Vegane Waffeln. Claudi Feldhaus

Vegane Waffeln - Claudi Feldhaus


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an Pamis Schulter. Ihre Arme hielten meinen krummen Rücken, sie streichelte über mein verschwitztes Hemd. Und so heulte und schrie ich alles heraus und schämte mich fast zu Tode.

      »O Aili, du, die immer alles googelt, immer so vorsichtig, immer so misstrauisch bist … Der muss dich ja total clever gelinkt haben.«

      Ich heulte noch lauter.

      »Bitte verzeih dir das selbst, my Dear! Bitte, tu es für mich!«, flehte Pami irgendwann, denn sie ahnte, wie groß die Vorwürfe waren, die ich mir machte.

      »Das kann ich dir nicht versprechen«, flennte ich. »Ich bin so blöd, blöd, blöd!«

      »Hör schon auf!«, sagte sie.

      Dann hatten wir sehr lange geschwiegen.

      »Kündigen wir den Vertrag?«, hatte sie schließlich gefragt.

      »Können wir es uns leisten, so einen guten Kunden zu verlieren?«

      »Nein.«

      »Also nicht.«

      Von diesem Zeitpunkt an hatte Pami die Auslieferungen übernommen, ich sprang nur in Notfällen ein. Und ich hatte mir hoch und heilig geschworen, künftig noch vorsichtiger und misstrauischer zu sein.

      Der Flashback mündete darin, dass ich meinen Entschluss von damals erneuerte. Das kühlte meine Wut ab. Ich startete den Wagen und fuhr langsam aus der Tiefgarage. Pamis Nachricht, in der sie mir schrieb, ich solle anrufen, wenn etwas sei, ignorierte ich. Ich biss die Zähne zusammen und fuhr unter Geschrammel nach Hause. Zu meiner Überraschung saßen meine Beste und ihre Tochter in der Küche.

      »Wie siehst du denn aus?«, fragte Pami mich, als sie mein wutverzerrtes Gesicht sah.

      »Sam war da.«

      »Kacke! Wie schlimm war es?«

      »Drückt mich!«, verlangte ich, die Arme ausbreitend.

      Sofort sprangen sie herbei. Lina umarmte meine Oberschenkel, Pami meine Schultern, und beide nahmen mich so fest in den Klammergriff, dass ich fast erstickt wäre.

      Der Ofen piepte, und hinter seiner Tür kamen phallische Mürbeteigstangen zum Vorschein, die mich trösten sollten. Während ich energisch auf einer Stange herumkaute, erzählte mir Lina von dem Gespräch in der Schule. Wie zu erwarten, hatte die Rektorin Milde walten lassen und Jasons Eltern beschwichtigt. Für die meisten Schüler war die Kleine schon längst eine Heldin. Sie hatte sich tatsächlich mit dem älteren kiezbekannten Grobian geschlagen, um eine deutsch-polnische Zweitklässlerin namens Marie zu beschützen. Im Essenssaal hatte der kleine Randalierer Maries Teller heruntergeschlagen und sie zwingen wollen, vom Boden zu essen. Das Aufsichtspersonal war einmal mehr auf dem rechten Auge blind gewesen, und so war Lina von ihrem Platz aufgesprungen und hatte sich zwischen Marie und Jason gestellt. Da seine Freunde dabei waren, hatte er sich stark gefühlt und Lina provoziert. Ihr waren die Tran-Zwillinge zur Hilfe gekommen, die mit ihr Wing Tsun lernten, und gemeinsam hatten sie die Typen verscheucht.

      Wenn Linas Gerechtigkeitssinn angespornt wurde, vergaß die Kleine ihre Schüchternheit. Die Eigenart, in einer Schlägerei über sich selbst hinauszuwachsen, hatte sie von ihrem nichtsnutzigen Vater geerbt.

      Am Freitagmorgen lieferten wir eine riesige Muffintorte direkt in die Montessori-Schule nach Köpenick, was uns viel Publicity einbrachte. Als es Nachmittag wurde, gingen wir gemütlich die Bestellungen für die nächste Woche durch und tranken Kaffee. Lina hatte nach unserem DVD-Abend das Sofa in meinem Schlafzimmer für sich entdeckt und zog es nun vor, dort ihre Hausaufgaben zu machen. Lange war dieser Raum nur für mich da gewesen, es machte mir aber nichts aus, dass das Kind in meinen Privatbereich eindrang.

      Mein Handy piepte, und mir wurde schlecht, als ich sah, dass ich eine SMS von Sam bekommen hatte.

