Singapur – oder tödliche Tropen. Volker Schult

Singapur – oder tödliche Tropen - Volker Schult


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geeignete Stützpunkt für unsere Marine!“, entfährt es ihm begeistert. Heng horcht auf. Dann realisiert Wilhelm Kurz, wie unklug diese Äußerung war. Verdammt! Hoffentlich hat der Heng das nicht richtig mitbekommen. Nun in einem neutralen Tonfall stellt Kurz klar:

      „Sehr interessant, muss ich schon sagen. Aber wir Preußen schießen nicht so schnell.“

      Mit einem Fragezeichen im Gesicht schaut Heng Wilhelm Kurz an.

      „Das heißt mit anderen Worten, ich benötige Bedenkzeit für die Überlegung, ob ein Landstreifen aus Sicht der deutschen Marine geeignet ist, um als Kohlenlager zu taugen.“

      Diese Worte kann Heng nachvollziehen und nickt leicht.

      Da die Tropennacht früh hereingebrochen ist, hat Wilhelm Kurz das Gefühl, dass der Uhrzeiger schon viel weiter vorgerückt ist. Tatsächlich aber ist es noch gar nicht so spät. Wie schnell man sich doch täuschen kann, denkt er.

      Mittlerweile haben die beiden einiges getrunken, Kurz dabei mehr als Heng.

      Heng besteht darauf, seine Gastfreundschaft unter Beweis zu stellen.

      „Sir, es wäre mir und meiner Familie eine große Ehre und außerordentliche Freude, wenn der Herr Kapitän die Nacht als mein Gast in dem Bambusbungalow nebenan, der ganz bescheiden auch mir gehört, verbringen würden.“

      „Ähm, ja, nun. Sehr freundlich von Ihnen. Aber ich weiß nicht so recht. Ich sollte vielleicht doch lieber auf mein Schiff zurückkehren“, bemüht sich Wilhelm Kurz die Einladung freundlich abzulehnen.

      „Herr Kapitän, Sie sollten heute Abend wirklich hier übernachten. Das würde Ihnen erlauben, die besondere Atmosphäre der Insel aufzunehmen. So können Sie besser zu einer Entscheidung kommen, Sir. Wenn Herr Kapitän diesen Ratschlag untertänigst erlauben. Alles ist auch schon vorbereitet, Sir.“

      Wilhelm Kurz denkt darüber nach. Der Vorschlag hat tatsächlich etwas für sich. Nach so viel gutem Essen verspürt er wahrlich keine rechte Lust, in seine stickige Kajüte an Bord zurückzukehren. Aber für seine Entscheidung ausschlaggebend ist eher die Tatsache, dass sich der Alkohol nun doch in seinem Kopf deutlich bemerkbar macht.

      Kurzerhand sagt er zu.

      „Heng, ich bedanke mich für Ihre Gastfreundschaft und nehme Ihr freundliches Angebot an.“

      Daraufhin verbeugt sich Heng tief vor Kurz und begleitet seinen Gast zu dem nahegelegenen Bambusbungalow. In der Tat, alles scheint vorbereitet zu sein. Das Bett ist hergerichtet, das Moskitonetz hängt schon von der Decke.

      „Herr Kapitän gestatten mir noch einen letzten Hinweis. Es ist außerordentlich wichtig, schnell unter das Netz zu kommen, sodass die umherschwirrenden Moskitos keine Chance haben, sich darunter zu verirren.“

      Nickend nimmt Wilhelm Kurz den Rat entgegen. Heng verabschiedet sich, wünscht eine gute Nacht und fügt an, dass er seine Tochter noch schnell schicken werde, um dem Herrn Kapitän kühles Wasser und einige Erfrischungen für die Nacht zu reichen. Wieder bedankt der sich für die ihm gewährte Gastfreundschaft.

      Nachdem Heng den Bungalow verlassen hat, beginnt Wilhelm Kurz sich Gedanken zu machen.

      Eigentlich aber muss er gar nicht länger nachdenken. Nach seinen Informationen und Eindrücken steht für ihn fest, dass Langkawi für das Reich nicht nur als Kohlenstation von großem Wert ist, sondern die Insel kann sich innerhalb kurzer Zeit zu einem bedeutenden Handelsplatz entwickeln und damit dem britischen Penang Konkurrenz machen. In seinem Kopf formuliert er schon seine offizielle Schlussfolgerung: Langkawi ist als Kohlenstation außerordentlich geeignet. In einem geheimen Zusatz, der aber ausschließlich für Berlin bestimmt ist, wird es dann heißen: Außerdem ist ihr militärischer und ihr wirtschaftlicher Wert ein so großer, dass der Erwerb der gesamten Insel als Stützpunkt nur wärmstens befürwortet werden kann. Das Codewort dafür lautet: „Iltis schwimmt sehr gut.“ Aber das weiß außer ihm nur noch Admiral Tirpitz.

