Cork, noch mehr Mord. Ursula Schmid-Spreer

Cork, noch mehr Mord - Ursula Schmid-Spreer


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im Zimmer seiner jüngeren Tochter Donna.

      »Versucht noch etwas zu schlafen, wir müssen morgen zur Garda und da brauchen wir unsere Kraft«, wandte sich Erin an Vater und Schwester.

      Erin und Donna waren sich nur äußerlich ähnlich. Sie waren vom Wesen her grundverschieden. Erin bodenständig, Donna mehr der künstlerische Typ. Ian McCarty, Hauptkommissar bei der Garda County Cork, erkannte das auf den ersten Blick. Der alte Herr an ihrer Seite wirkte zwar gebrechlich, aber sein rotes Gesicht ließ viel Willenskraft erkennen. McCarty wies mit der geöffneten Hand auf die Besucherstühle in seinem Büro und bat die drei, Platz zu nehmen.

      »Mr. John Walter ist stranguliert worden, während er wahrscheinlich gerade den Gitterrost reinigte. Unter seinen Fingernägeln befanden sich Seifenlauge und Partikel eines Putzschwämmchens, das mit Eisenspänen versetzt war. Er trug keine Handschuhe.«

      Ian beobachtete fasziniert das Mienenspiel der Anwesenden. Es reichte von Bestürzung über Trauer zu Unbeweglichkeit.

      »Können Sie mir etwas dazu sagen? Haben Sie etwas gehört?«

      Alle drei schüttelten den Kopf.

      »Nun gut, dann darf ich Sie bitten, meiner Kollegin zu folgen, um den Toten endgültig zu identifizieren. Kein schöner Anblick; er ist mit dem Kopf auf den heißen Gitterrost gedrückt worden. Bitte halten Sie sich zu meiner Verfügung, falls ich noch Fragen habe.«

      »Du lässt sie einfach gehen?« Ians Partner und Kollege schüttelte den Kopf. Er hatte vom Nebenzimmer aus alles gehört und konnte die Familie Sullivan ausgiebig beobachten.

      »Ich will sie ein bisschen schmoren lassen, vielleicht auch in Sicherheit wiegen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Samhain nichts damit zu tun hat. Ich glaube auch nicht, dass John das Zufallsopfer einer verkleideten Hexe war. Einer von den drei Sullivans wars, da bin ich mir sicher. Es ist niemand von außen reingekommen und hat diesen Oberkellner umgebracht.«

      »Er hatte doch viele Frauengeschichten. Vielleicht hat er nicht einmal vor verheirateten Frauen haltgemacht?«, warf der Assistent ein.

      »Das schaut mir eher nach einer Affekttat aus«, ließ sich Ian nicht aus dem Konzept bringen. »Der Zeitpunkt war wohl günstig. Also auf, Recherchearbeit, Nachbarn befragen, schnüffeln eben.«

      Zwei Tage später hatte Ian McCarty einen Packen Papier auf dem Schreibtisch liegen. Mit seinem Kollegen ging er die einzelnen Punkte noch einmal durch. »Ich hatte wieder einmal recht – ruf die drei Sullivans an, sie sollen heute Nachmittag in die Garda kommen.«

      Sichtlich nervös und angeschlagen saßen die beiden Damen Erin und Donna vor ihm. Mister Sullivan war blass, seine Augen flackerten.

      *

      Ian hielt kurz inne. Seine drei Kollegen hatten ihn kein einziges Mal während seiner Erzählung unterbrochen.

      »Die Befragungen haben ein interessantes Bild ergeben. In vielen Familien gibt es Leichen im Keller; nie wird darüber gesprochen. Und dann kommt es zur Katastrophe. Es ist nicht immer das, wonach es aussieht. Ihr werdet überrascht sein, wer letztendlich John Walter umgebracht hat und warum.«

      *

      »Ich fange mit Ihnen an, Erin. Eigentlich wollten Sie etwas anderes machen, aber die Tradition hat Sie verpflichtet, das Geschäft zu übernehmen. Sie haben sich all die Jahre nie getraut, Ihrem Vater zu sagen, dass Sie Vegetarierin sind und die Sausages nicht einmal riechen können. Es ekelt Sie richtig davor. Nur mit Mühe konnten Sie John davon abhalten, dass er Sie an Ihren Vater verpetzt.«

      Erin schlug betreten die Augen nieder. Ganz fest presste sie die Lippen aufeinander. Man sah deutlich, wie sie ihre Schultern straffte und selbstbewusst sagte: »Und daraus leiten Sie ein Mordmotiv ab? Lächerlich!«

      »Sie waren ganz froh, dass Ihr Vater diesen John, trotz seiner dunklen Vergangenheit, damals als Lehrling einstellte. So mussten Sie wenigstens keine Metzgerlehre machen. Allein der Gedanke, Tiere schlachten zu müssen, das viele Blut, all das verursachte Ihnen Ekelgefühle.« Kommissar Ian McCarty sah Erin fest an. Dann wandte sich sein Blick zu Aaron Sullivan. »John war anfänglich dankbar und sehr gefügig. Irgendwann einmal muss diese Dankbarkeit in Hass umgeschlagen sein. Was war der Auslöser? Haben Sie ihn schikaniert, Mr. Sullivan? War das der Zeitpunkt, als Sie ihn wissen ließen, dass er nur ein Angestellter für Sie war und dass er nichts, aber auch gar nichts zu erwarten hatte?«

      Aaron Sullivan schnappte hörbar nach Luft. Auch seine Töchter sahen ihn entgeistert an.

