Die Forsyte-Saga. John Galsworthy
aus abgerundeten Steinen mit einem ein- bis zweizölligen Rand führte um die südöstliche und südwestliche Seite des Hauses und endigte mit einem abgeschrägten Rand in der Erde, die eben festgestampft werden sollte; diese Terrasse entlang führte der Weg.
»Was hat dies wohl gekostet?« erkundigte er sich, als er sah, daß die Terrasse weiter um die Ecke ging.
»Was glauben Sie?« fragte Bosinney dagegen.
»Wie kann ich das wissen?« erwiderte James etwas aufgebracht; »zwei- bis dreihundert, wahrscheinlich!«
»Genau soviel!«
James blickte ihn scharf an, aber Bosinney schien es nicht zu bemerken, er hatte ihn wohl mißverstanden.
Als sie beim Garteneingang anlangten, blieb er stehen, um die Aussicht zu betrachten.
»Die müßte fort,« sagte er und wies auf die Eiche.
»Finden Sie? Sie meinen mit der Eiche haben Sie nicht genug Aussicht für Ihr Geld?«
Wieder blickte James ihn argwöhnisch an – dieser junge Mann hatte eine sonderbare Art die Dinge zu nehmen.
»Nun,« sagte er verblüfft in erregtem Tone, »ich weiß nicht, was der Baum hier soll!«
»Er soll morgen herunter,« sagte Bosinney.
James erschrak. »Oh,« sagte er, »sagen Sie nicht etwa, daß ich ihn herunter haben wollte! Ich habe nichts damit zu tun!«
»Nein?«
James fuhr verwirrt fort. »Ja, was habe ich denn damit zu tun? Das geht mich gar nichts an. Tun Sie es auf Ihre eigene Verantwortung!«
»Gestatten Sie mir, Ihren Namen zu erwähnen?«
James erschrak mehr und mehr. »Ich weiß nicht, wozu Sie meinen Namen erwähnen wollen,« stammelte er, »Sie sollten den Baum lieber stehen lassen. Es ist doch nicht Ihr Baum!«
Er zog ein seidenes Taschentuch heraus und wischte sich über die Stirn. Sie gingen ins Haus. Wie auf Swithin, machte der innere Hof auch Eindruck auf James.
»Dafür müssen Sie ein Heidengeld ausgegeben haben,« sagte er, nachdem er eine Weile die Säulen und die Galerie angestarrt hatte.
»Was hat es denn gekostet, diese Säulen aufzustellen?«
»Ich kann es Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen,« erwiderte Bosinney nachdenklich, »aber ich weiß, es war ein Heidengeld!«
»Das kann ich mir denken,« sagte James. »Ich würde –« Er fing einen Blick des Architekten auf und brach ab. Und wenn er von jetzt an die Kosten irgend einer Sache zu wissen wünschte, unterdrückte er seine Neugierde.
Bosinney schien zu wollen, daß er alles sehe, und wenn James es in seinem ›Spürsinn‹ nicht allzu deutlich gemerkt hätte, wäre er gewiß noch ein zweites Mal rund um das Haus gegangen. Auch schien er so erpicht darauf gefragt zu werden, daß James fühlte, er müsse auf der Hut sein. Die Anstrengung begann ihn jetzt zu ermüden, denn war er auch zäh genug für einen Mann von so hohem Wuchs, zählte er doch fünfundsiebzig Jahre.
Er war mutlos geworden, denn er war der Sache um nichts näher gerückt, hatte durch seine Besichtigung nichts von dem erfahren, was er vage gehofft. Nur seine Abneigung und sein Mißtrauen gegen diesen jungen Mann, der ihn mit seiner Höflichkeit ermüdete, hatte sich gesteigert, und er merkte in seinem Wesen jetzt deutlich den Hohn.
Der Mensch war schlauer als er gedacht und sah besser aus, als er gehofft. Es lag etwas Sorgloses in seiner Art, das James, für den ein Wagnis das Unerträglichste im Leben war, wenig zu schätzen wußte. Auch ein sonderbares Lächeln hatte er, das kam, wenn man es am wenigsten erwartete; und sehr merkwürdige Augen. Er erinnerte James, wie er nachher sagte, an eine hungrige Katze. Das war das Bezeichnendste was ihm einfiel, als er Emily die sonderbare Mischung von Erbitterung, Sammetweichheit und Spott in Bosinneys Wesen zu beschreiben suchte.
