Schwarze Krähen - Boten des Todes. Carolina Dorn

Schwarze Krähen - Boten des Todes - Carolina Dorn


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weiß auch nicht, wie es geschehen konnte. Die Mutter Oberin teilte ihn mir als Oberarzt zu. Als ich ihm zum ersten Mal begegnete, fühlte ich mich sofort zu ihm hingezogen. So, als würde ich ihn schon mein halbes Leben kennen. Er wirkte so vertraut. Mein Herz kam ganz aus dem Takt. Er ist so sanft, so liebevoll. Ich habe so etwas noch nie zuvor erlebt. Dieses Gefühl ist einfach wunderbar. Man möchte mehr davon. Es ist wie eine Droge. Ich kann mich nicht dagegen wehren und ehrlich gesagt, will ich es auch gar nicht“, schwärmte sie und lachte befreit, dass sie wenigstens einem Menschen ihre Gefühle anvertrauen konnte, ohne befürchten zu müssen, bei der Mutter verraten zu werden. „Ich weiß, dass ich gegen alle Regeln verstoße und ich eines Tages vor der Entscheidung stehen werde: er oder der Orden“, sprudelte es aus ihr heraus.

      Sie blieb stehen und Christin sah sie mit großen Augen an, die völliges Nichtverstehen vermittelten. Ich muss äußerst vorsichtig sein, sonst ende ich genauso wie Melissa, ging es durch ihren Kopf.

      „So, wie es im Moment aussieht, werde ich wohl aus dem Orden austreten. Ich möchte Gordon keinesfalls verlieren. Außerdem glaube ich, wenn Gott es nicht gewollt hätte, dann wären wir uns wohl nie begegnet“, erläuterte sie.

      „Es kann aber auch eine Prüfung sein. Gott will deinen Glauben testen, wie fest du zu ihm stehst“, gab die Freundin zu bedenken.

      Melissa schüttelte jedoch nur energisch den Kopf. „Nein, das kann ich nicht glauben. Dieses Gefühl ist einfach zu intensiv.“

      Langsam folgten sie dem Weg zurück zum Haus.

      „Dieser Park ist voll von Blumen und es duftet herrlich. Jede Blume entwickelt ihr eigenes Parfüm und doch passen sie am Ende alle zusammen. Hier eine halbe Stunde jeden Tag spazieren gehen wirkt gewiss wie eine Kur“, stellte Melissa fest. „Jetzt weiß ich, warum es dir hier so gut gefällt.“

      Derweil saß Gordon bei Brandon am Bett in einem großen Schaukelstuhl und vertrieb ihm die Langeweile.

      „Ich muss sagen, du siehst wirklich zum Gotterbarmen aus“, sprach ihn der Freund an.

      „Das weiß ich selbst. Das brauchst du mir nicht auch noch zu sagen“, brummte Brandon. „Die Schwester hält mir schon gar keinen Spiegel mehr vor.“

      „Da bringe ich dir die beste Pflegekraft meiner Tante und …“

      „Schwester Christin kann nichts dafür, dass es mir so miserabel geht“, fiel er ihm ins Wort. „Es ist die Chemotherapie, die mir so zusetzt. Ich habe die ganze Woche über nur gekotzt. Die Schwester, die du mir gebracht hast, ist vollkommen anders. Ihre Pflege ist erste Klasse. Sie schimpft auch nicht, wenn mir mal ein Malheur passiert. Stell dir vor, sie füttert mich sogar, wenn ich nicht kann. Und zur Chemotherapie in die Klinik hat sie mich auch begleitet.“

      „Du trinkst gar keinen Alkohol mehr? Ich sehe keine leeren Flaschen stehen“, wunderte sich Gordon.

      „Mir wurde letzthin furchtbar übel darauf, verbunden mit wahrhaft tierischen Bauchschmerzen. Wahrscheinlich haben sich die Medikamente mit dem Whiskey auf Dauer nicht vertragen“, erklärte er ihm. „Du wirst staunen, Morphium bekomme ich auch kaum mehr. Sie hat eine viel bessere Medizin, eine die nicht abhängig macht und trotzdem den Schmerz nimmt. Mein Kopf ist wieder ganz frei. Ich kann wieder denken.“

      Der Freund lachte. „Brandon, du schwärmst ja geradezu von ihr.“

      „Das musst ausgerechnet du sagen? So viel ich mitbekommen habe, hast du deiner Stationsschwester innerhalb von nur zweieinhalb Wochen Stationsdienst den Kopf völlig verdreht“, warf er ein. „Ich weiß, dass du wieder arbeitest und zwar im Kloster Heilig Geist. Deine Tante hat dir den Job als Oberarzt verschafft, doch ich glaube, ihr unterlief hier ein Kardinalfehler, denn sie packte dich in die Kinderklinik zu Schwester Melissa.“

      „So? Ist das schon bis zu dir in dein Zimmer vorgedrungen?“, wunderte sich Gordon.

      „Der Wind, der Wind ist schneller als die Gedanken“, scherzte Brandon.

      „Ja, du hast Recht. Ich habe mich sofort in sie verliebt und ich glaube, ihr erging es ebenso. Es ist einfach so geschehen. Plötzlich wusste ich mit Sicherheit, dass sie die Frau meines Lebens ist“, bestätigte der Freund ernst.