      Pami bemerkte mein blasses Gesicht und wusste sofort, wer geschrieben hatte. »Was will der Sack?«

      »Hallo, Tigris«, las ich vor, »freue mich, Dich nächsten Mittwoch im Büro zu sehen. Komm doch, nachdem Du Deine kleine Lieferung überbracht hast, bei mir vorbei. S. L.«

      »Auch noch Initialen! Der zieht echt alle Register in Sachen Widerlichkeit.«

      Ich wollte gerade sagen, dass wir so tun würden, als hätte ich nie eine SMS von ihm bekommen, und Pami bitten, die Lieferung zu übernehmen, da schrieb er erneut.

      »Wenn Du nicht vorbeikommst, betrachte unsere süße Geschäftsbeziehung als gekündigt. Diese und alle möglichen mit anderen namhaften Berlin-Mitte-Firmen!« Noch bevor ich zu Ende vorgelesen hatte, sprang ich auf. Pami warf den Ordner auf den Fußboden und hielt mich fest, während ich wild mit den Armen fuchtelte und himmelschreiende Verwünschungen ausstieß. Ich endete mit der Frage, die schließlich Lina anlockte: »Was glaubt dieser Wichser eigentlich, wer er ist?«

      »Was willst du machen?«, wollte Pami wissen, die sich wieder auf ihren Bürosessel gesetzt hatte.

      »Was kann ich schon machen? Ich muss tun, was das Beste für das Geschäft ist. Der wird ja wohl nicht über mich herfallen!« Ich lief im Büro auf und ab und warf Zettel durcheinander.

      Lina stand schweigend im Türrahmen und besah das Chaos.

      »Wenn doch, schrei laut und sieh zu, dass du Zeugen hast! Dann verklagen wir ihn«, sagte Pami.

      »Mal ernsthaft, was will der von mir? Wieso lässt er mich nicht in Ruhe?«

      »Weil er dich nicht haben kann. Das ist er nicht gewohnt.«

      »Ach!«, stieß ich aus und warf mich auf den Boden.

      »E-Ein Mann, der in Aili v-verliebt ist, ä-ärgert uns?«, fasste Lina zusammen.

      »Liebe, pah! Ich bin für den nur ’ne Beute!« Ich lag auf dem Rücken, trampelte mit den Füßen und verkloppte den Fußboden mit den Fäusten, als ob der etwas dafürkönnte.

      »Ä-Ärger dich nich’, so sind M-Männer eben!«, erklärte die Kleine, drehte sich, unsere überraschten Gesichter ignorierend, um und ging zurück aufs Sofa.

      »Besser, sie weiß es heute als morgen«, seufzte Pami. »Vielleicht lässt sie das nicht so blauäugig an Liebesdinge rangehen wie uns, als wir Jungs plötzlich nicht mehr doof fanden.«

      »Oder sie wird Mädchen mögen«, schlug ich hoffnungsvoll vor.

      »Wir werden es erfahren …«

      »Sie hat deinen Vater als positives Beispiel …«

      »Jupp, Papi ist lieb, aber ich steh trotzdem auf Arschlöcher. Vielleicht hab ich das auf Lina übertragen.«

      Aha, jetzt geht es also wieder um dich, dachte ich mir. Pamis Spruch klang zu resigniert, als dass ich nicht nachfragen musste. »Was ist denn mit Kastanienhof?«

      »Ach, ich weiß auch nicht. Anfangs war es wirklich heiß, aber jetzt … Er ist irgendwie süß und nett. Und er will Lina kennenlernen.«

      »Ja? Ich höre angestrengt zu …«

      »Mich deucht, das ist das Problem«, seufzte Pami schwermütig.

      »Wie meinen, Mylady?«

      »I told you so. Ich mag Arschlöcher. Und wenn sich ein 24-jähriger Musikstudent mit tiefhängenden Jeans und Tunneln in den Ohrläppchen wider Erwarten als guter Kerl entpuppt … Einer, der dich erst die ganze Nacht bereitwillig mit seinem Schwanz spielen lässt, dich dann am nächsten Tag mit zur Taufparty einer befreundeten Familie nimmt und dich mit ›Das ist sie!‹ vorstellt …«

      Ich wartete immer noch auf das Problem.

      Dann atmete Pami durch und sagte traurig: »Kennst du das, wenn der Deckel endlich auf den Topf passt, aber die Herdplatte einfach nicht mehr warm werden will?«

      »Nö. Woher auch? Aber die Arschlöcher machen dich auch nicht glücklich …«

      »Glücklich …« Sie lächelte mich ironisch


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