Streben nach der Erkenntnis. Klaus Eulenberger

Streben nach der Erkenntnis - Klaus Eulenberger


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Es war und blieb eben ein Taubenschlag. Sie redeten über die Faschingsveranstaltung bei Leistners und wie schlecht es ihnen am Tag darauf ging. Mutti erzählte ihre Story von der Umbestellung der Bauern durch Ursula, da sie nicht in der Lage war, die Beratungen zu führen. Ich sah sie noch in Gedanken mit ihrer Sturmhaube zum Fenster wanken, als sie dann Ursula ihr Vergehen beichtete. Vati schien es wieder besser zu gehen. Er hatte eine Superlaune und war, wie immer, der Mittelpunkt der Gesellschaft. Im Witzeerzählen war er immer Spitze und erzählte sehr viel – alle bogen sich vor Lachen (na ja, Ursula vielleicht nicht, sie war die Einzige, die nur vornehm und zurückhaltend lächelte). Meinen persönlichen Lieblingswitz, den er mir mindestens fünfmal schon erzählt hatte, brachte er auch an. Oma Elsa und Fritzchen sind zu Besuch bei einer vornehmen älteren Dame. Mitten im Kaffeetrinken ruft Fritzchen plötzlich äußerst aufgeregt „Omma, Omma, Omma! Sieh mal dort an der Wand – eine Wanze!“ „Ach, Fritzchen, du dummer Junge, du kleines Dummerle, das ist doch ein Nagel! Und nun sei endlich still!“ Oma Elsa ist das Ganze wahnsinnig peinlich und sie hofft innig, das Fritzchen nun endlich Ruhe gibt. Fritzchen ist auch wirklich zunächst still, meldet sich aber nach geraumer Zeit, vollkommen aufgelöst „Omma, Omma, Omma – sieh mal, jetzt looooft der Nagel!“ Er erzählte wahnsinnig viel, unterhielt alle mit seinen Anekdoten und Witzen und was markant war an seiner Art – er belustigte sich selbst am meisten. Schon beim Erzählen, noch mehr kurz vor der Pointe und dann bei dieser selbst, schüttete er sich fast vor Lachen aus und ich hatte den Eindruck, dass die meisten mehr über meinen Vater lachten als über den Witz selbst. Mutti fragte während des Essens: „Wünscht noch jemand Nachschlag an Sauce?“ Vater bestätigte und nachdem Mama diese gebracht hatte, monierte er: „Gretel, die ist aber nicht mehr ausreichend heiß, schade.“ Mutti konterte: „Herbert, sei nicht immer so pingelig. Die Sauce ist heiß genug.“ Vater wiegte den Kopf hin und her, schmunzelte. Dann lachte er schallend. „Es ist doch eiiiiiigenartig, dass die Frauen immer Recht haben wollen.“ Er brannte sich erneut eine ovale Zigarette von Leni an (meiner Meinung nach war es schon die achte, was mir überhaupt nicht passte, denn es roch schon fürchterlich in unserer Stube) und sagte: „Da fällt mir noch ein schöner, aber trauriger Witz dazu ein. In einem Ort ist ein Mord begangen worden und ein Ehepaar streitet sich hinsichtlich der Tatwaffe. Der Mann sagt: „Es war eindeutig ein sehr langes Messer.“ Die Frau behauptet stur und steif, es wäre eine Schere gewesen. Sie streiten und streiten – die Angelegenheit kulminiert und der Ehemann bekommt eine fürchterliche Wut und Rachsucht auf seine Frau: „Wenn du noch einmal behauptest, es wäre eine Schere gewesen, dann drücke ich dich in unserem Swimmingpool unter Wasser.“ Die Frau sagt kalt: „Das kannst du wegen mir tun – es war aber eine Schere!“ Der Mann kocht, zerrt seine Frau zum Swimmingpool und drückt sie unter Wasser. Nach kurzer Zeit lässt er sie wieder Luft holen und fragt: „War es immer noch eine Schere?“ Die Frau holt hastig Luft und sagt bestimmt: „Wie sollte sich das bei deiner blöden Aktion geändert haben? Selbstverständlich war es eine Schere!“ Der Mann dreht durch und drückt seine Frau längere Zeit unter Wasser, so dass sie halb erstickt hochkommt und auf seine provokante Frage, nach Luft schnappend angibt: „Es war eine Schere und es bleibt eine Schere!“ Der Zorn bei dem Ehemann nimmt immer mehr zu und er drückt seine Frau so lange unter Wasser, dass nur noch ein paar Luftperlen nach oben dringen. Plötzlich kommt aus dem Wasser eine Hand nach oben, macht mit dem Zeigefinger und dem großen Finger eine Schere, die mehrfach auf und zugeht. Dann verschwindet der Arm im Wasser.