Singapur – oder tödliche Tropen. Volker Schult

Singapur – oder tödliche Tropen - Volker Schult


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      In der Tat ist Wilhelm Kurz beeindruckt von den Neuigkeiten, bedankt sich militärisch knapp für die Ausführungen und lässt sich zu dem wartenden Heinrich Adler führen.

      Auf dem Weg dorthin verharrt der livrierte Inder und verbeugt sich tief vor einem vorbeischreitenden Chinesen. Nachdem dieser den Inder und Wilhelm Kurz passiert hat, ohne sie eines Blickes zu würdigen, wendet sich Singh wieder dem deutschen Marineoffizier zu. Jedoch spricht der Inder dieses Mal leise, ja ehrfürchtig und mit veränderter Stimmlage.

      „Sir, der Gentleman ist Cheong Fatt Tze, ein Chinese von unfassbarem Reichtum. Er ist der Prominenteste der reichen Chinesen unserer Insel. Nebenbei ist er auch noch chinesischer Konsul in Penang. Es heißt, er hat sich diesen ehrwürdigen Titel schlicht und einfach vom kaiserlichen Hof in China gekauft. Normalerweise muss man erst die vorgeschriebenen äußerst schwierigen Prüfungen bestehen. Sir, ich könnte Ihnen noch mehr erzählen, wenn Sie wollen, Sir!“

      Nun ist Wilhelm Kurz doch gefangen von den Erzählungen des Inders. Seine Augenbrauen heben sich minimal und mit einem kaum erkennbaren Nicken bedeutet er dem Inder Singh fortzufahren.

      „Sir, Cheong war früher nur ein einfacher Wasserträger“, raunt er Wilhelm Kurz hinter vorgehaltener Hand zu. „Durch harte Arbeit und familiäre Unterstützung ist er Millionär geworden. Cheong lebt mit seiner Großfamilie, mit mehreren Frauen und einer großer Dienerschaft in herrlichen Herrenhäusern in Saus und Braus. Wenn Cheong hier bei uns in Georgetown ist, wohnt er in seinem berühmtem „Blauen Herrenhaus“ in der Leith Street. Das, Sir, müssen Sie sich mit eigenen Augen einmal ansehen. Aber ich kann Ihnen auch darüber etwas erzählen, Sir.“

      „In Gottes Namen, so tun Sie das“, entfährt es Wilhelm Kurz etwas unwirsch, was der Inder Singh indes gar nicht bemerkt.

      „Sir, Cheongs indigoblaues Herrenhaus hat achtunddreißig Räume, fünf mit Granit gepflasterte Innenhöfe, sieben Treppenaufgänge und zweihundertzwanzig traditionelle hölzerne Fensterläden, Siiiir.“

      Beim Erwähnen dieser Dimensionen zieht der Inder nicht nur das „Sir“ in die Länge und rollt mit dem Kopf noch intensiver als sonst hin und her, sondern auch seine Augen weiten sich sichtlich.

      „Nun kommt es, Sir. Die hervorstechende blaue Farbe des Herrenhauses ist das Ergebnis des Zusammenmischens von Kalk mit der natürlichen blauen Farbe, die aus der Indigopflanze gewonnen wird. Die Farbe wurde extra aus Indien importiert. Die so gekalkten Mauern weisen die übliche Feuchtigkeit unseres tropischen Wetters sehr schön ab und lassen zugleich die Mauersubstanz unbeschadet. Eigentlich ist Weiß die am einfachsten erhältliche Farbe, aber da sie auch die Farbe des Todes für die Chinesen ist, hat Cheong sich für die weitaus teurere blaue Farbe entschieden.

      Sir, Sie können es sich nicht vorstellen, Sir. Bei öffentlichen Anlässen treten seine Frauen und seine Töchter in ihren üppigen und verschwenderischen Kleidern mit glitzernden Juwelen behangen auf. Sir, Cheong hat bestimmt in unserem Hotel Geschäfte gemacht. Er ist Stammgast bei uns und ...“, will der Inder fortfahren. Aber Wilhelm hat genug und macht mit einer Handbewegung deutlich, dass er aufhören soll, denn mittlerweile haben sie Heinrich Adler erreicht.

      „Geschäfte, Geschäfte“. Das sind auch die ersten Worte, die Wilhelm Kurz von Heinrich Adler zu hören bekommt, als er sich zu ihm an den Ecktisch im Restaurant des Hotels setzt. Selbstgefällig grinst Adler und zeigt mit seinem fetten Zeigefinger auf den aus dem Hotel schreitenden Cheong.

      „So macht Behn, Meyer & Co. Geschäfte. Nur mit den reichsten und einflussreichsten Leuten vor Ort“, tönt es Wilhelm Kurz entgegen. Von Anfang an ist ihm sein Gegenüber unsympathisch. Dieses feiste, von Schweiß glänzende runde Gesicht mit den kleinen Schweinsäuglein und dem selbstgefälligen Blick. Der Bierbauch des höchstens Enddreißigers Adler ist auch nicht zu übersehen.

      Kurz runzelt die Stirn, zieht heftig die Augenbrauen zusammen und zögert einen Augenblick. Dann atmet er bewusst aus. Sein Gesichtsausdruck ist wieder normal, sein Tonfall ebenso. Aber was soll er machen? Adler ist nicht nur ein Landsmann, sondern auch der Kontaktmann für seinen Geheimauftrag.

