Arbeiten wie noch nie!?. Группа авторов
können, weil sie sonst einem Zirkelschluss aufsitzt. Dementsprechend können wir sie auch nicht mit ihren eigenen Waffen schlagen. Wenn wir der Problemlage theoretisch gerecht werden wollen, muss uns eine interdisziplinäre Zusammenarbeit gelingen. Manche Phänomene lassen sich mathematisch beschreiben (z. B. Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern), andere nicht (z. B. Rollenzuschreibung zur Rechtfertigung der Unterschiede oder überhaupt die strukturerhaltende Funktion unbezahlter Frauenarbeit im Haushalt für die kapitalistische Produktion und Reproduktion).
Die referierten ökonomischen Theorien tun so, als seien alle Wirtschaftssubjekte gleich stark. Holt man jedoch Macht als Analysekriterium herein, werden unterschiedliche Diskriminierungen (von Erwerbslosen, Frauen, Migranten, Menschen im globalen Süden) sichtbar, ohne die der Kapitalismus nicht funktionieren würde. Kapitalismus und bürgerliche Gesellschaftsordnung bedingen sich gegenseitig. Ausgehend vom Feudalismus war dies ein relevanter Fortschritt und ein gewisser Akt der Befreiung aus Leibeigenschaft, Pachtwesen und anderen Formen unfreier Arbeit. Die alte Unfreiheit wurde jedoch gegen eine neue, diffizilere eingetauscht: Unsere Gegenüber sind anonyme Kapitalisten mit Machtkonzentrationen wie es sie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit gab.
Wir gehen davon aus, dass Menschen ihrem Wesen nach produktiv füreinander tätig sein wollen. Das können sie im herrschenden System aber nicht entfalten, weil sie der Gewinnmaximierung unterworfen sind. Daher stellt sich die zentrale Frage, welches System unseren menschlichen Bedürfnissen entspricht und nicht, wie wir dem System entsprechen können. »Es geht darum, den Zweck der Tätigkeit und das Maß der Verausgabung in ein Verhältnis zueinander zu bringen, dass fremdbestimmte Über- und Unterordnung der spannungsgeladenen Dimensionen von Tätigkeiten ausgeschlossen werden. Die Emanzipation der Menschen liegt demnach in der entwickelnden Verausgabung von Kraft zum gemeinschaftlich bestimmten Zweck« (Haug 2009). Daher kann es nicht darum gehen, die »Normalarbeitsverhältnisse« der Nachkriegsära zurück zu wünschen. Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen historisch einmalig und damit nicht wiederholbar sind (z. B. Wiederaufbau), ist es wegen seiner emanzipatorischen Defizite und seines zerstörerischen Potenzials für Umwelt und Menschen nicht als idealtypisches Modell anzustreben.
Ungelöst ist allerdings das Paradoxon, dass solange die kapitalistische Produktionsweise weiter existiert, die Integration in den Arbeitsmarkt gesellschaftliche Teilhabe und Emanzipation bedeutet. Daher kann man leicht dem trügerischen Schluss aufsitzen, dass die Umformung von unbezahlter Hausarbeit in Lohnarbeit ein Fortschritt sei und dabei übersehen, dass es nur eine Besserstellung im bürgerlich-kapitalistischen System wäre, nicht aber eine Emanzipation daraus. Es ist also die Frage aufgeworfen, welche Produkte und Dienste wir brauchen bzw. was wachsen soll – und wovon wir besser ablassen. Danach stellt sich die Frage, wie produziert werden soll – was wir weiterhin marktförmig herstellen oder dem Markt wieder entziehen wollen (de-kommodifizieren). Ferner geht es um die Frage, wie wir den Wohlstand verteilen wollen und gesellschaftliche Teilhabe und Mitbestimmung bestmöglich garantieren können. Kurz: Wie können wir gesellschaftliche Spaltungen vermeiden? In den Produktionsverhältnissen steckt ein Schlüssel dafür.
Literatur
Bontrup, Heinz-Josef (2008): Lohn und Gewinn: Volks- und betriebswirtschaftliche Grundzüge, 2. Aufl., München/Wien
Bourdieu, Pierre (1985): Sozialer Raum und »Klassen«. Leçon sur leçon, Frankfurt/M
ders. (Hg.; 1997): Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft, Konstanz
Bude, Heinz (2008): Die Ausgeschlossenen. Das Ende vom Traum einer gerechten Gesellschaft, München
Guger, Alois u. Markus Materbauer (2007): Die langfristige Entwicklung der Einkommensverteilung in Österreich, WIFO Working Papers, 307, Wien
Haug, Frigga (2009): Arbeitsbegriff bei Marx, vgl. Stichwort Arbeit, in: Historisch-kritischen Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, Hamburg 1994, S. 401–422 (Auszuge auf: http://www.vier-in-einem.de/forum/topic.php?id=4, 28.8.2010)
Haug, Wolfgang Fritz (Hg.; 1994ff): Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Hamburg (Zit. HKWM)
Kromphardt, Jürgen (2004): Konzeptionen und Analysen des Kapitalismus, 4. Aufl., Göttingen
Malli, Gerlinde (2005): Alltagsbefindlichkeiten, in: Andreas Exner, Judith Sauer u. Pia Lichtblau et al. (Hg.): Losarbeiten – Arbeitslos? Globalisierungskritik und die Krise der Arbeitsgesellschaft, Münster, 96–105
Marx, Karl u. Friedrich Engels: Das Kommunistische Manifest, MEW 4
Statistik Austria (2010): Arbeitslose und Arbeitssuchende 2009, Wien (http://www.statistik.at/web_de/statistiken/arbeitsmarkt/arbeitslose_arbeitssuchende/index.html, 25.8.2010)
Stichwort »industrielle Reservearmee«, in: HKWM 6/II
Stichwörter»Kapitalismus«, »Kapitalismusentstehung« und »kapitalistische Produktionsweise«, in: HKWM 7/I
Wolf, Winfried (2010): Sieben Krisen – ein Crash, Wien
Zelter, Joachim (2006): Schule der Arbeitslosen. Ein Roman, Tübingen
Weitere einführende Literatur
Altvater, Elmar u. Birgit Mahnkopf (2007): Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, 7. Aufl., Münster
Bofinger, Peter (2010): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. Eine Einführung in die Wissenschaft von Märkten, 2. Aufl., München
Cordes, Mechthild (1995): Die ungelöste Frauenfrage. Eine Einführung in die feministische Theorie, Frankfurt/M
Füllsack, Manfred (2009): Arbeit, Wien
Gruber, Sabine (2009): ArbeitFairTeilen – eine Einführung. In: Stephan Krull, Mohssen Massarrat, Margarete Steinrücke (Hg.): Schritte aus der Krise. Arbeitszeitverkürzung, Mindestlohn, Grundeinkommen: Drei Projekte, die zusammengehören, Hamburg, 27– 42
Harvey, David (2007): Kleine Geschichte des Neoliberalismus, Zürich
ders. (2010): Marx’ »Kapital« lesen. Ein Begleiter für Fortgeschrittene und Einsteiger, Hamburg
Haug, Frigga (2003): Historisch kritisches Wörterbuch des Feminismus, Bd. 1, Hamburg
Hinterberger, Fritz, Harald Hutter, Ines Ohmann et al. (Hg.; 2009): Welches Wachstum ist nachhaltig? Ein Argumentarium, Wien
Kocka, Jürgen u. Claus Offe (Hg.; 2000): Geschichte und Zukunft der Arbeit, Frankfurt/M
Stichwort »Arbeit«, in: HKWM 1
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.