Vegane Waffeln. Claudi Feldhaus

Vegane Waffeln - Claudi Feldhaus


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damalige Chefsekretärin auf unsere Flyer aufmerksam geworden und hatte unseren Service vorgeschlagen: Zu jedem Sales-Meeting, das immer mittwochs stattfand, sollten für alle zehn Makler hippe Cupcakes geliefert werden. Das taten wir natürlich gerne, denn dieser Kunde legte nicht auf, wenn wir sagten: »Wir liefern gerne, aber das kostet extra. Und unsere Preise sind nicht verhandelbar.« Viele wollten dann feilschen, aber Pami und ich hatten uns geschworen, keinen »Geiz-ist-geil«-Betrieb aufzumachen, in dem wir uns für einen Hungerlohn krumm buckelten. Zum Potsdamer Platz zu liefern kostete einen Zehner extra, doch bei dreißig bis vierzig Cupcakes fiel das für den Kunden kaum ins Gewicht.

      So sah der Chef von dem Laden das auch. Sein Motto lautete: Qualität kostet. Die erste Lieferung vor einem Jahr hatten Pami und ich zusammen gemacht – wir waren natürlich neugierig gewesen, wie so ein Schickimickibüro mit Aussicht auf das Sony Center aussah. Und immer noch war ich jedes Mal beeindruckt, wenn ich mit dem Fahrstuhl aus der Tiefgarage hochfuhr und von der Empfangsdame eingelassen wurde: dunkles Parkett, zwei Großbildschirme, auf denen CNN und N24 liefen, Orchideen und hinter dem breiten, hellen Tresen mannshohe Fenster mit Blick auf den Potsdamer Platz.

      »Hallo, Aileen!«, begrüßte mich das Empfangsmäuschen Chris. Das hielt es dort schon lange genug aus, um die meisten Lieferanten beim Namen zu kennen. Entweder war sie masochistisch und gerne Sandsack ihrer Chefs oder so stark und clever, dass sie ihnen Paroli bot, ohne dass die es merkten. Beruflich mochten Makler nämlich keine Frauen mit cojones.

      »Sie wissen ja, wo es langgeht.« Sie lächelte und nahm mir den Lieferzettel aus dem Mund.

      Ich nickte und trug die Cupcakes in die Mitarbeiterküche. Chris folgte mir kurz darauf, und ich half ihr, die Teilchen auf die Tabletts zu verteilen.

      »Nächste Woche sind wieder alle da, dann brauchen wir vierzig Stück«, erklärte sie mir, während wir anrichteten.

      »Alles klar. Ist er heute da?«, fragte ich sie dann. Chris lächelte immer noch seriös. Sie wusste, was mein Problem mit dieser Firma war: ihr Chef. »Nein, er ist noch im Mittagstermin. Sie haben Glück. Ich war überrascht, dass Sie heute liefern. Aber ich freue mich, Sie mal wiederzusehen, Aileen!«

      Es freute mich, dass sie sich freute. Ob das tatsächlich so war oder sie nur ihre unverbindlichen Small-Talk-Fertigkeiten schulte, konnte ich jedoch nicht einschätzen. Sie signierte meinen Lieferschein sowie den Bestellschein für die nächste Woche, und ich trollte mich. Am Fahrstuhl angekommen, fühlte ich mich sicher. Doch dann öffnete sich die Tür, und vor mir stand natürlich Doktor Samuel Linder, Arschkrampe himself.

      »Aileen!«, rief er mit gespielter Überraschung aus. Bestimmt hatte ihm irgendeiner seiner Leibeigenen gesimst, dass ich heute da war, und da hatte er seinen Mittagstermin früher beendet.

      Noch bevor ich meinen Schock verwunden hatte, riss er mich in den Fahrstuhl und an seine breite Brust. Ich inhalierte unwillentlich seinen Geruch: sportlich das Rasierwasser, süßlich die Wäschestärke in seinen Kleidern, betörend seine frischgewaschenen, vollen Haare. Ehe meine Geschlechtsorgane reagieren konnten, kam ich zur Besinnung und riss mich von ihm los. Doch die Fahrstuhltür schloss sich hinter uns, und Lindner baute sich vor mir auf.

      »Fass mich nicht an!«, fauchte ich, als er wieder näher kam.

      »Aileen, meine Raubkatze«, säuselte er, und seine gierigen Augen fixierten meinen Mund.

      Ich stieß ihn von mir, doch er ließ nicht locker und nahm meine Hände.

      »Was spricht gegen einen Kuss, meine Tigerin?« Ich machte meine linke Hand los, zeigte auf seinen Ehering an seiner Rechten, und mit meiner Rechten in seiner linken Hand boxte ich ihm gegen die Wange. Er taumelte, ich sprang zu den Knöpfen und öffnete die Fahrstuhltür. Dann stieß ich ihn hinaus und schrie: »Wenn du das noch mal versuchst, sag ich’s deiner Frau!«

      »Mach das!«, entgegnete er grinsend. »Sollte sie dir glauben, wird sie mir verzeihen.«

      Mein Kopf glühte, als sich die Türen schlossen und der Fahrstuhl endlich in die Tiefgarage fuhr.