“ Vater lachte sich wiederum halb tot und die Gesellschaft mit ihm. Mir gefiel der Witz überhaupt nicht, denn für mich war es gar keiner. Ich fühlte mit der armen Frau, sie tat mir herzlich leid. So was Blödes aber auch, Vater! Dieser Witz, nachdem Frauen immer Recht haben wollen, war für die Schäfers Anlass, sich gleich wieder gegenseitig Vorwürfe zu machen. Vor allem Leni schimpfte auf ihren Mann, was darin gipfelte, dass er überhaupt kein Interesse mehr an ihr und bereits eine Freundin habe, eine auch aus Kleinwaltersdorf. Mir wurde die Sache nun bald zu dumm und ich verzog mich in die Küche, las in meinem Buch von Lederstrumpf, was mir Tante Frida geschenkt hatte. Zu sehr später Stunde kam endlich das Ende der Zusammenkunft. Der Riesenlärm, welcher zuvor von der Stube zu mir in die Küche drang, mich beim Lesen störte, schwappte auf einmal mit voller Wucht in die Küche. Mit einem Wort, der Taubenschlag wurde von der Stube in die Küche verlegt, leerte sich aber so sachte. Mir fiel allerdings auf, dass fast alle – bis auf Ursula – anders waren als sonst, aufgedreht, enorm laut, brüllend und schreiend, laut lachend und fast alle hatten mit dem Gleichgewicht Probleme. Mich nervte das gewaltig und ich antwortete nur ganz zurückhaltend auf die vielen Fragen, zum Beispiel, ob ich froh sei, dass nun wieder Ruhe eingekehrt, ob ich mich auf den nächsten Tag in der Schule freuen würde und lauter solchen Blödsinn. Ich hatte schlechte Laune, las weiter in meinem Buch. Meine Eltern räumten auf, wuschen auf. Der Teppich in der Stube wurde mit dem Staubsauger abgesaugt. Plötzlich: „Das kann doch nicht wahr sein, Herbert. Hier liegt noch eine Kippe – sicherlich von der Leni. Das ist aber nicht in Ordnung!“ Vater trocknete fleißig ab und der gesamte Küchentisch wurde voller Geschirr gestellt. Ich saß auf dem Sofa und hatte für mein großes, dickes, fettes Lederstrumpfbuch höchstens fünf Zentimeter vom Tisch zur Verfügung. Unwillig schob ich mit dem schweren Buch, vielleicht zehn Zentimeter weit, das Geschirr zurück. Da knallte es jählings auf der anderen Seite des Tisches – dort, wo mein Vater fleißig abtrocknete. Gestapelte Teller und auch zwei Schüsseln und eine Sauciere knallten in die Tiefe und zerschellten. Die beiden hatten sich noch unterhalten – plötzlich herrschte eisige Stille. Ich war mir der Bedeutung meiner überhasteten Tat schlagartig bewusst. Auweia! Mutti wurde aschfahl im Gesicht, Vater stand vor Schreck plötzlich wie zur Salzsäule erstarrt. Ich brammelte tonlos: „Verzeihung, das wollte ich nicht!“ Nach geraumer Zeit, die mir wie eine Ewigkeit erschien, sagte Mutti: „Das war ein Teil des Rosenthaler Porzellans, was der gute Johann aus unserem zerbombten Haus in Chemnitz geborgen hat.“ Vati drückte Mutti, schaute zu mir und sagte: „Klaus, du musst immer vor jeder geplanten Handlung nachdenken, bevor du sie ausführst.“ Dann stöhnte er herzerweichend, kniete sich hin und arbeitete mit Handbesen und Kehrschaufel. Dabei ächzte er beträchtlich, ob wegen des großen Schadens oder wegen seiner Beckenschmerzen blieb ungeklärt. Mutti saß da und schaute still zu. Noch heute wundere ich mich als Erwachsener, wie entgegenkommend sie mir diesen enormen Schaden verzeihen konnten. Zwei Fragen kommen mir in den Sinn. Erstens: Weshalb hat mein Vater mir nicht sofort die strenge Marschroute verpasst, das zerbrochene Porzellan aufzunehmen und zu entsorgen? Und zweitens: Weshalb kam mir denn nicht in den Sinn, bzw. was hat mich denn eigentlich geritten, nicht sofort schuldbewusst aufzuspringen und wenigstens die Entsorgung zu übernehmen? Da mir natürlich, moralisch und seelisch, vollkommen beklommen zumute war, wählte ich den Weg zur Toilette, genauer gesagt zu dem fürchterlichen Plumpsklo, wo mir die kalte, stinkende Luft, die von unten nach oben blies, die Sinne noch völlig vernebelte.

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