Space Prophet. Jörg Arndt

Space Prophet - Jörg Arndt


Скачать книгу
die Mannschaftsdatenbank, auf die er als spiritueller Begleiter Zugriff hatte. Er rief den Datensatz von Stella Obermayer auf. Sektor 9, Deck 8, Kabine B 42.

      Das passte. Die Messe, in der sie ihn angesprochen hatte, lag auch im Sektor 9. Er beschloss, am Morgen dort zu frühstücken. Vielleicht würden sie sich zufällig über den Weg laufen.

      Er gähnte, doch er spürte, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war. So rief er die Fachbibliothek auf und las Artikel über Psychosen und das Hören von Stimmen, bis das Signal zum Wecken ertönte.

      Sein erster Weg an diesem Morgen führte ihn in Alisters Kabine. Buddy saß mitten im Raum und sah ihn erwartungsvoll an.

      »Na, das ist aber fein, dass du mit dem Versteckspiel aufgehört hast«, sagte Jonas mit Kinderstimme. »Komm her, ich gebe dir ein feines Fresschen!«

      Buddy blieb sitzen. Aufmerksam beobachtete er jede Bewegung. Jonas blickte in seine Augen, und plötzlich überkam ihn das eigenartige Gefühl, ein uraltes, weises Wesen vor sich zu haben. Diese putzigen Knopfaugen schienen Dinge gesehen zu haben, die jenseits aller Vorstellungen lagen.

      Jonas besann sich auf seine Fachartikel und schüttelte sich.

      »Entschuldigung«, sagte er zu Buddy, »jetzt projiziere ich meine Unterlegenheitsgefühle sogar schon auf dich.«

      Mit einem großen Schritt stieg er über den Wombat hinüber, der nach wie vor bewegungslos in der Mitte des Raumes saß und anscheinend beschlossen hatte, sich für den Rest des Tages nicht mehr zu bewegen. Jonas nahm den Napf, leerte den verbliebenen Inhalt der Futterschachtel hinein, dann stellte er ihn wieder auf den Fußboden.

      »Guten Appetit«, sagte er und strich dem Tier freundlich über den Rücken. Es fühlte sich so struppig an, wie es aussah.

      »Ich gehe jetzt wieder. Ich muss gleich noch jemanden in der Messe treffen.«

      Jonas zuckte zusammen. Für einen Moment hatte es so ausgesehen, als hätte der Wombat energisch seinen Kopf geschüttelt.

      Er ist nur ein Tier, rief er sich zur Ordnung. Wahrscheinlich hat es ihn gejuckt oder so.

      Dennoch verließ er die Kabine mit einem unguten Gefühl.

      *****

      »Mein Khan.« Ehrerbietig verbeugte sich der junge, dünne Mann, so gut es ihm mit seinem Gehstock möglich war. Dabei rutschte ihm beinahe die Brille von der Nase, was er im letzten Moment verhindern konnte.

      »Was gibt es, Raschad? Die Schiffe werden bald hier sein.« Der großgewachsene, breitschultrige Anführer, in dessen dichtem schwarzem Haar sich allmählich die ersten Silberstreifen zeigten, war gerade damit beschäftigt, seine Paradeuniform zu richten.

      »Ich habe es gehört und möchte Euch zu dem großartigen Erfolg Eures Sohnes beglückwünschen.«

      »Ja, ja.« Der Khan wedelte ungeduldig mit der Hand. »Komm zur Sache.«

      »Können wir uns einen Augenblick setzen? Ich möchte Euch gern etwas zeigen.« Raschad glühte sichtbar vor Begeisterung.

      »Meinetwegen.« Bakur schloss mit einiger Mühe den obersten Kragenknopf, der von seinem schwarzen Bart überragt wurde, und deutete auf den kleinen Besprechungstisch. Der junge Mann platzierte sein Sketchboard darauf. Ein kurzer Wisch ließ eine komplizierte Grafik in die Luft steigen.

      Der Khan legte die Stirn in Falten und betrachtete das Gewirr aus verschiedenfarbigen Linien. Raschad schwieg respektvoll. Nervös fuhr er sich über sein glatt rasiertes Kinn. Er wusste aus schmerzhafter Erfahrung, dass der Anführer sich von voreiligen Erklärungen in seiner Intelligenz beleidigt fühlte und sich dann mit Ohrfeigen Ruhe zu verschaffen pflegte.

      »Eine Wirtschaftsprognose?«, fragte der schließlich.