      »Aber Daddy«, meinte Donna, »du wolltest ihm doch die Metzgerei überschreiben, nachdem Erin und ich sie nicht haben wollten.«

      Der alte Herr sagte noch immer kein Wort. Er machte nur »pfff«.

      »Und Sie, Donna«, fuhr Ian unbeeindruckt fort, »Sie hatten alle Freiheiten, die Sie nur wollten. Sie durften sich Ihrer brotlosen Malkunst widmen. Nur, der Herr Papa hat Ihnen den Geldhahn zugedreht, als sich herausstellte, dass Ihre Bilder unverkäuflich waren. Sie sollten endlich mal einen Abschluss machen – den haben Sie nämlich immer vor sich hergeschoben – und nicht nur sein sauer verdientes Geld ausgeben.«

      Donna sog die Luft durch die Nase, atmete prustend aus, sah ihre Schwester schuldbewusst an.

      »Sie hätten also alle drei ein Motiv. Ich habe überlegt: Erin, Sie haben sich ein bisschen was auf die Seite gelegt. Hätte John gepetzt, wäre das für Sie kein Weltuntergang gewesen. Außerdem waren Sie sich sicher, dass Sie Ihrem Vater zu wertvoll waren, als dass er die Metzgerei und den Pub dann aufgegeben hätte.« Ian wandte sich an Donna. »Sie konnten Ihren Vater schon immer um den Finger wickeln. Und Sie wussten, wenn Sie dem alten Herrn ein bisschen schmeichelten, dann hätte er schon wieder ein Scheinchen locker gemacht. Ja, somit bleiben nur noch Sie übrig, Mister Sullivan.«

      Erschrocken sahen die beiden Damen ihren Vater an.

      »Erpressen wollte er mich, der Saukerl«, schrie Aaron Sullivan unbeherrscht los. »Erpressen, mein Sausagerezept wollte er an die Konkurrenz verkaufen. Seit Jahrzehnten ist es im Familienbesitz, und dieser hergelaufene Kerl, dem ich eine Ausbildung und Arbeit gegeben habe, der wollte mich erpressen. Außerdem hat er meine Töchter gegeneinander ausgespielt. Und hinter ihren Rücken hat er es mit jedem Rock getrieben. Die Gelegenheit war günstig, als er da so am Herd stand. Ein Liedchen hat er sogar gepfiffen. Ich konnte nicht anders handeln, Herr Kommissar.«

      Sullivan wurde abgeführt. Seine Töchter verließen zutiefst betroffen das Büro.

      *

      »Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich tief seufzte und den Aufkleber ›erledigt‹ auf die Akte Wurstmord gestempelt habe«, sagte Ian.

      Es war eine Weile still am Tisch. Dann ergriff Daniel das Wort. »Nach außen hin ist oft eitel Sonnenschein.«

      Und Mick ergänzte: »Und drinnen herrschen Abgründe.«

      »Prost«, sagte Kevin und erhob sein Glas. »Wisst ihr eigentlich, warum man Kürbisse aushöhlte, damit sie wie Fratzen aussehen?«

      Die anderen lachten, schüttelten verneinend den Kopf.

      »Dann habe ich eine schöne Legende für euch«, ergriff Daniel erneut das Wort. »Hört zu! Sie geht auf Jack O’Lantern zurück. Jack der Hufschmied war ein schlimmer Trinker, jeden Abend saß er in der Dorfkneipe. Auf einmal stand der Teufel neben ihm, das soll am 31. Oktober gewesen sein. ›Es ist Zeit‹, sagte der Teufel, dass ich dich in die Hölle hole.

      Jack war sehr gewitzt, überlegte fieberhaft, wie er dem Teufel ein Schnippchen schlagen könnte. So bat er ihn um ein letztes Glas Bier. Als Gegenleistung würde der Teufel dann seine Seele bekommen.

      Der Teufel ließ sich auf den Handel ein. Der Wirt wollte sich das Bier natürlich bezahlen lassen, aber der Teufel hatte kein Geld. So verwandelte er sich in höchster Eile in ein Geldstück.

      Jack trug immer ein Silberkreuz in seiner Tasche und steckte blitzschnell die Münze dazu. Somit war der Teufel gefangen und konnte nicht


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