Im März färbte sich der Frühling braun. Manfred Eisner

Im März färbte sich der Frühling braun - Manfred Eisner


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bearbeiten. Unser Erster Kriminalhauptkommissar Mohr hat mir bereits einiges berichtet. Wir finden es sehr bemerkenswert, dass Sie auf eine mögliche Verquickung von zwei bisher völlig getrennt geführten Vermisstenfällen gekommen sind. Es zeigt uns, wie angebracht doch die Neugründung Ihres Teams gewesen ist.«

      Nili berichtet ausführlich und weist schließlich auf die von ihr verfasste Liste hin, die den Referatsleiter ebenfalls erreicht hat.

      »Habe ich gelesen, Frau Masal, danke! Wann fahren Sie und KK Zander los?«

      »Wir wollten eigentlich gleich nach dieser Besprechung starten, wenn weder Sie noch EKHK Mohr etwas dagegen haben. Wir denken, spätestens am Mittwochabend wieder zurück zu sein«, bemerkt sie eher als Hinweis für Waldi als für den obersten Chef.

      »In Ordnung, Frau Masal. Herr Mohr, bitte benachrichtigen und instruieren Sie die Kollegen in Elmshorn entsprechend, damit man dort Frau Masal und KK Zander gebührend unterstützt und keine Mätzchen macht, wenn LKA-Beamte vor Ort erscheinen. Ich weiß ja, dass dies in Itzehoe und Oldenmoor nicht erforderlich ist, mit diesen Kollegen arbeiten Sie ja bereits vertraulich zusammen.« KOR Heidenreich räuspert sich und wirft einen Blick in die Runde. »Kommen wir nun zum eigentlichen Grund dieser Zusammenkunft: Als wir die Task-Force Sonderermittlungen ins Leben riefen, hatten wir eine Gruppe von vier Ermittlern vorgesehen, es fehlt bei Ihnen also noch ein Kollege beziehungsweise eine Kollegin. Bisweilen hatten wir hierfür noch keine entsprechende Planstelle, aber nun ergab sich die Gelegenheit, im Rahmen des EU-Austauschprogramms innerhalb der EPA5 eine auf ein Jahr befristete Praktikantenstelle zu erhalten, und wir erwarten noch in dieser Woche einen Kollegen aus Österreich, den wir bei Ihnen unterbringen werden. Die detaillierten Daten des Herrn – er blickt auf seine Notiz – Fachinspektor Ferdinand Csmarits und sein Curriculum erhalten wir noch heute oder spätestens morgen. Ich werde Sie dann sofort informieren. Bitte sorgen Sie entsprechend für den Neuankömmling.«

      »Wie machen wir das mit seiner Unterkunft, Herr Kriminaloberrat?«, wirft Robert Zander ein. »Ich meine, ich hatte, als ich hier anfing, große Schwierigkeiten, überhaupt eine erschwingliche Wohnung in Kiel zu finden, die Mieten sind ja wirklich kaum noch bezahlbar.«

      »Machen Sie sich keine Sorgen, KK Zander. Diese Kosten werden uns von der EPA ersetzt, aber finden müssten wir natürlich schon eine Bleibe für ihn.«

      »Ich habe da eine Idee«, sagt Nili. »Ich versuch es mal bei Frau Johansen in Kiel-Felden, vielleicht hat sie nach dem Mord an Gunther Hamann die freie Wohnung noch nicht wieder vermietet.«

      »Sehr gut, tun Sie das, Frau Masal.« KOR Heidenreich deutet gestenreich an, dass die Zusammenkunft zu Ende sei. »Und nun an die Arbeit, meine Herrschaften, und viel Erfolg für Ihre Ermittlungen!«

      »Na, dann ist ja jetzt wenigstens wieder eine akzeptable Quotengleichheit in unserem Team hergestellt«, scherzt Robert Zander im Hinausgehen, sehr zum Amüsement seiner beiden weiblichen Kolleginnen.

      Nili grient. »Ich hatte allerdings nicht den Eindruck, dass Sie sich von unserer dominierenden Weiblichkeit unterdrückt fühlten, Robert.«

       *

      »Guten Tag, Frau Johansen, hier spricht Hauptkommissarin Nili Masal vom LKA. Erinnern Sie sich noch an mich?«

      »Aber selbstverständlich, junge Frau«, antwortet Gerda Johansen. »Wie könnte ich Sie nach dem tragischen Mord an meinem vormaligen Mieter vergessen?6 Wie geht es Ihnen?«

      »Danke, recht gut, und ich hoffe, Ihnen ebenso.« Danach fragt Nili nach der möblierten Einliegerwohnung in Frau Johansens Haus und erfährt, dass deren Renovierung noch in dieser Woche abgeschlossen sei. Sie habe ein neues Bett mit Matratze und Federdecke angeschafft und vor allem das gesamte Badezimmer renovieren lassen – weil doch dort Herr Hamann den Tod gefunden habe – und die Wanne durch eine moderne Duschkabine ersetzt. Sie wolle gerade einen Makler mit der Neuvermietung beauftragen.

      »Wie hoch soll die Miete sein?«, erkundigt sich Nili.

