King Artus und das Geheimnis von Avalon. Pierre Dietz

King Artus und das Geheimnis von Avalon - Pierre Dietz


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      Mit der flachen Hand schubst der Aufgebrachte sein Hindernis aus dem Weg. Von dem brutalen Vorgehen erschüttert fällt die aus dem Gleichgewicht Gekommene über ihren Koffer und schlägt schreiend auf den Boden auf. Aus einer Platzwunde an der Stirn rinnt Blut. Die Bahn kommt zum Stehen.

      „Was fällt Ihnen ein?“, wettert die zutiefst Empörte. „Ich zeige Sie an! Haltet diesen Verbrecher!“

      Die Automatiktür öffnet sich. Marcel setzt zum Sprung auf den Bahnsteig an. Eine Hand an seinem T-Shirt hält ihn zurück.

      „Lauf nicht weg, Amidieu! Ich finde dich, wo immer du dich versteckst!“

      Das T-Shirt zerreißt.

      „Du kommst mir nicht davon!“, knurrt der Häscher.

      Die Handtasche der Gestürzten saust durch die Luft. Ein heftiger Schlag an den Hinterkopf des Betrunkenen, bringt ihn zu Fall.

      „Sie bleiben“, droht die Aufgebrachte, „bis die Polizei kommt! Ihr Verhalten hat ein Nachspiel!“

      Ohne sich umzudrehen, rettet sich Marcel, seinen Koffer hinter sich herziehend, in die Innenstadt.

       Juli 1996

      Der Gedanke, mit dem Zug weiterzufahren, bereitet ihm Unbehagen. Was, wenn der Glatzkopf am Bahnsteig auf ihn wartet? Marcel versteckt sich in einem kleinen Park neben dem »Musée des Beaux-Arts« und wechselt dort sein T-Shirt. Gegenüber steht eine Telefonzelle. Die Schwester seiner Mutter erklärt sich bereit, ihn mit ihrem Auto abzuholen. Treffpunkt ist die gegenüberliegende Uferstraße. Bis dahin sind, je nach Verkehrslage, bis zu drei Stunden Wartezeit zu überbrücken. Dem Gejagten fehlt die Ruhe in der Zwischenzeit alte Gemälde zu betrachten. Gespannt schweift der Blick die »Avenue Jean-Janvier« Richtung Bahnstation hinunter. Der Junge fragt sich, wer in besagter Nacht aus dem Ufo gestiegen ist. Weshalb lohnt der Aufwand, ihn nach so langer Zeit weiterhin zu verfolgen? Oder ärgert sich der Soldat nur deshalb, die Nerven verloren und auf ihn geschossen zu haben?

      Zweihundertzehn quälende Minuten später rollt der uralte weiße Peugeot 203 Cabriolet über den »Quai Châteaubriand«. Die Inneneinrichtung des Zweisitzers besteht aus rotem Leder und riecht modrig. Das Verdeck hat Risse. Die feuchte Seeluft verhindert das Austrocknen der eingenisteten Pilze und Flechten. Im Fahrtwind des langsam fahrenden Wagens flattert das Kopftuch der glücklichen Tante.

      „Was hat der Typ von dir gewollt?“, erkundigt sich Louane. „Am Telefon habe ich nur »Bahnhof« verstanden!“

      „Das ist recht kompliziert.“

      „Ich verstehe! Manche Gedanken brauchen Zeit, um sich zu setzen, und gewisse Erlebnisse ausreichend Abstand, bevor du darüber sprichst.“

      „Ich habe dank des Vorfalls bisher nichts gegessen!“

      „Ich kenne ein sympathisches Restaurant in »Larmor-Baden«, das von außen nicht sonderlich schick ist, aber eine ausgezeichnete heimische Küche hat. Von dort genießen wir einen grandiosen Ausblick auf die sagenumwobene Landschaft der Apfel-Inseln. Ich habe dir einiges zu erzählen.“

      Am Golf von »Morbihan« angekommen hält das Auto auf einer Landzunge im Hafen der Stadt an. Das Wetter klart auf. Dünne weiße Wolken treiben nach Osten ins Landesinnere. Der Wind riecht nach Jod. Marcel holt tief Luft, um den Großstadtmief aus seiner Nase zu verbannen. Die Wellen rauschen im Sand oder gluckern unter den Booten. Der Strand ist übersät mit Muschelschalen, Seetang und toten Krebsen. Die wärmende Sonne taucht die Szenerie in ein friedliches Licht.