      „Deine Tante vermutete wohl nicht, dass du gleich bei der ersten Nonne schwach werden würdest?“, machte sich Brandon lustig. „Ich freue mich für dich, dass du wieder Arbeit hast. Dann kommst du wenigstens auf andere Gedanken und musst dich nicht mehr um mich sorgen. Ich danke dir, dass du mir diese Nonne gebracht hast, wenn ich auch am Anfang darüber geschimpft habe.“

      „Danke nicht mir, sondern meiner Tante. Sie hat sie für dich ausgewählt“, berichtigte er ihn.

      „Schon wieder die Tante? Spielt sie die Vorsehung? Dann braucht sie sich aber nicht wundern, wenn hinterher ein paar Schwestern fehlen“, lachte er seinen Freund matt an.

      Das Gespräch ermüdete ihn, aber er wollte ihn nicht schon wieder fortschicken. Er seufzte tief. „Schau, wie schön die Sonne scheint. Es ist warm draußen und es riecht nach Frühling. Wie viele Blumen müssen wohl jetzt in meinem Garten blühen? Ich kann sie nicht einmal sehen oder ihren herrlichen Duft wahrnehmen. Immerzu hier im Bett zu liegen, zu jedem Umdrehen jemanden brauchen, der den Knopf an meiner Liegestätte betätigt, ist furchtbar. Außerdem ist es entsetzlich langweilig. Nicht mal ein Buch kann ich lesen, ohne dass mir die Arme einschlafen, weil ich es so hoch halten muss. Schwester Christin liest mir zwar abends manchmal vor, aber sie hat auch nicht immer Zeit. So liege ich hier und meine Gedanken kreisen ununterbrochen in meinem Kopf“, klagte Brandon sein Leid, doch es klang anders als vor einigen Wochen. Das fiel Gordon sofort auf. Er bekam wieder Interesse an seinem Garten.

      „Hey, Brandon, das hört sich ja ganz anders an als vor drei Wochen. Wenn ich mich recht entsinne, wolltest du zu dieser Zeit nur noch sterben. Du willst wieder lesen?“, staunte der Freund.

      „Ja, und Musik hören würde ich vor allem sehr gern wieder“, unterbrach er ihn. „Und da ist noch etwas: Ich erzählte dir einmal, dass ich mich wie ein Baum ohne Blätter im kalten Nebel fühle. Jetzt ist eine rote Rose dazugekommen, die mir neue Kraft und Hoffnung gibt. Sie blüht dort trotz Kälte und Nebel vor den kahlen Bäumen. Ich glaube, dass es Christin ist und ich nenne sie die Rose aus dem Nebel.“

      Gerade in diesem Augenblick, als die beiden Freunde sich so angeregt unterhielten, kam Christin von ihrem Spaziergang zurück. Die Türe zum Zimmer ihres Patienten stand offen und so bekam sie das Gespräch ungewollt mit. Somit hörte sie auch das mit den Blumen. Ja, das ist es. Ihm eine kleine Freude bereiten, um ihn aus seiner trüben Phase herauszuholen, ging es ihr durch den Kopf. Rasch lief sie die Treppe hinunter, zur Haustüre hinaus, um das Haus herum, in den blühenden Garten. Hier wuchsen tatsächlich eine Unmenge bunter Blumen. Sie zögerte. Welche sollte sie nehmen? Die Bienen umschwirrten sie fleißig und ein schwerer, beinahe betäubender Duft lag in der Luft. Allerdings stellte sie fest: Der Garten sah reichlich verwildert aus, da Brandon den Gärtner entließ. Der Hausmeister schaffte es nicht allein, dem Unkraut Herr zu werden, denn er musste auch noch andere Arbeiten im Haus verrichten. Sie bahnte sich vorsichtig einen Weg zu einer japanischen Teerose. Sie bückte sich und brach die Blume ganz unten am Stiel ab. Ein herrlicher Duft stieg ihr in die Nase. Die Blütenblätter leuchteten in einem kräftigen Pink. Sie richtete sich auf und gewahrte einen wunderschönen, großen Wintergarten, in dem ebenfalls viele Pflanzen wuchsen. Sie wusste nicht, dass ein solcher überhaupt existierte, denn vom Hausinneren führte kein Weg zu ihm. Das dachte sie jedenfalls. Ebenfalls erst jetzt erkannte sie, dass das Haus einen moderneren Anbau bekam und das altertümliche Haupthaus um einiges vergrößerte. Wie mag man wohl dorthin kommen? überlegte sie. Es müssen praktisch zwei Häuser sein, die miteinander verbunden wurden. Dann entdeckte sie einen runden Pavillon, der früher wohl einmal weiß gewesen war. Jetzt sah er grau und etwas baufällig aus. Wenn man dorthin gelangen wollte, musste man an vielen Rosenbeeten vorbei. Es gab hier Rosen in Hülle und Fülle und in allen Farben, viele bereits erblüht, manche noch als Knospe, und jede verströmte einen anderen intensiven Duft. Jetzt wusste sie, dass Brandon ein Rosen-Fan war, denn diese Blumen blühten nicht nur im Garten, sondern im gesamten Park. Sie gewahrte ein kleines


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