Endlich, nachdem er alles gesehen was zu sehen war, trat er aus der selben Tür ins Freie, durch die er hineingegangen war. Und in dem Gefühl jetzt nur noch Zeit, Kraft und Geld für nichts zu verschwenden, nahm er all seinen Mut zusammen wie ein echter Forsyte, blickte Bosinney scharf an und sagte:
»Sie sehen meine Schwiegertochter doch jetzt recht oft, was sagt sie denn zu dem Hause? Aber sie hat es wohl noch gar nicht gesehen?«
Er sagte dies, obwohl er alles über Irenens Besuch wußte – natürlich hatte es mit diesem Besuch nichts auf sich, abgesehen von der merkwürdigen Äußerung, daß es ihr »einerlei wäre, wenn sie nicht nach Haus käme« – und dem Gerücht wie June die Nachricht aufgenommen hatte!
Durch diese Art zu fragen, hatte er Bosinney Gelegenheit geben wollen zu reden.
Bosinney ließ lange auf die Antwort warten, hielt seinen Blick aber mit ungemütlicher Festigkeit auf James gerichtet.
»Sie hat das Haus gesehen, aber ich kann Ihnen nicht sagen, wie sie darüber denkt.«
Obwohl verwirrt und verblüfft, war James jetzt anstandshalber verpflichtet die Sache weiter zu verfolgen.
»O!« sagte er, »sie hat es gesehen? Soames brachte sie wohl her?«
Bosinney erwiderte lächelnd: »O, nein!«
»Wie, kam sie allein hierher?«
»O nein!«
»Wer – brachte sie denn her?«
»Ich weiß wirklich nicht, ob ich Ihnen das sagen darf.«
James, der wußte, daß Swithin es gewesen, war diese Antwort unbegreiflich.
»Aber!« stammelte er, »Sie wissen doch, daß –« doch er stockte, da er plötzlich die Gefahr merkte.
»Meinetwegen!« sagte er, »wenn Sie es mir nicht sagen, nehme ich an, daß Sie es nicht sagen wollen! Niemand sagt mir was!«
Zu seinem Erstaunen fragte ihn Bosinney:
»Übrigens, könnten Sie mir wohl sagen, ob noch jemand von Ihnen herkommen will. Ich wäre gern zur Stelle!«
»Noch jemand?« sagte James bestürzt, »wer sollte denn noch kommen? Ich weiß es von keinem. Adieu!«
Zu Boden blickend streckte er die Hand aus und berührte flüchtig die Bosinneys; dann faßte er seinen Schirm gerade über dem Seidenbezug und ging die Terrasse entlang davon.
Ehe er um die Ecke bog, warf er einen Blick zurück und sah, daß Bosinney »die Mauer entlang schleichend wie eine große Katze« – so kam es ihm vor – langsam folgte. Er beachtete es nicht, als der junge Mann den Hut lüftete.
Jenseits der Auffahrt und außer Sicht verlangsamte er seine Schritte noch mehr. Sehr matt, gebückter als beim Kommen, hager, hungrig und verzagt, legte er den Weg zur Bahnstation zurück.
Der ›Bukanier‹, der ihn so bedrückt nach Haus gehen sah, bedauerte vielleicht sein Benehmen gegen den alten Mann.
Fünftes Kapitel
Soames und Bosinney korrespondieren
James sagte seinem Sohne nichts von diesem Besuch des Hauses, doch als er eines Morgens in einer Angelegenheit zu Timothy ging, die ein Entwässerungssystem betraf, zu dem sein Bruder durch die Sanitätskommission gezwungen worden war, erwähnte er ihn dort.
Das Haus sei nicht schlecht, sagte er. Es ließe sich schon etwas daraus machen. Der Mensch wäre tüchtig auf seine Art, aber was es Soames noch kosten würde, bevor es fertig war, könne niemand wissen!
Euphemia Forsyte, die zufällig im Zimmer war – sie war gekommen, um Pastor Scoles neuestes Buch ›Leidenschaft und Ablenkung‹ zu leihen, das so beliebt war – mischte sich hinein.
»Ich