Beutewelt VI. Friedensdämmerung. Alexander Merow

Beutewelt VI. Friedensdämmerung - Alexander Merow


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werden wir oder unsere Nachfahren uns eines Tages wieder mit den Logenbrüdern auf dem Schlachtfeld auseinandersetzen müssen, aber wir sollten jede friedliche Minute nutzen, um aufbauend und konstruktiv unserem Land zu helfen“, verkündete Artur Tschistokjow immer wieder.

      Schließlich gab er sogar zu, dass er des ständigen Kämpfens gründlich müde geworden war und manchmal schien er fast selbst daran zu glauben, dass es einst so etwas wie eine friedliche Koexistenz des Weltverbundes und der freien, unabhängigen Staaten auf Erden geben könne.

      Thorsten Wilden warf seinem Freund und Weggefährten hingegen Kurzsichtigkeit vor; er forderte ihn auf, sein Augenmerk auch weiterhin auf die militärische Aufrüstung Russlands zu legen und das Treffen abzusagen. Doch Tschistokjow war fest entschlossen, den Weltpräsidenten am 16.11.2042 in St. Petersburg zu empfangen.

      „Als oberster Mann des Nationenbundes der Rus trage ich die volle Verantwortung für mein Volk und ich bin verpflichtet, keine Möglichkeit auf Frieden auszuschlagen“, verteidigte Tschistokjow seine Position.

      Bald waren es kaum noch zwei Wochen, bis das Oberhaupt des Weltverbundes Russland zu besuchen gedachte, und die Vorbereitungen für das Treffen der beiden Staatsmänner liefen bereits auf Hochtouren.

      Tschistokjow wollte seinem Gast einen beeindruckenden Empfang bereiten; er schien ganz auf die Verführungskünste der Logenbrüder hereinzufallen – schneller als es diese erwartet hatten.

       Friedensgespräche

      „Der Weltpräsident kommt zu uns?“, rief Frank völlig verblüfft, sein Sessel kippte fast nach hinten weg.

      Auch Julia stand mit weit aufgerissenen Augen vor dem Fernsehkasten und verfolgte die Nachrichtensendung auf dem ausländischen Kanal. Friedrich hingegen spielte am anderen Ende des Wohnzimmers mit einigen Bauklötzen, lachte ab und zu laut auf und schien die weltpolitische Brisanz des angekündigten Staatsbesuches ziemlich zu ignorieren.

      „Der Weltverbund hat sich entschlossen, dem russischen Diktator Artur Tschistokjow eine Chance zu geben und wird in Zukunft versuchen, auf diplomatischem Wege eine Einigung mit dem neu entstandenen Nationenbund der Rus zu erzielen.

      Bei diesem ersten Friedengespräch mit Russland wird es unter anderem um eine zukünftige Neuausrichtung der außenpolitischen Verhältnisse gehen, allerdings werde der Weltpräsident auch die Problematik der Aufrüstung und der Menschenrechtsverletzungen in Russland ansprechen“, verkündete die Nachrichtensprecherin.

      „Dieser Hund kommt tatsächlich zu uns! Ich dachte, dein Vater hätte einen Scherz gemacht, als er mir erzählt hat, dass Artur den Kerl empfangen will“, murmelte Kohlhaas in Julias Richtung. Er konnte es einfach nicht fassen.

      „Humanität und Pazifismus sind die Grundpfeiler der neuen Weltordnung und es ist wichtig, auch Staaten wie Japan und Russland zurück in den Kreis der friedliebenden Nationen zurückzuführen und Kriege in Zukunft zu verhindern“, erklärte der Weltpräsident bei einer Pressekonferenz in New York.

      Frank und Julia rümpften die Nasen; sie betrachten die neue Taktik des Weltverbundes mit berechtigter Skepsis.

      „Die planen doch wieder etwas“, flüsterte die Tochter des Außenministers, gebannt auf den Fernsehbildschirm starrend.

      „Humanität und Pazifismus! Wie lächerlich!“, zischte Frank und schaltete das Gerät ab.

      Die nächsten Stunden dieses aufregenden Tages waren von langen Gesprächen zwischen Julia und ihm geprägt. Auch Alfred kam mit Svetlana zum Abendessen vorbei, um sich ausführlich über die neue Situation auszulassen. Franks bester Freund wirkte ebenfalls verstört und stellte wilde Spekulationen bezüglich des baldigen Besuches des Weltpräsidenten an.

      Sie hatten mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Dass die Logenbrüder auf einmal vorgaben, den Frieden zu wollen, verwirrte sie zutiefst. Zwei Tage später wurden Frank und Alfred von einem aufgeregten Artur Tschistokjow nach St. Petersburg gerufen, um an den Vorbereitungen für den historischen Staatsbesuch mitzuwirken.

