Im März färbte sich der Frühling braun. Manfred Eisner

Im März färbte sich der Frühling braun - Manfred Eisner


Скачать книгу
lächelt ihn an.

      Margrit sieht nach. »Hier wird ein leitender Kriminaloberrat Werner Thumann genannt, der allerdings kurz darauf in den Ruhestand getreten ist und nachfolgend von einem Kriminaloberrat Heinrich Stöver – etwa Ihr Hein Gröhl? – ersetzt wurde. Ansonsten werden die beiden Kripokommissare Gehrke und Neumann erwähnt, die ebenfalls mit dem Vermerk ›in den Ruhestand versetzt‹ gekennzeichnet sind. Dann werden da noch KK Sven Müller und KK Thies Kreyens von der Kieler Bezirkskriminaldirektion genannt. Sie haben die Itzehoer Riege verstärkt.«

      »Aha, also dann rufe ich gleich mal die Kollegen von der Moko II an, die kenne ich. Sie wurden inzwischen zu Oberkommissaren befördert.« Nili greift zum Telefonhörer. »Die beiden waren auch zeitweise an der gemeinsamen Bearbeitung des Mordfalles Thomas Greve beteiligt und halfen bei der Aufdeckung der dunklen Machenschaften des Tiedemann-Clans.1 Robert, Sie kennen ja KOR Stöver von unserem letzten Fall. Würden Sie bitte bei ihm nachfragen, ob er sich noch an wesentliche Einzelheiten erinnert?«

      Als er nickt, wählt sie eine Nummer und wartet.

      »Moin, Kollege Kreyens, hier ist Nili Masal vom LKA. Wie geht es Ihnen?« Nach der Begrüßung erklärt Nili dem Oberkommissar der Mordkommission II in der Kieler Bezirkskriminalinspektion Blumenstraße den Grund ihres Anrufs. »Wir sind eine neu gegründete Sektion im LKA und wurden mit der erneuten Bearbeitung ungelöster ›cold cases‹ beauftragt – also jene leidigen, mangels Ermittlungserfolgen unerledigt gebliebenen und ›erkalteten Fälle‹, die noch immer in den Archiven schlummern. Wir sind da auf einen Fall gestoßen, an dem Sie und Ihr Kollege Müller beteiligt waren. Sicher erinnern Sie sich an das Verschwinden des Mädchens Mertens im vorigen Jahr. Würden Sie und KOK Müller uns bald besuchen? Mein Team ist sehr daran interessiert, aus erster Hand zu erfahren, was Sie uns berichten können.« Sie lauscht den Worten des Kollegen Kreyens. »Gut, passt auch, dann treffen wir uns eben heute zum Mittagessen in Ihrer Kantine. Schönen Dank für die Einladung und bis dann!« Sie legt auf und blickt hinüber zu Robert, der gerade telefoniert.

      »Danke für die Auskunft, Herr Kriminaloberrat. Ich gebe es an Frau Masal weiter.« Robert Zander beantwortet Nilis und Margrit Försters fragende Blicke mit bedauerndem Kopfschütteln. »Hein Gröhl hat damals gerade KOR Thumann ersetzt, als der Fall zu den Akten gelegt wurde. Er wurde kurzfristig von Eutin in die Bezirksinspektion nach Itzehoe versetzt, um für Thumann einzuspringen, der einen Herzinfarkt erlitten hatte. Da auch die anderen beiden Beamten inzwischen nicht mehr im Dienst sind, ist wohl kaum noch jemand in der Großen Paaschburg tätig, der über diesen Fall etwas Dienliches aussagen kann. KOR Stöver hat aber versprochen, auf jeden Fall bei seinen Leuten herumzufragen, und meldet sich gegebenenfalls wieder. Ich soll seine besten Grüße an die Frau Kriminalhauptkommissarin ausrichten!«

      »Na denn«, sagt Nili, »lasst uns hoffen, dass wir beim Mittagessen von Kreyens und Müller mehr erfahren!«

       *

      »In der Tat, ein sehr mysteriöser Fall. Ich habe es außerordentlich bedauert, dass wir mangels brauchbarer Spuren und wegen zweier gleichzeitiger Mordfälle die Beamten abziehen und den Fall bisweilen zurückstellen mussten!« Staatsanwalt Dr. Uwe Pepperkorn – damals in Itzehoe zuständig und heute bei der Staatsanwaltschaft in Kiel tätig – hat sich am Mittagstisch in der Polizeikantine der Blumenstraße zu der Beamtenrunde gesellt, die sich gerade dem Fall Heide Mertens zugewendet hat. Während der Unterhaltung machen sich die Herren an das heutige deftigere Tagesgericht, Rübenmalheur mit Kochwurst und Schweinebacke. Die beiden Frauen haben sich von der Salattheke den Cäsar-Salat mit Putenstreifen geholt. Aus den Schilderungen der beiden Moko-Kollegen und des Staatsanwaltes erfahren sie einige Details, die sie den Akten nicht entnehmen konnten.

