Singapur – oder tödliche Tropen. Volker Schult

Singapur – oder tödliche Tropen - Volker Schult


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      Mit fester Stimme ruft er aus: „Meine Herren, ich weihe Sie jetzt in unseren eigentlichen Auftrag ein. Es geht nicht um die Schießübungen, wie auch alle Männer an Bord glauben. Vielmehr hat man uns von hoher Stelle den folgenden Auftrag mitgegeben.“

      Stille kehrt ein, Gebannte Blicke sind auf ihren Kapitän gerichtet. Die Anspannung unter den Offizieren ist nun förmlich mit Händen greifbar. Nach einer kurzen Pause und einem Räuspern fasst Kapitänleutnant Kurz den Befehl mit einem neutralen Gesichtsausdruck und mit sonorer Stimme zusammen:

      „Der Staatssekretär des Äußeren von Bülow hat geruht festzustellen, dass man nicht abgeneigt sei, der Frage der Erwerbung einer Kohlenstation in der Gegend der Straße von Malakka durch die Firma Behn, Meyer & Co. näher zu treten. Voraussetzung sei, dass die Marine dies für wünschenswert halte. Wenn das der Fall sei, dann solle ein Kriegsschiff gelegentlich und unauffällig die Gegend erkunden. Wegen der politischen Brisanz der Unternehmung sei eine unbedingte Geheimhaltung notwendig.

      Der Staatssekretär des Reichsmarineamts Admiral Tirpitz hat erklärt, dass er es begrüßen würde, wenn Iltis nach der Ausreise aus Penang, die Insel Langkawi aufsuchen würde. Der Kapitän solle sich ein Urteil über den Wert der Insel als Kohlenstation und auch als Stützpunkt machen. Ein Besuch des Kapitäns oder eines Offiziers von Iltis, natürlich inkognito, sei zweckmäßig.“

      Nach einer kurzen Pause fügt Kapitänleutnant Kurz hinzu:

      „Und genauso machen wir es, meine Herren.“

      Mehr brauchen seine Offiziere nicht zu wissen. Das reicht schon, denkt sich Wilhelm Kurz. Angespannte Stille. Die Offiziere trauen ihren Ohren nicht. Aber Befehl ist Befehl und nicht zu hinterfragen. Dann nicken sie fast zeitgleich und gehen mit entschlossenem Ausdruck in ihren Gesichtern wieder auf ihre Posten.

      Die Fahrt verläuft ohne Komplikationen. Mit dampfenden Schornsteinen hält Iltis schnurgerade seinen Kurs durch das ruhige, klare smaragdgrüne Wasser. Gelegentlich verdecken einige Wolken die Sonne, doch bringt das keine wirkliche Erleichterung. Unbarmherzig umweht die Männer die Tropenhitze.

      Links und rechts begleiten Fregattvögel das Kriegsschiff. Die schlanken schwalbenschwanzähnlichen Jäger mit ihrem kurzen, gerundeten Kopf tauchen auf und ab. Schon bei geringen Windstärken müssen die Vögel nur noch gleiten und keine aktiven Flügelschläge mehr durchführen. Bei jedem Tropenfahrer lösen sie wegen ihrer wendigen, ja vollendeten Flugmanöver Begeisterung aus. Auch Kurz schaut den geschmeidigen Vögeln versonnen hinterher.

      Richtung Meer ist der Himmel friedlich Er geht in geheimnisvollen Zwischentönen in ein helles, leuchtendes Wasserfarbenblau über, das nach oben hin immer dunkler wird. Urplötzlich bauen sich Wolkenbänke auf. Gewitter entladen sich. Blitze zucken.

      Auch diese gelegentlichen, meist kurzen Tropengewitter mit ihren heftigen Regengüssen lindern die Qualen der Männer nicht. Das Gegenteil ist eher der Fall. Die Luft wird dadurch immer mehr mit Feuchtigkeit angereichert. Das unablässige Schwitzen zehrt an den Nerven der Besatzung. Aber mit großer Disziplin erledigt sie ihre Arbeit.

      Nach sechzig Seemeilen auf nordwestlichem Kurs von Penang können die Männer auf der Brücke die gebirgige Insel Langkawi erkennen. Sie befindet sich zehn Seemeilen vom malaiischen Festland entfernt, eine geografisch äußerst günstige Lage.

      Eine märchenhafte Landschaft tut sich vor ihnen auf. Ein Tropenidyll. Und ausgerechnet in einer solchen fast schon paradiesischen Atmosphäre soll er Gespräche mit möglicherweise geostrategischen Folgen führen, denkt Wilhelm Kurz. Das hat schon etwas Skurriles.

      Die Wasseroberfläche ist vollkommen glatt. Das letzte bisschen Wind hat sich gelegt. Das Kanonenboot pflügt sanft durch tiefblaues ruhiges Wasser. Über dem Schiff und ihrer Besatzung erstreckt sich ein endlos klares Hellblau des Himmels, verziert mit einzelnen makellos weißen Wolken. Ein Schwarm Vögel fliegt gemächlich über das Meer. Lautlos. Alles scheint unendlich friedlich.