      „Die Waräger sollen als meine Ehrengarde Spalier stehen, wenn der Weltpräsident kommt“, ordnete das Oberhaupt des Nationenbundes an. Er machte den Anschein, als würde zumindest ein Teil von ihm doch an ein friedliches Auskommen mit dem Weltverbund glauben.

      Frank sagte Tschistokjow hingegen gehörig die Meinung. Er war außer sich, ermahnte ihn, den bisher beschrittenen Weg nicht zu verlassen und keine Zugeständnisse zu machen. Ähnlich verhielt sich auch der japanische Präsident Matsumoto, der seinen russischen Bündnispartner mehrfach zu überzeugen versuchte, das Treffen wieder abzusagen.

      „Diese Verbrecher können nur mit dem Schwert niedergerungen werden. Ihre süßen Worte sind nichts als Dolche, die sie uns in den Rücken stoßen wollen!“, erklärte der Japaner, doch der Anführer der Freiheitsbewegung ließ sich nicht beirren. Er war fest entschlossen, den Weltverbund diesmal nicht vor den Kopf zu stoßen.

      „Ich lasse mich schon nicht einwickeln“, versuchte Tschistokjow seine Getreuen zu beruhigen, aber Frank, Wilden und viele andere blieben dennoch skeptisch.

      „Ich würde den Weltpräsidenten viel lieber über den Haufen schießen, wenn ich ihn schon einmal so nahe vor der Mündung habe!“, entgegnete Kohlhaas Tschistokjow daraufhin.

      Doch es half alles nichts. Es dauerte nicht mehr lange, da zeigte das Kalenderblatt den 16. November des Jahres 2042 und der von den Medien weltweit bejubelte Staatsbesuch fand tatsächlich statt.

      St. Petersburg war von Menschenmassen überlaufen und Hunderte von Polizisten und Volksarmisten sicherten die Zufahrtsrouten zum Präsidentenpalast ab, um dem prominenten Gast die ausreichende Sicherheit zu gewährleisten. Tausende von kleinen Russland- und Drachenkopffähnchen wurden geschwenkt, während sich die Masse am Straßenrand sammelte und in der Hoffnung auf eine friedliche Zukunft in Jubel ausbrach.

      General Kohlhaas hätte hingegen würgen können und wurde nicht müde, diese Tatsache jedem seiner Warägergardisten unter die Nase zu reiben. Alf und er standen nun schon eine Stunde lang starr in der ersten Reihe eines Blocks grau uniformierter Elitesoldaten und warteten auf die Ankunft des Besuchers.

      Heute hatten sie sich herausgeputzt wie seit Jahren nicht mehr und ihre glatt gebügelten und geschniegelten Uniformen ließen sie adrett und edel erschienen. Sogar die Knöpfe an den extra für Staatsempfänge angefertigten, neuen Soldatenkleidern blitzten und blinkten wie kleine Diamanten.

      Gegen 15.00 Uhr näherte sich eine schwarze Limousine dem mit roten Samtteppichen belegten und von Warägertrupps bewachten Platz vor dem St. Petersburger Präsidentenpalast. Schließlich hielt die noble Karosse an und der Weltpräsident entstieg ihr mit galanten Bewegungen. Er strich sich durch seine geglätteten, dunklen Haare, während er den Ehrengardisten zu seiner Rechten ein selbstgerechtes Lächeln schenkte.

      „Jetzt einfach die Knarre nehmen und Paff!“, fauchte Kohlhaas still auf Deutsch in sich hinein und versuchte, weiterhin geradeaus zu schauen.

      „Wie bitte, Herr General?“, flüsterte sein Nebenmann.

      Frank drehte ihm kurz den Kopf zu. „Ich habe nur laut gedacht.“

      Seine grünen Augen pulsierten vor Hass und am liebsten wäre er losgesprungen, um den „Menschenfreund“ an Ort und Stelle in Stücke zu hacken. Doch seine Aufgabe war es heute lediglich, gut auszusehen, zu schweigen und zackig zu wirken.

      Nachdem der Weltpräsident aus seiner Limousine gestiegen war, begann er sich vor den zahlreichen Kameras und Journalisten zu postieren, um einige kurze Statements abzugeben. Er bekundete seinen Willen zum Weltfrieden erneut und lächelte dabei zufrieden.

      Nach einer Weile kam auch Artur Tschistokjow in einer Limousine herangefahren und das schwarze, glänzende Gefährt wurde sofort von einem gewaltigen Pulk von Berichterstattern und Journalisten belagert, so dass eine Weiterfahrt kaum noch möglich war. Heute hatten sich alle versammelt, sowohl die Vertreter der Medien des Nationenbundes, als auch Hunderte von Journalisten aus aller


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