Schwarze Krähen - Boten des Todes. Carolina Dorn

Schwarze Krähen - Boten des Todes - Carolina Dorn


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auch schon ins Kloster fahren? Sie wussten ja schließlich nicht, was es dort für Schätze zu entdecken gab.

      Zur Mittagszeit wurde es fast unerträglich heiß und sie machten Rast. Unter einem Baum mit ausladenden, schattenspendenden Zweigen, packten sie ihr Menü aus. Christin schenkte das Wasser in die Becher und bot Gordon ein Sandwich an. Das Wasser schmeckte ziemlich fade, denn erstens war es lauwarm und zweitens ohne Kohlensäure. Gordon schüttelte es innerlich ab. Doch was tat man nicht alles, wenn einen der Durst quälte. Er kippte das Wasser im Becher mit ein paar großen Schlucken hinunter ohne Luft zu holen.

      Anschließend fuhren sie weiter. Ab und zu warf er einen Blick zu der kleinen, stillen Nonne. Wie alt mochte sie wohl sein? Allerhöchstens zwanzig Jahre, schätzte er. Aber wie konnte sie dann schon eine dreijährige Krankenpflegeausbildung mit anschließender Spezialausbildung haben? Irgendetwas passte da nicht zusammen, überlegte er. Ab und zu fasste er sich an sein Kinn, um zu prüfen, wie schnell sich sein Bart verlängerte. Gordon besaß einen sehr intensiven Bartwuchs. Er rasierte sich am Morgen und sollte er am Abend noch etwas vorhaben, musste er die ganze Prozedur wiederholen. Seine Barthaare fühlten sich nicht borstig, sondern angenehm weich an, im Gegensatz zu vielen anderen Männern.

      Christin beobachtete ihn und schmunzelte. Er sah sie leicht verunsichert mit einem fragenden Blick an.

      „Sie brauchen sich nicht zu genieren. Ihnen steht ein Bart sehr gut. Sie wirken damit sogar jünger. Ein richtig gepflegter Bart würde Sie sogar außergewöhnlich attraktiv erscheinen lassen“, machte sie ihm ein Kompliment.

      „Oho, und das aus dem Mund einer Ordensfrau?“, grinste er verwundert. So eine Bewunderung hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht bekommen. Und das jetzt ausgerechnet von einer Nonne.

      Ein schüchternes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Ansehen und die Menschen vergleichen ist uns erlaubt“, klärte sie ihn auf.

      Gordon lachte lauthals und schüttelte dabei den Kopf. Er staunte über diese kleine, zierliche Ordensfrau.

      Neugierig geworden schaute er nun öfter zu der jungen Nonne hinüber. Eine außergewöhnlich hübsche junge Frau, registrierte er. Zwei große, strahlende dunkelbraune Augen mit sehr dichten überlangen Wimpern und leicht geschwungene Lippen, die so rosig wie leicht geschminkt wirkten. Die Hautfarbe wirkte frisch, wie eine taubenetzte Rosenknospe. Ihre schlanken Hände mit den kurzgehaltenen Fingernägeln, die oval geschnitten waren, sahen gepflegt aus. Sie passten eigentlich gar nicht zu einer Nonne, die viel und schwer mit Kranken arbeitete. Die ständig ihre Hände waschen und desinfizieren musste. Was sie für eine Haarfarbe hatte, konnte er nur erraten, denn der Schleier saß fest um ihren Kopf und ließ kein einziges Härchen hervorlugen. Den dunklen, ausgeprägten Augenbrauen zu schließen, besaß sie wohl dunkle Haare, vermutete er.

      Wieder musste Gordon schmunzeln. Ich glaube, ich habe die beiden hübschesten Nonnen des Klosters erwischt, ging es durch seinen Kopf.

      Am Nachmittag begann sich der Himmel mit drohenden, schwarzen Wolken zu beziehen. Kaum dass ein Lüftchen wehte. Es wurde zum Ersticken schwül.

      „Können Sie nicht etwas schneller fahren? Ich glaube, dass sich da ein schweres Unwetter zusammenbraut“, forderte ihn Christin mit sorgenvollen Gesicht auf.

      „Tut mir leid, Lady, aber die Kiste hier ist schon achtzehn Jahre alt. Sie fährt leider nicht schneller“, antwortete Gordon mit einem entschuldigenden Lächeln.

      „Oh, Verzeihung. Das wusste ich nicht“, entschuldigte sie sich ihrerseits.

      „Wie sollten Sie das auch wissen, wenn Sie heute das erste Mal darin fahren?“, lächelte er.

      Es wurde so finster, dass man meinte, die Nacht sei schon angebrochen. Und dann brach es über sie herein. Es begann zu wehen, immer stärker, so dass Gordon Mühe hatte, das Fahrzeug auf der Straße zu halten. Eilig kurbelte er sein Fenster hoch, denn mit einem Mal kam der Regen und zwar so gewaltig, dass man meinte, alle Schleusen wären im Himmel geöffnet worden. Die Scheibenwischer schafften keine freie Sicht mehr und er fuhr nur noch vertrauend auf sein Gefühl. Grelle Blitze beleuchteten kurz die Landschaft, doch sie verzerrten auch vieles. Momentan verlor Gordon vollkommen die Orientierung. Seinem Gefühl nach jedoch konnte es nicht mehr weit bis zum Anwesen seines Freundes sein.