      Heinrich Adler lässt sich nicht lange bitten und legt Kurz die Lage dar, wobei der Kapitänleutnant nicht umhin kommt anzunehmen, dass Adler seine Rolle, die er dabei spielt, doch etwas ausschmückt.

      „Vor kurzem weilte ich im Sultanat Kedah auf der gegenüberliegenden malaiischen Halbinsel zu Besuch. Da deutete der Wesir Wan Mohamed Saman an, dass das Königreich Siam, zu welchem Kedah gehört, es gerne sehen würde, wenn Deutschland an der Westküste der malaiischen Halbinsel eine Kolonie anlegen würde. In diesem Zusammenhang sei die Insel Langkawi, nördlich von Penang an der Einfahrt zur Straße von Malakka gelegen, sehr geeignet.“

      „Von Kolonie oder ähnlichem ist überhaupt keine Rede“, unterbricht ihn Wilhelm Kurz im schneidenden Ton. „Streichen Sie solche Begriffe aus Ihrem Kopf. Ist das klar, Adler?“

      Adler nickt eifrig und fährt gewichtig mit viel Pathos in der Stimme fort:

      „Selbstverständlich, Herr Kapitän. Der Herr Kapitän müssen wissen, dass neben der hervorragenden geografischen Lage die Fruchtbarkeit der Insel sehr groß ist. Im Innern gibt es Süßwasserseen, so dass reichlich Wasser vorhanden ist. Die Produkte, die in Penang angebaut werden, wachsen auch auf Langkawi, wie Gewürznelken, Muskatnüsse und Pfeffer. Zwar habe ich die Insel nicht persönlich in Augenschein nehmen können, doch weiß ich durch meine Kontakte, dass sie an der Ostküste über einen geschützten Ankerplatz verfügt.“

      „Herr Adler, schön und gut, aber wie ist es um die Besitzverhältnisse der Insel bestellt? Habe ich richtig verstanden, dass die Insel zum einen dem Sultan von Kedah gehört, das Sultanat selber aber unter der Oberhoheit des Königs von Siam steht?“

      Nun klingt Wilhelm Kurz etwas gereizt.

      „Sehr richtig Herr Kapitän“, antwortet Adler und fährt mit großer Überzeugung fort:

      „Langkawi gehört zum Sultanat Kedah, das zwar der Souveränität Siams untersteht, aber der Sultan ist de facto ziemlich unabhängig vom König von Siam. Das Hauptproblem des Sultans ist vielmehr, dass er sehr hoch verschuldet ist. Und genau das ist der Ansatzpunkt: Geld. Doch ist der Sultan zugleich ein sehr stolzer Mann. Deshalb ist es günstig, zunächst an ihn heranzutreten und erst dann den König von Siam zu konsultieren. Übrigens hat meine Firma bereits vor geraumer Zeit einen Vertreter aus Singapur, Herrn Adolf Schönherr, nach Langkawi entsandt.“

      Bei der Erwähnung des Namens zuckt Wilhelm innerlich kurz zusammen, lässt sich aber nach außen nichts anmerken. Unbeirrt setzt Adler seinen Redeschwall fort.

      „Der Schönherr sollte Ihren Aufenthalt vorbereiten. Nur, er mag sich ja gut in Singapur auskennen, aber mit den speziellen hiesigen Verhältnissen ist er nun wahrlich nicht vertraut. In aller Bescheidenheit, Herr Kapitän, ich kenne die Herren von Kedah sehr gut und spreche auch malaiisch. Gegen ein kleines Entgelt, schließlich bin ich ja Kaufmann“, tönt es selbstgefällig aus Adlers Mund, „bin ich gerne bereit, die Verhandlungen wegen Langkawi zu einem schnellen Ende zu führen. Mit dem Herrn Neubrunner, dem siamesischen Konsul, mit dem ich zusammen wohne, habe ich die Sache auch schon durchgesprochen. Der wird anschließend seine Kontakte zum Königshaus in Bangkok spielen lassen. Alles kein Problem.“

      Bei diesen Worten verfinstert sich Wilhelm Kurz Gesicht. Er traut seinen Ohren immer noch nicht. Ein fragender Blick breitet sich über sein Gesicht aus. Normalerweise ist Wilhelm Kurz ein eher ruhiger und überlegter Charakter. Freunde bezeichnen ihn als ausgeglichen. Aber jetzt wäre er fast aufgesprungen und hätte dem Adler am liebsten ordentlich gerüttelt. Da er aber einen klaren Auftrag hat, reißt er sich zusammen. Kurz spricht leise, aber so eindringlich wie er kann. Zischend quetscht er die Worte zwischen seinen Zähnen hervor:

      „Adler, verdammt noch mal, das ist eine geheime Reichssache. Kapieren Sie das endlich und halten Sie Ihren Mund. Schlimm genug, dass es sich anscheinend schon innerhalb der Firma von Behn, Meyer & Co. herumgesprochen hat. Aber nun auch der Neubrunner. Wie mir berichtetet wurde, ist der Kerl ein Plappermaul. Da der Neubrunner von der Unternehmung Kenntnis hat, wissen es vielleicht auch schon die Hofschranzen


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