      Jetzt erst merkt Kurz, wie ausgelaugt er ist, obwohl er sich im Innersten unruhig fühlt. Kribbelig. Ein verrückter Zustand. Merkwürdig. Wahrscheinlich machen das der Alkohol und die besondere Atmosphäre einer Tropennacht.

      Während Wilhelm Kurz noch über seinen Geheimauftrag nachdenkt, ist Liang, Hengs Tochter, auf dem Weg zum Bungalow mit den versprochenen Erfrischungen. Kurz davor bleibt sie abrupt stehen. Genau in diesem Bungalow ist etwas anderes vor gar nicht so langer Zeit geschehen. Sie ruft sich das Gesicht des weißen Mannes ins Gedächtnis. Und dabei hatte sie sich wirklich in ihn verliebt. In der Nacht erwiderte er auch ihre Liebe, so meinte sie jedenfalls. Und nun denkt sie mit Furcht an ihren zukünftigen chinesischen Ehemann, dem sie durch ihre Familie versprochen ist. Gedankenverloren streicht sich über ihren Bauch, bleibt einige Sekunden regungslos stehen.

      Spontan fasst Liang einen Entschluss.

      Sie klopft an die Tür und ihre schlanke Gestalt huscht in den Bungalow. In der einen Hand hält Liang eine Karaffe mit Wasser, in der anderen Hand einen Teller mit Erfrischungen. Sofort fallen Wilhelm Kurz die langen schwarzen Haare, das runde Gesicht mit den strichförmigen Augen, der zierliche Körperbau und ihre grazilen Züge auf.

      Verstohlen schaut sie Wilhelm Kurz an, der darüber etwas verwirrt scheint. In einem halbwegs verständlichen Englisch beginnt Liang ein kleines Gespräch mit dem Fremden zu führen. Der ist zunächst überrascht, lässt sich dann aber darauf ein. Natürlich weiß Liang schon von der anderen Langnase, in die sie sich verliebt hat, und von ihrem Vater, warum der schneidige deutsche Marineoffizier auf der Insel weilt.

      „Gefällt es Ihnen hier, mein Herr?“, flötet Liang fragend mit junger Stimme und in einem lieblichen Tonfall, wobei sie ihren Kopf dezent senkt. Ihr Mund lächelt sanft.

      „Äh, äh, ja, ja doch“, kommt es stotternd aus Wilhelm Kurz Mund. Dann wird ihm klar, dass diese Worte deutlich zu wenig und zu allgemein sind.

      „Nein, wirklich. Es ist ausgesprochen schön hier. Geradezu fantastisch. Eine tropische Wunderwelt, wie ich sie noch nie gesehen habe“, betont er.

      „Mein Herr, Sie haben einen wirklich wertvollen Auftrag für Ihr Land zu erfüllen“, lenkt Liang wie zufällig das Gespräch auf Kurz Auftrag. Der will sie unterbrechen, doch Liang kommt ihm zuvor.

      „Mein Herr, bei uns ist es Brauch, jemanden bei einer so wichtigen Mission Glück zu wünschen und ihm ein kleines Geschenk zu machen.“

      Ohne den Blick von Wilhelm zu lassen, wandern ihre Hände zu ihrem Nacken. Dort öffnet sie den Verschluss ihrer Halskette.

      „Es ist ein Familienschmuckstück, ein Jadeamulett, das die Form einer Acht hat.“

      Regungslos verfolgt Wilhelm die Szene mit großen Augen.

      „Die Zahl acht“, so erklärt Liang, „ist die Glückszahl bei uns Chinesen.“

      Dabei nimmt sie die Kette von ihrem Hals und übergibt sie Wilhelm. Der ist vollkommen gerührt. Sprachlos. Schaut das Jadeamulett in seinen Händen an, sammelt seine Gedanken. Nur langsam findet er Worte.

      „Das ist ja überaus reizend und eine sehr freundliche Geste. Von wem, wenn Sie mir erlauben zu fragen, habe ich dieses unglaublich schöne Geschenk bekommen?“

      „Liang, mein Herr. Meine Name ist Liang.“

      „Ein reizender Name, Liang. Also, Liang ganz ganz herzlichen Dank. Es möge mir Glück bringen. Das habe ich dann Ihnen zu verdanken.“

      Dann weiß Wilhelm Kurz nicht weiter. Soll er ihr einen Handkuss geben? Tut man das hier überhaupt? Vielleicht wird das auch missverstanden. Und das ist das allerletzte, was er bei seinem Auftrag gebrauchen kann. Bloß kein unnötiges Aufsehen erregen. Vorsichtig, als ob es zerbrechen könnte, legt er das Amulett auf den Tisch. Fast gleichzeitig beginnt Liang das Bett von Wilhelm Kurz herzurichten und streicht das Laken unter dem Moskitonetz straff. Danach verabschieden sie sich und wünschen einander eine gute Nacht.

      Währenddessen dauert es Vater Heng zu lange, bis seine Tochter zurückkommt. Sie sollte doch nur schnell die versprochenen Erfrischungen vorbeibringen.


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