      „Es muss hier sein, ganz nah“, rief er laut, um die tosenden Elemente draußen zu übertönen.

      „Aber ich sehe noch kein Haus“, erwiderte Christin, die angestrengt aus dem Fenster blickte.

      „Ich auch nicht“, murmelte er bedrückt. Gordon schaltete das Fernlicht ein, aber das prallte nur gegen eine Mauer aus Regenwasser. Er fuhr ganz langsam und trotzdem gab es plötzlich ein unangenehmes, lautes Geräusch und das Vorderteil des Autos sackte langsam, beinahe in Zeitlupe, nach vorn unten ein. Die kleine Nonne saß mit ihrem Begleiter und dessen Auto in einem ausgespülten Loch fest. Vor Schreck hielt sie sich die Hand vor den Mund, aber sie schrie nicht laut auf. Beide sahen sich an und mussten trotz allem lachen. Sie nahmen es mit Humor. Er gab etwas Gas, doch das Fahrzeug wühlte sich mit den Vorderreifen nur noch tiefer in das Schlammloch. Gordon schaltete den Motor und das Licht aus und lehnte sich in seinem Sitz zurück.

      „Endstation, wir stecken fest“, stellte er fest.

      Doch so schnell wie der Regen begann, hörte er auch wieder auf. Es fiel nur noch ein leichter Nieselregen wie ein hauchdünner Schleier. Gordon und Christin wagten sich vorsichtig aus dem schiefstehenden Wagen heraus. Sicherheitshalber zog sie ihre Schuhe aus und lief barfuß weiter. Durch den dichten, aufsteigenden Dunst erblickte sie ein großes, weiß gestrichenes Haus, noch im Stil der Kolonialzeit, das allein auf weiter Flur stand. Es gab keine anderen Bauten in der näheren Umgebung. Vor wenigen Jahren war es renoviert worden, jedoch mehr die Innenräume als die Fassade. Dort sah sie nur neue Fenster und eine glasverzierte Haustüre eingesetzt. Über dem Eingang gab es einen ausladenden, runden Überbau, der bis über die Straße zur anderen Seite reichte und von vier weißen Säulen gestützt wurde. So konnten die Gäste vom Auto aus trockenen Fußes ins Haus gehen. Sie wusste nicht, dass dieses alte Haus vor drei Jahrzehnten nach hinten hinaus einen großen Anbau mit Wintergarten bekommen hatte, denn man konnte es von vorn nicht sehen.

      Gordon hängte Christin sein Jackett über die schmalen Schultern. Er holte die zwei Koffer aus dem Gepäckraum des gestrandeten Autos und bewegte sich mit ihr auf das Haus zu.

      „Sie befinden sich hier in „Twenty-Two-Oaks“, erklärte er ihr. „Dieses Anwesen trägt seinen Namen seit seiner Gründung vor mehreren Generationen der Stonewalls. Der erste Bewohner, der dieses Haus baute, ließ zweiundzwanzig Eichen pflanzen, nach denen er das Herrenhaus benannte.“

      Christin sah sich um und gewahrte rechts und links der breiten Auffahrt eine Menge großer, alter Eichenbäume. Auf jeder Seite zählte sie elf Stück. Ein leichtes Rascheln war zu hören. Die vielen, dichten Blätter der alten Bäume entledigten sich der Wassertropfen und gaben sie nach unten auf den Boden ab. Sie wandte sich wieder dem Haus zu. In verschiedenen Räumen brannte Licht, welches hinaus auf den weißen Kiesweg leuchtete. Es gab nur ein oberes Stockwerk, dafür zog sich der Bau rechts und links des Eingangs sehr weit hin. Den vielen Fenstern nach zu urteilen, gab es sicher eine große Anzahl von Räumen, stellte sie fest. Hier musste eine Menge an Personal leben und arbeiten, glaubte sie. Plötzlich wurde die Haustüre ziemlich grob aufgerissen und eine ältere Pflegekraft stürzte mit angeekeltem Gesichtsausdruck aus dem Haus. Die Haare, die Schürze, bis hinunter zu den Schuhen voll Nudeln und Tomatensoße bekleckert.

      „Nein, also wirklich, das muss ich mir auch von einem so stinkreichen Kerl wie ihm nicht gefallen lassen! Ich kündige auf der Stelle! Sofort! Suchen sie sich eine andere Dumme!“ Damit verließ Pflegekraft Nummer acht den Patienten. Sie stieg in ihren roten Cadillac, der seitlich der Auffahrt geparkt stand und fuhr davon.

      „Sehen Sie? Ein sehr schwieriger Patient, den Sie sich da ausgesucht haben, meine ich“, warnte Gordon die kleine Nonne mit einem verschmitzten Lächeln vor.

      „Mit Gottes Hilfe gelingt einem alles“, erwiderte Christin fest davon überzeugt und ging auf das Haus zu. Der Nebel nahm an Stärke zu, so dass das ehemals


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