      »Als warme Miete inklusive vierzehntägigem Bettwäsche- und Handtücherdienst dachte ich an vierhundertfünfundachtzig Euro im Monat. Wasser- und Stromverbrauch werden nach tatsächlichem Verbrauch berechnet. Wird Frühstück gewünscht, nehme ich dafür acht Euro fünfzig. Wollen Sie etwa bei mir einziehen? Das wäre mir sehr angenehm.«

      »Nein, Frau Johansen, ich frage nicht für mich, aber wir bekommen einen sehr netten Gast aus Österreich, für den wir gern Ihre Wohnung mieten würden. Ich kenne sie ja bestens und weiß, dass sie ordentlich möbliert war. Der Preis ginge auch in Ordnung! Darf ich Sie bitten, mir die Wohnung bis Ende dieser Woche an Hand zu reservieren? Wir würden dann mit unserem Gast zur Besichtigung kommen, bevor wir einen festen Mietvertrag abschließen.«

      Frau Johansen erklärt, dass sie sich freue, dass dann ja wohl die Wohnung in gute Hände komme.

      »Ich danke Ihnen sehr«, sagt Nili, »und melde mich spätestens am Freitag. Alles Gute und bis dann!«

       *

      Am nächsten späten Nachmittag sitzt Nili im Arbeitszimmer im Onkel Suhls Haus in Oldenmoor und tippt ihren Tagesbericht.

       Gestern war es mal wieder eine nicht enden wollende blöde Fahrt auf der A 7 bis zur Ausfahrt Neumünster Mitte. Auch auf der Bundestraße 430 ging es wegen zahlreicher Lkws nur zähflüssig voran. Erst als wir auf die B 77 in Richtung Itzehoe abbogen, wurde der Verkehr flüssiger. Da es schon zu spät war, um noch jemanden zu befragen, überließ ich Robert die Wahl, in Itzehoe oder im Elbmarschen Hof in Oldenmoor zu übernachten. Er erwiderte, am praktischsten sei es doch, die Orte in der Reihenfolge meiner Liste abzufahren, also sollten wir morgen früh in Itzehoe beginnen, dann weiter nach Oldenmoor fahren, dort übernachten und uns zum Schluss, also vor der Rückfahrt nach Kiel, Elmshorn vornehmen. Ich ließ ihn am Hotel Adler aussteigen, nachdem wir uns per Handy versichert hatten, dass er dort ein freies Zimmer bekommen würde, und fuhr weiter zu unserem Onkel Suhls Haus.

       Heute Morgen holte ich Robert wieder ab und wir fuhren zu dem kleinen Frisörladen in der Feldschmiede, in dem Heides Mutter Anna Mertens arbeitet. Ich hatte Margrit gebeten, sie anzurufen und uns anzumelden, damit sie sich nicht erschreckt.

       Die nette Frau mittleren Alters – eine sehr gepflegte Erscheinung – war naturgemäß ziemlich aufgewühlt über unseren Besuch, hatte sie nun doch wieder Hoffnung, vom Schicksal ihrer Tochter zu erfahren. Viel Neues erfuhren wir leider nicht von ihr, aber immerhin, dass Heide an ihrem letzten Geburtstag ein Smartphone geschenkt bekommen hat. Allerdings, so Anna Mertens, sei ihr der Name des Providers unbekannt. Entgegen den meisten ihrer Altersgenossen hätte Heide das Smartphone nur selten benutzt. Ja, das letzte Mal habe sie sich per SMS von der Insel Sylt gemeldet, um mitzuteilen, dass sie gut angekommen sei.

       Heides Hauptinteresse, so erfuhren wir, galt dem Fechten.

       Über die vermeintliche Marianne, mit der Heide verreist sei, wusste Anna Mertens nichts, ihre Tochter hätte sie erst kurz vor ihrem Verschwinden erstmalig genannt. Als ich ihr sehr vorsichtig beibrachte, dass jene Marianne möglicherweise ein Mario gewesen war, mit dem ihre Heide vielleicht sogar ein Verhältnis gehabt haben könnte, fiel die arme Frau aus allen Wolken. Das könne sie ja nicht glauben, Heide sei doch ein anständiges Mädchen usw., usw. Erst als ich sie scharf ansah und sehr bestimmt fragte, ob sie als ihre Mutter wirklich nichts bemerkt habe, stammelte sie, dass ihr wohl zwei Monate vor Heides Verschwinden, nachdem diese sich ohne vorherige Ankündigung piercen ließ, der spontane Gedanke gekommen sei, dass die Tochter kein Kind mehr und inzwischen zu einer jungen Frau herangewachsen sei. Sie habe aber Heide nicht weiter befragt, nur bemerkt, dass sie dieser künstlichen Schönheitsimplantate eigentlich nicht bedürfe. Da habe sie sich doch gefragt, ob dahinter nicht »so’n Kerl« stecken könne, dem zuliebe sie es getan habe. Sonst war nicht viel mehr aus ihr herauszukriegen.

       Wir fuhren weiter zu Heides Gymnasium und fragten nach ihrer Klassenkameradin Doro Westermann. Der uns von früher bekannte Lehrer Dr. Hinnerk Claasen empfing uns und stellte uns Heides ehemaliger Klasse vor. Auch hier erfuhren


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