      Als ich Sam das erste Mal getroffen hatte, hatte er keinen Ring getragen. Auch hatte er mit keiner Silbe erwähnt, dass er unfrei war und dass ich nur Mittel zum Zweck sein sollte, um eine andere Frau zu verarschen. Ich gebe zu, anfangs fühlte ich mich schlicht geschmeichelt, dass so ein Jungunternehmermäuschen wie ich seine blauen Augen zum Strahlen brachte.

      Zwei Monate nach der ersten Lieferung lud er mich schließlich zu einem Kaffee ein und erklärte mir, wie begeistert er von unserem Konzept sei. »Selbstgebackene vegane Süßigkeiten, Aileen Vastner, ich ziehe den Hut vor Ihnen und Ihrer Geschäftspartnerin! So mutig, so durchdacht! Ich weiß, Sie werden es schaffen. Ich sehe Ihr Backimperium schon vor mir!«, palaverte er.

      Ich sog seine Worte förmlich in mich auf, so sehr hatte ich mir einen solchen Zuspruch in diesen ersten harten Monaten gewünscht. »Aber wir haben noch viel zu lernen«, wiegelte ich schüchtern ab, sehr darauf bedacht, meinen verkürzten Daumen in der Hosentasche zu verstecken.

      »Sie sind auf dem richtigen Weg. Qualität kostet, und Sie liefern Qualität, Aileen.«

      Bei diesen Worten lächelte er charmant. Ich sehe ihn noch genau vor mir: sein hübsches, markantes Gesicht, die Krawatte keck gelockert, sein blonder Schopf perfekt frisiert, der Anzug auf seinen sportlichen Leib geschneidert. Bedächtig rührte er in seinem doppelten Espresso.

      Ich war zu blöd, nicht sofort auf seinen rechten Ringfinger zu achten, sonst hätte ich vielleicht den Abdruck des Hinweises auf seine Ehe gesehen. Vermutlich ließ er den Ring jedes Mal, wenn er mich auf dem Gang seines Büros erblickte, in der Hosentasche verschwinden.

      »Ich habe die Firma von meinem Vater übernommen«, gestand er. »Ich habe von klein auf gelernt, was ich zu tun habe. Sie aber springen ins kalte Wasser. Ich bewundere solche Jungunternehmer wie Sie!«

      Er glaubt an uns!, dachte ich. Wie gerne hörte ich diese Worte nach den Einwänden von all den Zweiflern – meiner Mutter, Klaus, Pamis Eltern, die zwar einverstanden waren, aber niemals auf die Idee gekommen wären, unsere Pläne euphorisch zu unterstützen. »Wenn sie uns nicht tadeln, heißt das, sie loben uns«, hatte Pami gescherzt. »Nimm’s nicht so schwer, my Dear! Hauptsache, wir glauben selbst an uns!« Sie hatte ja recht, das hätte mir reichen sollen. Sams Lob war mir trotzdem so willkommen, dass ich meine sonstige Vorsicht völlig vergaß. Dieser fünfzehn Jahre ältere Millionär fand mit seinen Worten den Weg in mein Herz – und in meine Hose. Ich wurde süchtig nach Gesprächen mit ihm, nach seinen Tipps, die uns, zugegeben, einige Unannehmlichkeiten mit Kunden und Ämtern ersparten. Ich himmelte ihn an.

      Als ich ihm eines Tages nach einer Lieferung im Parkhaus begegnete und er mich stumm an sich zog, fühlte ich mich trunken vor Glück. Dass dieser bewundernswerte Kerl mich attraktiv fand – mich hässliches Entlein! –, dass er mich schelmisch lächelnd auf die Rückbank seines Porsche Geländewagens legte und nach allen Regeln der Kunst durchvögelte, dass er mir danach schmeichelhafte SMS schickte: Das alles war mir unbegreiflich.

      Zu Hause konnte ich mich eines breiten Grinsens nicht erwehren, und Pami fragte unwillkürlich: »Wie heißt er?«

      »Sam.« Ich lächelte noch breiter.

      »Welcher Sam?«, rief sie daraufhin erschrocken aus.

      »Du weißt, welcher Sam!« Ich drehte mich allen Ernstes um mich selbst und tanzte in der Küche herum, ehe Pamis schockiertes Gesicht in mein Blickfeld geriet. »Es tut mir leid, es ist einfach passiert. Und es fühlt sich so gut an. Nun guck nicht so, du müsstest das doch verstehen!«, entgegnete ich. Käme jetzt ein Vortrag darüber, dass man nicht mit seinen Kunden schläft? Gerade von ihr, die der verbotenen Liebe auch gefrönt hatte?

      Aber es kam etwas viel Schlimmeres.

      »Aili … Du weißt nicht, dass er verheiratet ist, oder?«

      Der Boden unter mir bebte. Wie vom Donner gerührt, starrte ich sie an.

      Leise setzte sie nach: »Und es ist keine offene Ehe.«

      Ich spürte die Tränen in meinen Augen, noch bevor


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