie und grinste vor sich hin.
In der Küche stellte sie die Flasche auf einen Seitenschrank, als Doreen nach ihr rief.
„Schwester, ich fahre heute einkaufen. Soll ich irgendwas Besonderes mitbringen?“, wollte sie wissen.
„Oh ja.“ Christin wollte ihren Patienten umstellen auf Vollwertkost. Das hieß, nicht so viel Fleisch, dafür mehr Gemüse, Salat, Fisch, Obst und Vollkornprodukte. So schrieb Doreen auf, was ihr die Nonne alles diktierte.
„Wie soll ich das zubereiten? Ich kenne mich da gar nicht aus“, rief die Haushälterin etwas erschrocken.
„Keine Sorge. Ich koche sein Menü selbst. Sie brauchen sich nur um Ihren Mann zu kümmern“, beruhigte sie Christin.
Sie vergaß die Whiskey-Flasche, die sie eigentlich ausleeren wollte und ging nach oben.
Da betrat Richard die Küche. „Ich gehe hinaus, um nach Gordons Auto zu sehen“, informierte er seine Frau. Da sah er die Flasche stehen.
„Oh, eine aus Brandons Sammlung? Und sogar noch halb voll. Den muss ich mal probieren“, sagte er mehr zu sich selbst.
Er schenkte sich nicht gerade ein kleines Glas ein und kippte den Inhalt mit einem Mal hinunter.
„Hm, nicht schlecht. Der Junge hat einen guten Geschmack“, stellte er fest.
Doreen suchte währenddessen alle Sachen zusammen, die sie für den Einkauf benötigte. Sie hatte noch nicht alles in den Korb gepackt, da stürmte Richard ins Haus. Er ging gebückt, hielt sich vor Schmerzen den Bauch und rannte so schnell es sein Zustand erlaubte auf die Toilette. Was sich dann dort entlud, hätte einem echten Gewitter wahre Konkurrenz gemacht.
Christin kehrte in die Küche zurück, da ihr die Flasche einfiel.
„Meinem Mann geht es auch nicht gut“, äußerte sich die Haushälterin besorgt der Schwester gegenüber.
„Hat er etwa von dem Whiskey getrunken?“, informierte sie sich.
„Ja, ich glaube schon“, antwortete Doreen.
Da lachte Christin. „Halb so schlimm, das geht gleich vorbei. Das ist nur eine Abschreckung vor Alkohol. Sie können ihn hinterher nicht mehr riechen. Aber das müssen die Männer ja nicht wissen. Es ist unser Geheimnis, Doreen.“ Damit leerte sie den Inhalt der Flasche ins Waschbecken aus.
„Ich habe ein Destillat aus Brechwurz hineingegeben. Das ist völlig geschmacks- und geruchsneutral. Dafür räumt es einem aber hinterher gründlich den Magen aus“, erklärte ihr die Nonne.
Jetzt schmunzelte auch Doreen. „Haben Sie zufällig auch ein Mittel gegen Dummheit? Immer wenn mein Mann mir helfen soll, stellt er sich dabei so ungeschickt an, dass ich es am Ende selbst mache“, forschte die Haushälterin.
„Dummheit? Ich glaube, dagegen muss erst noch ein Kraut wachsen“, erwiderte Christin lachend.
Sogar Doreen lachte mit, wo sie doch seit vielen Wochen nur weinte und gar nicht mehr lachte. Aber diese Schwester konnte so herzlich lachen und besaß ein so fröhliches Wesen, trotz der vielen schwerkranken Patienten, dass man selbst von seinem Kummer abgelenkt wurde. Sie brachte frischen Wind, Frohsinn und eine positive Stimmung in das Haus, die alle Bewohner mitriss.
„Sie verrichten Ihre Arbeit mit so viel Kraft und Freude. Üben Sie diese Tätigkeit wirklich so gern aus?“, fragte sie die Schwester.
„Natürlich, denn ohne Freude profitiert der Kranke nicht davon. Wenn ich dann feststelle, dem Patienten geht es besser, beflügelt mich das umso mehr“, erklärte Christin.
„Das also ist Ihr Geheimnis“, stellte Doreen fest.
„Kein Geheimnis, Gott gibt mir die Kraft dazu“, ließ sie die Frau wissen.
Sie mochten einander, obwohl ein beträchtlicher Altersunterschied bestand. Die Haushälterin schloss sie sofort in ihr Herz und Christin erging es ebenso. Sie mochte das Hausmeisterehepaar vom ersten Moment an. Beide besaßen Herz und Gefühl. Vor allem, was den Patienten anbelangte. Sie fühlten wie richtige Eltern, denen ein Kind schwerkrank wurde, obwohl es nicht ihr eigenes war. Sie selbst bekamen keine Kinder und so hängten sie ihr Herz an Brandon.
Als es dem Patienten wieder besser ging, sprach Christin ihn auf sein Alkoholproblem an.
„Waren Sie vorher schon alkoholabhängig?“, wollte sie von ihm rundheraus wissen.
„Was geht Sie das eigentlich an?“, schnaufte er genervt. Nach einer kurzen Pause sprach er doch weiter: „Nein, ich habe höchstens mal ein Glas Wein getrunken. Erst als die Schmerzen kamen und unerträglich wurden, habe ich versucht sie mit Alkohol zu betäuben. Anfangs ohne Medikamente, später mit. Im Grunde hasse ich Whiskey. Ich würde ihn niemals so trinken“, gestand er ihr. Er hatte den Kopf etwas angehoben, um sie sehen zu können, denn sie stand am Ende des Bettes.
Er sah sie an, doch ihr Gesicht verschwamm vor seinen Augen. Sein Kopf fiel nach hinten in das Kopfkissen und er trat wieder weg.
Christin seufzte. Das wird nicht leicht werden, denn er hat nicht nur ein Alkoholsondern auch ein Drogenproblem, überlegte sie. Das ergab jedenfalls wohl doch massive Entzugserscheinungen. Obwohl sie das Morphium schrittweise