      In dem betörenden Licht tauchen alsbald kleinere Inseln auf, die so gruppiert sind, dass sie einen großen, natürlichen Hafen mit genügendem Tiefgang für Schiffe jeder Größe bilden, der auch gegen alle Winde Schutz bietet. In einer Bucht mit sanft geschwungenem Halbkreis befiehlt Kapitänleutnant Kurz am späten Nachmittag vor Anker zu gehen. Eine üppig sprießende Vegetation lässt die Insel geradezu überquellen. Eine Fülle von Grüntönen. Einfach überwältigend. Die Insel hat ein prächtiges, einnehmendes Flair. Wilhelm Kurz, die Offiziere wie auch die gesamte Besatzung sind fasziniert von dem Anblick. Eine verschwenderische Vegetation tut sch vor ihnen auf. Üppige Sträucher. Bambus. Schatten spendende Palmen.

      Heinrich Adler hat ein Treffen mit einem Chinesen vereinbart, der sich auf Langkawi gut auskennt, also die notwendigen Informationen liefern und Wilhelm Kurz auch einen persönlichen Eindruck vermitteln kann. Zugleich soll der Chinese über gute Kontakte zum Sultan von Kedah verfügen und auch dessen Vertrauensperson sein.

      Mit einem Beiboot lässt sich Wilhelm Kurz an den blendend weißen Strand bringen, wo der Chinese schon auf ihn wartet. Das Wasser in der Bucht strahlt. Leuchtet. Ein unglaubliches Blau. Türkisblau.

      Das lässt sich ja alles gut an, denkt sich Wilhelm Kurz. Nach der Begrüßungszeremonie führt ihn der Chinese, der sich als Kaufmann Heng Wan Chu vorstellt, in einen fast direkt am Stand gelegenen größeren Bambusbungalow. Mit kleinen, aber schnellen Trippelschritten läuft Heng vorweg. Heng ist wie die meisten Chinesen von eher kleinem Wuchs und sein langer schwarzer Zopf baumelt auf seinem Rücken hin- und her.

      Wie in den Tropen üblich löst die Dunkelheit den hellen Tag innerhalb kürzester Zeit ab. Eine richtige Abenddämmerung gibt es nicht. In der lauschigen Tropennacht mit einer leichten, erfrischenden Brise bittet Kaufmann Heng zu Tisch. Bei einem ausgiebigen Essen mit allen möglichen Arten von Fleisch und Fisch, mit viel Reis, reichhaltigem Gemüse und natürlich leckeren tropischen Früchten, gibt Heng Wilhelm Kurz einen Überblick über die Gegebenheiten Langkawis. Nach dem traditionellen chinesischen Tee nach dem Essen kommt auch der Alkohol nicht zu kurz.

      Mit etwas hoher Stimme und in einem eher schwer verständlichen Englisch mit hartem chinesischem Einschlag teilt Heng Wilhelm Kurz die wichtigsten Informationen mit.

      „Sir, zwischen den Gebirgszügen gibt es fruchtbare Täler und gutes Wasser in ausreichender Menge. Die Berge sind dicht mit Nutzhölzern bestanden und bieten erholungsbedürftigen Europäern einen kühlen und gesunden Aufenthaltsort. Die zahlreichen Täler und Ebenen sind, wie schon erwähnt, fruchtbar, so dass hier Kokosnüsse, Reis und Zucker angebaut werden können. Außerdem gibt es Marmor und Zinnvorkommen, die aber bisher überhaupt nicht ausgebeutet worden sind.“

      Letzteres liegt Heng dabei besonders am Herzen. Hat doch vor kurzem sein Neffe Low bewiesen, wie lukrativ der „Handel“ mit Zinn sein kann. Es scheint leicht zu sein, diese Deutschen zu betrügen. Man muss sich zunächst natürlich ihr Vertrauen sichern. Daran soll es nicht scheitern, denkt sich Heng und lacht lautlos in sich hinein. Vielleicht gelingt es auch ihm, Heng, in absehbarer Zeit mit Hilfe der Deutschen ein kleines Vermögen für den Zweig seiner Familie abzuzwacken. Doch diese Gedanken behält er für sich. Vielmehr fährt er fort:

      „Sir, auf der gesamten Insel Langkawi leben knapp unter eintausenddreihundert Menschen, teils Malaien, teils Chinesen. Sie bestreiten ihren Lebensunterhalt meist durch Fischfang. Ein anderer chinesischer Kaufmann, aber kein Freund von mir, wie ich Ihnen versichern kann Sir, hat die Einnahmen auf die Opiumausfuhr, die Abgaben auf Spirituosen, den Holzschlag, den Fischfang und auf die Ausfuhr von Büffeln, Häuten und Reis für zwei Jahre im Voraus gepachtet. Das ist hier in der Gegend durchaus üblich.

      Seine Hoheit der Sultan benötigt dringend Geld. Soviel kann ich Ihnen verraten, Sir. Natürlich nur im Vertrauen“ und grinst Wilhelm Kurz dabei mit seinem kleinen Mund und dem dünnen Oberlippenbärtchen verschwörerisch an.

      „Mit Verlaub, Sir, darf ich Ihnen ebenfalls ganz im Vertrauen und in vollkommener Bescheidenheit mittteilen, dass ich von Seiner Hoheit dem Sultan persönlich autorisiert bin, anzufragen, ob das Deutsche Reich an der Pachtung der Insel Interesse hat.“ Dabei streift sein Blick Wilhelm Kurz nur kurz.

      Der


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