      »Ganz recht, mein Khan. Wie ihr sicherlich gleich erkannt habt, geht es um die Abhängigkeit der Komanda von der Wirtschaftsleistung der Kolonie. Abgesehen von den Tributlieferungen ist sie ein wichtiger Handelspartner – genau genommen unser einziger –, sodass unsere wirtschaftlichen Schicksale miteinander verknüpft sind …«

      »Komm zur Sache, Raschad, und erzähl mir nichts, was ich schon weiß. Was willst du?«

      »Eine engere Beziehung zur Kolonie. Wenn wir enger zusammenarbeiten würden, sozusagen auf Augenhöhe …«

      »Vergiss es. Diese Wilden haben uns Tribut zu zahlen und fertig. Ich wünsche keine Beziehung, die darüber hinausgeht.«

      »Aber …«

      In den schwarzen Augen blitzte es bedrohlich. Raschad schluckte den Rest seiner Bemerkung eilig herunter.

      »Ganz wie Ihr meint, mein Khan. Danke für Eure Zeit.«

      Mit einer Handbewegung beendete er die Präsentation, nahm sein Sketchboard und den Gehstock an sich und schlurfte aus dem Raum.

      *****

      Als Jonas die Messe in Sektor 9 betrat, schienen schlagartig alle Gespräche zu verstummen. Er blickte in ein Meer von ablehnenden Gesichtern – oder bildete er sich das nur ein? Verdammt, er wusste nicht mehr, wie weit er seinen Wahrnehmungen noch trauen konnte. Seine Schuldgefühle spielten ihm einen Streich nach dem anderen. Hatte dahinten wirklich jemand so etwas gesagt wie: »Was will der denn hier?«

      Jonas ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Etwa zwei Drittel der Tische waren besetzt, aber Stella war nicht hier. Er ging an den Tresen, zapfte einen Cappuccino am Kaffeeautomaten und setzte sich an einen der leeren Tische. Während er an seinem Becher nippte, spürte er, wie seine Spannung ein wenig nachließ. Es war früh am Morgen, 5:30 Uhr Bordzeit, die Menschen waren um diese Zeit einfach noch nicht so gesprächig. Und falls er richtig gehört haben sollte, konnte die Bemerkung auch einfach damit zu tun haben, dass er erst vorgestern hier zu Abend gegessen hatte. Normalerweise schaute er höchstens einmal in der Woche in jeder Messe vorbei.

      Er holte sich einen weiteren Cappuccino und ein belegtes Brötchen. Die ganze Zeit über behielt er die Tür im Blick, doch Stella tauchte nicht auf. Vielleicht hatte sie Spätschicht oder dienstfrei.

      Allmählich leerte sich der Saal, gleich war auf den meisten Stationen Dienstbeginn. Jonas beschloss, Stella in ihrer Kabine zu besuchen. Er stellte sein Geschirr weg, bestieg den Mover und fuhr zum Deck 8 hinunter, wo die Mannschaftsquartiere lagen.

      Die Etage war in Lindgrün gehalten. Jonas bog in den B-Gang ab und ging an den verschlossenen Kabinentüren vorbei, bis er Nummer 42 erreichte.

      »Raumkadettin Stella Obermayer« zeigte das Display an der Tür. Jonas klopfte, doch alles blieb ruhig. Anscheinend war Stella nicht da. Er beschloss, zu seiner Kabine zurückzukehren und weiter an der Rede für die Trauerfeier zu arbeiten. Es hatte wohl keinen Zweck, hier länger rumzustehen.

      Als er sich zum Gehen wandte, kamen ihm drei Soldaten entgegen – einen davon erkannte er. Es war Maat Dave Lennox.

      »Hey, Seelenklempner, läufst du der Kleinen jetzt schon bis in ihre Kabine nach?«, dröhnte er. Mit einer schnellen Bewegung packte er Jonas am Kragen und drückte ihn gegen die Wand.

      »Hör mal, ich sage es dir nur einmal«, sagte er. Er kam mit seinem Kopf so dicht heran, dass sich ihre Stirnen fast berührten und Jonas nicht umhinkonnte, den unangenehmen Atem seines Angreifers zu riechen. »Lass deine Finger von Stella, oder es wird dir leidtun.«

      Er hob seine Linke und wollte Jonas einen Fausthieb verpassen, doch der riss seinen Arm hoch und fing den Schlag ab. Lennox sah ihn überrascht an.

      »Lass uns doch erst mal über die Sache reden«, sagte Jonas. »Das hier bringt doch nichts. Ich will gar nichts von Stella, ich wollte nur etwas mit ihr klären.«

      Der Griff an seinem Kragen lockerte sich.

      »Ich verstehe ja, dass du sie magst, und ich will dir da auch gar nicht in die Quere kommen«, fuhr Jonas fort, wobei er sich um eine beruhigende Stimmlage bemühte – etwa so, wie er mit einem wütenden Schäferhund gesprochen hätte. »Wirklich nicht.«

      Lennox


Скачать книгу