Evangelisches Kirchenrecht in Bayern. Hans-Peter Hübner
der Religionsfreiheit, sondern vielmehr die bei einem Nichtdeutschen durch Art. 2 des Grundgesetzes im Kontext der allgemeinen Handlungsfreiheit gewährleistete Berufsausübungsfreiheit betroffen sei. Diese ist allerdings – im Unterschied zur ohne einen solchen Vorbehalt garantierten Religionsfreiheit – nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung, d. h. all der Rechtsnormen gewährleistet, die formell und materiell mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Vereinbarkeit der Regelungen des Tierschutzgesetzes mit dem Grundgesetz hat das Bundesverfassungsgericht bejaht; zugleich hat es aber festgestellt, dass die Ablehnung einer Ausnahmegenehmigung im konkreten Fall durch die vorausgegangenen Gerichtsentscheidungen unverhältnismäßig gewesen seien. Nach dieser Entscheidung ist 2002 ausdrücklich auch der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz (Art. 20 a) verankert worden. Dieser tritt nun als verfassungsimmanente Schranke seinerseits unmittelbar in Konkurrenz zum Grundrecht der Religionsfreiheit. Das einfach gesetzlich geregelte Genehmigungserfordernis für die Ausübung des Schächtens erscheint damit gewissermaßen als Ausdruck eines praktischen Ausgleichs zwischen den beiden Grundgesetzbestimmungen.
12A. von Campenhausen, Religionsfreiheit (W.), Rz. 96 f.
13BVerfGE 83, 341 Ls. 2 b und S. 355.
14Zur Entwicklung der Religionsfreiheit vgl. insbesondere A. von Campenhausen, Religionsfreiheit (W.), Rz. 6–43; zum ALR: A. Schwennicke, Evangelisches Staatslexikon (Neuauflage), Stuttgart 2006, Sp. 1397 f.; für Bayern: H. Böttcher, Die Entstehung der evangelischen Landeskirche und die Entwicklung ihrer Verfassung (1806–1918), in: G. Müller/H. Weigelt/W. Zorn (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Evangelischen Kirche in Bayern. Zweiter Band. 1800–2000, Sankt Ottilien 2000, S. 1–29 (6).
15Vgl. auch Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 und 4 WRV.
16Art. 7 Abs. 2 GG; Art. 137 Abs. 2 BV; Art. 46 Abs. 4 BayEUG (RS 125).
17Art. 7 Abs. 3 GG; Art. 136 Abs. 3 BV; Art. 46 Abs. 2 Satz 2 BayEUG (RS 125).
18In diesem Falle ist die Frage zwar erlaubt, die Beantwortung jedoch freigestellt (BVerfGE 46, 266).
19BVerfGE 65, 1/38 ff.
20Hess. StGH vom 27. 10. 1965, KirchE 7, 275.
21BVerfGE 52, 223.
22BVerfGE 24, 236/246.
23BVerfGE 24, 236/247 ff.
24K. H. Kästner, Hypertrophie des Grundrechts auf Religionsfreiheit, JZ 1998, S. 974.
25A. von Campenhausen/H. de Wall, Staatskirchenrecht (A.), S. 51 f.
26BVerfGE 33, 23/28 ff.
27BVerfGE 79, 69/76. Im konkreten Fall ging es um die Ablehnung des gemäß Art. 24 Abs. 4 Bayer. Landkreisordnung verlangten Amtseids eines zum Kreisrat Gewählten.
28BVerfGE 12, 1/4. Danach unterliegen die in diesem Zusammenhang häufig zitierten, indes nicht gerade aktuellen Beispiele von glaubensbedingter Polygamie, Ritualmord, Tempelunzucht, Witwenverbrennung u. ä. gerade nicht dem Schutzbereich des Art. 4 GG.
29BVerfGE 32, 98/108.
30BVerfGE 33, 23/32.
31BVerfGE 12, 1/4.
32BVerfGE 32, 98.
33Thesen zum „Kirchenasyl“ des Rates der EKD vom 9./10. September 1994, in: epd-Dokumentation 43/94.
34Dazu B. Huber, Sanctuary: Kirchenasyl im Spannungsverhältnis von strafrechtlicher Verfolgung und verfassungsrechtlicher Legitimation, Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik 1988, S. 153–158; G. Robbers, Kirchliches Asylrecht? Archiv für öffentliches Recht 113 (1988), S. 30–51; U. K. Jacobs, Kirchliches Asylrecht, ZevKR 35 (1990), S. 25–43; H.-P. Hübner, Christlicher Beistand für verfolgte Menschen – Anmerkungen zum „Kirchenasyl“ aus der Sicht eines Kirchenjuristen, in: Una Sancta 1998/3, S 213–220; M. A. Müller, Rechtsprobleme beim „Kirchenasyl“, Baden-Baden 1999.
35Strafrechtliche Vorwürfe gegen Mitglieder von Kirchenvorständen, die sich zur Gewährung von „Kirchenasyl“ entschlossen und einen Beschluss zur Überlassung kirchlicher Räume gemäß § 21 Nr. 3 KGO (RS 300) gefasst haben, z.B. wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt nach § 92 Abs. 1 AuslG sind deshalb nicht auszuschließen, auch wenn die zuständigen staatlichen Behörden über den Aufenthaltsort des Asylbewerbers und das Ziel des „Kirchenasyls“ informiert sind („offenes Kirchenasyl“) und das „Kirchenasyl“ sich nicht gegen die Rechtsordnung als solche richtet, sondern als ultima ratio vielmehr dazu dient, dem Recht dort Geltung zu verschaffen, wo die bisherige staatliche Handhabung diesem nicht gerecht zu werden scheint und eine Überprüfung der staatlichen Anordnung erreicht werden soll. Umfassend dazu A. Radtke/H. Radtke, „Kirchenasyl“ und die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Mitgliedern des Kirchenvorstandes, ZevKR 42 (1997), S. 23–60.
36P. Unruh, Religionsverfassungsrecht (A.), § 5 Rz. 132, 168.
37Jetzt auch Urteil des OLG München vom 3. Mai 2018 (Az.: 4 OLG 13 Ss 54/18). Vgl. dazu das Rundschreiben des LKA vom 8. Mai 2018 betr. Kirchenasyl und unerlaubten Aufenthalt.
38BVerfG NJW 1993, 455 = ZevKR 38 (1993), S. 99; A. von Campenhausen/H. de Wall, Staatskirchenrecht (A.), S. 70 f; W. Bock, in: W. Bock/H. Diefenbacher/H.-R. Reuter, Pazifistische Steuerverweigerung und allgemeine Steuerpflicht, Heidelberg 1992, insbesondere S. 129–202 und 216–119.
39Eingehend dazu P. Unruh, Religionsverfassungsrecht (A.), § 5 Rz. 132.
40BVerfGE 34,165/182; BVerwGE 94, 82/84.
41BVerwGE