      „Die Gegend ist ganz anschaulich, Tante Louane!“

      „Du untertreibst! Dies ist der magischste Ort auf der ganzen Welt!“

      „Übertreibst du nicht ein wenig? Eine alte Pinie, ein paar Häuser, ein kleines Schloss und eine Hafenmole. Der Ort hat nichts Eminentes.“

      „Ich spreche von dem See!“

      „Ist das ein See oder ein Meeresarm?“

      „Dieses Gewässer ist in mystischer Zeit einmal ein verzauberter See gewesen, bevor der Fluss »Auray« das trennende Land weggeschwemmt hat.“

      „Soso! Verzaubert. Ich sehe nur verendetes »Frutti di Mare«.“

      „Das Wasser ist mit den Gezeiten gekommen und verschwunden. Die Menschen damals haben für den Vorgang keine Erklärung gehabt. Zur passenden Zeit angekommen sind hier die Wiesen aufgetaucht und die Inseln sind leicht erreichbar gewesen. Wenn die Sonne auf das nasse Gras geschienen hat, ist Dunst aufgestiegen. Die sagenhaften Nebel von »Avalon«! Oder auf Keltisch: Ãbállon.“

      „Von der Seeluft bekomme ich Hunger!“

      „Du hast recht! Wir essen etwas und ich lege dir dar, was ich in Erfahrung gebracht habe.“

      Gleich ein paar Hundert Meter weiter steuert die Tante den nächsten Parkplatz an. Eine Mauer hindert einen kleinen Abhang, abzurutschen. Ein wenig schicker Bungalow, der auf einer durchgehenden Garage steht, beherbergt ein Restaurant mit großen Fenstern. Davor und an der Seite erstreckt sich eine Terrasse mit Seeblick. Liegende Betonstäbe mit Löchern verunstalten das Geländer. Ein Kellner stellt nach dem Regenschauer des Vormittags die Bestuhlung wieder auf.

      „Hübsch ist das Ambiente wahrlich nicht!“

      „Sitzen wir draußen?“, fragt Louane reflexartig.

      „Der Wind ist zu heftig! Hinter den Scheiben wärmen uns die Sonnenstrahlen.“

      „Drinnen sehen wir genug!“

      Der Ober mittleren Alters, der schon bessere Tage erlebt hat, empfiehlt Taschenkrebs, Salzlamm mit weißen Bohnen samt Röstkartoffeln und flambierten Crêpe.

      „Auf der Insel gegenüber hat einst eine Frau namens Morgane gelebt.

      Die Halbschwester des nebulösen Königs Artus hat die Region der Inseln beherrscht.“

      „Das ist scheinbar Ewigkeiten her.“

      „Durch massive Unruhen hat das Römische Reich zu jener Zeit die Vormachtstellung eingebüßt. Auf ihrer langen Wanderung haben die Goten eine Waffe mitgebracht, die auf Umwegen zu uns gelangt ist. Neuerdings ist behauptet worden, die Klinge sei aus Kalabrien und mit der »Macht der Götter« ausgestattet gewesen. Der erste Stahl in den Händen der Menschen.“

      Der Junge schaut seine Tante an, als ob diese von einem anderen Stern zur Erde gekommen sei.

      „Binde mir keinen Bären auf!“

      „Hast du je von »Avalon« und von »Excalibur« gehört?“

      „Wer kennt nicht das legendäre Schwert? Im Lateinunterricht haben wir gelernt »ex« heißt »aus«, »cai« bedeutet »Stein« und »libur« meint »frei«. Was hat der Säbel in der Bretagne verloren? Spielt die Artussage nicht in Britannien?“

      „Wir sind in Britanien mit nur einem »N«! Das ursprüngliche Land der Kelten. Und alles geschah in »Letavia« und nicht auf den Inseln!“

      „Beruhige dich! Ich habe verstanden, worauf du anspielst!“

      Der Garçon serviert zwei »Chouchen«1 zum Aperitif.

      „Der schmeckt hervorragend!“, urteilt Marcel.

      „Achten Sie darauf“, mischt sich der Kellner ein, „Wenn Sie zu übermäßig davon trinken fallen Sie unweigerlich auf den Hinterkopf!“

      „Ist das so?“

      „Hier weiß das jedes Kind!“, stimmt Louane zu.

      Die


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