      »Heides Mutter muss ziemlich streng gewesen sein und hat ihre Tochter wohl an der kurzen Leine gehalten«, bemerken die beiden KOK Müller und Kreyens einvernehmlich. Heide hätte einer Schulfreundin anvertraut, dass sie wegen Kopfschmerzen und Verdauungsstörungen keine Antibabypille vertrage und ihre Mutter ihr deswegen den Umgang mit jungen Männern verbiete, weil sie panische Angst habe, dass sie schwanger würde.

      »Na ja, Grund genug für so ein Mädel, Ausreißversuche zu wagen!«, bemerkt Nili.

      »Irgendwelche heimlichen männlichen Freundschaften bekannt?«, fragt Robert.

      »Es wurde nichts in diesem Sinne aktenkundig«, erwidert der Staatsanwalt. Die beiden Moko-Beamten bestätigen die Aussage mit einem Nicken.

      »Sie hat’s aber sicherlich nicht ausgeschwitzt!«, wagt sich Margrit Förster hervor. »Ich war als Teenager ein ebenso bemitleidenswerter Fall von väterlicher und mütterlicher streng angeordneter Keuschheit und habe es dennoch geschafft, diese mit List zu hintergehen. Meine Eltern waren besondere Anhänger der körperlichen Ertüchtigung – ausgesprochene ›Mens sana in corpore sano‹-Freaks –, und da ich eine gute Schwimmerin war, verordneten sie mir dreimal in der Woche den obligatorischen Gang in die Ohlsdorfer Schwimmanstalt. Neben einem professionelleren Schwimmstil hat mir der damalige Trainer auch anderweitige Geschicke beigebracht, allerdings erst, nachdem ich ihn dazu ermuntert hatte.«

      »So eine Schlimme waren Sie also!« Dr. Pepperkorn schmunzelt. »Ich frage lieber nicht nach dem Namen des Trainers, von wegen Unzucht mit Abhängigen!«

      »Wäre auch mit Sicherheit verjährt, lieber Herr Doktor!«, meint Nili. »Aber ich denke, die Kollegin Förster hat uns mit ihrer jugendlichen Anekdote einen wichtigen Anstoß gegeben. Wenn ich es richtig erinnere, war Heide Mertens doch im Fechtklub sehr aktiv und auch erfolgreich. Wurde diese Umgebung ausreichend durchleuchtet? Ich meine, vielleicht hat sie dort eine nähere Freundschaft oder Beziehung gepflegt.«

      »Darüber ist uns nichts bekannt geworden, sorry!«, bemerkt Müller.

      »Habt ihr das auch wirklich hinterfragt?«, hakt Staatsanwalt Pepperkorn etwas scharf nach.

      Kreyens und Müller sehen sich an und Letzterer antwortet: »Wir beide waren nicht persönlich im Fechtklub. Soweit ich weiß, hat das der damalige Soko-Leiter Thumann selbst erledigt, noch bevor wir zu seiner Gruppe hinzubeordert wurden.«

      »Gut, dann übernehmen wir das!«, beschließt Nili. »Jedenfalls danken wir Ihnen für diese Aussprache. Wir haben nun zumindest einen losen Faden, an dem wir anknüpfen können!«

       *

      »Guten Tag, Herr Schindler. Nett, dass Sie uns sofort empfangen. Das hier ist Kriminalkommissarin Margrit Förster und ich bin Kriminalhauptkommissarin Nili Masal. Wir sind vom Team Sonderermittlungen des LKA und recherchieren erneut im Fall der vermissten jungen Frau Heide Mertens, die ja aktives Mitglied Ihres Fechtklubs gewesen ist.«

      »Guten Tag, meine Damen. Ich kann von mir sagen – und spreche vermutlich für alle hier –, dass ich sehr dankbar bin für diesen erneuten Anlauf der Polizei. Es wird Zeit, dass der Verbleib unserer geschätzten Heide endlich aufgeklärt wird!« Arnold Schindler, seines Zeichens Abteilungsleiter im Steinburger Sportklub, ist ein gereifter und athletisch anmutender Zweimetermann Anfang vierzig mit freundlich blickenden braunen Augen und einem kahl rasierten Schädel.

      »Können Sie uns Näheres über die vermisste Person erzählen? Ich meine, was hat sie hier bei Ihnen so getan, wer waren ihr Trainer, ihre Sportfreunde und -freundinnen? Hat es neben dem Fechten noch andere soziale Aktivitäten gegeben, an denen Heide beteiligt war? Uns interessiert ganz besonders ihr soziales Umfeld.«

      Arnold Schindler nickte. »Meine Frau Brigitte war ihre Trainerin und kann Ihnen sicherlich mehr Details nennen als ich, sie hat sie ja direkt betreut. Ich habe ihr schon gesagt, dass Sie kommen, sie wird gleich hier sein. Aber ich wundere mich doch sehr, denn all diese Fragen wurden uns schon damals von Ihrem Kollegen von der Kripo gestellt, von Herrn Ober…«

      »Thumann vielleicht? Meinen Sie den? Der Herr Kriminaloberrat erlitt leider kurz darauf einen schweren Herzinfarkt und ist aus dem Dienst ausgeschieden.«

      »Ja, Thumann, so hieß er. Dem haben wir alles genau erzählt und er hat es sich in seinem kleinen schwarzen Büchlein aufgeschrieben. Aber jetzt, wo Sie das sagen …«

      Die


Скачать книгу