Sie packen aus. Mathilde Schwabeneder

Sie packen aus - Mathilde Schwabeneder


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seiner parlamentarischen Immunität abwehren können, doch nun steht er als Angeklagter im Gerichtssaal. Er, das Aushängeschild der Democrazia Cristiana, leugnet beharrlich, jemals Kontakt mit Mitgliedern der Cosa Nostra gehabt zu haben. Eine Begünstigung der Mafia durch ihn habe es niemals gegeben. Da erinnern sich die Ermittler an das umfassende Fotoarchiv von Letizia Battaglia. Sie beginnen zu suchen und werden tatsächlich fündig. Zwei Aufnahmen fallen ihnen in die Hände, eine davon findet das besondere Interesse der Ankläger und wird als Beweismittel im Prozess herangezogen. Das Foto zeigt Giulio Andreotti während einer Wahlkampagne im Juni 1978 in der Empfangshalle des Hotels Zagarella nahe Palermo. An seiner Seite ist der Mafiaboss Nino Salvo zu sehen, der als schwerreicher Unternehmer sowohl die Subventionspolitik der EG für sich nützte als auch seine guten Verbindungen zu den Mächtigen in Rom. Im Gegenzug verschaffte er den Politikern der Democrazia Cristiana Wählerstimmen.

      »Ich habe Giulio Andreotti mit diesem Foto große Schwierigkeiten bereitet«, sagt Letizia Battaglia, »denn er wurde dadurch als Lügner entlarvt. Ab diesem Zeitpunkt war klar: Der mehrfache Regierungschef kannte diesen einflussreichen Mafioso.« Sie selbst hatte dem Foto ursprünglich keine besondere Bedeutung zugemessen, da ihr der gut getarnte Mafiaboss Nino Salvo zur Zeit der Aufnahme kein Begriff war. Daher hatte sie das Foto nicht veröffentlicht. Trotzdem legte sie es fein säuberlich ab. Sie steckte es in einen Umschlag und schrieb »Andreotti« darauf. Dann vergaß sie jenen unauffälligen Abend, der 15 Jahre später zum entscheidenden Indiz in den Ermittlungen wurde. Der Prozess gegen Giulio Andreotti zog sich über Jahre hin. Letztlich musste er »wegen Verjährung freigesprochen werden. Aber«, fügt Letizia Battaglia hinzu, »dank dieses Fotos kann er nicht als wunderbarer Politiker in die Geschichtsbücher eingehen. Er war der erste Regierungschef, der Schmutz auf sein Amt geladen und es damit verraten hatte. Er hat die Mafia in Palermo und in Sizilien für sich genützt. Und das ist ganz, ganz schrecklich.«

      Das Foto selbst bezeichnet sie als eines ihrer schlechtesten. Es sei unscharf, verwackelt und einfach hässlich. »Aber es war nützlich«, sagt sie. Und darüber sei sie immer noch froh.

       Aufgeben? Niemals!

      Letizia Battaglia verfügt über ein riesiges Archiv. 600.000 Fotos stammen aus ihrer Zeit als Fotoreporterin für die Tageszeitung L’Ora, die 1992 eingestellt worden ist. Heute fotografiert sie nicht mehr. Sie steckt ihre ganze Energie in das von ihr gegründete Internationale Zentrum für Fotografie, das 2017 »in einem ehemaligen Industriegebäude« eröffnet worden ist. »Kein reines Museum«, winkt sie ab, das wäre nicht in ihrem Sinn. Und so gibt es neben hochkarätigen Ausstellungen auch Fördermaßnahmen für junge Fotografen aus aller Welt. »Es ist ein Ort der Kultur, an dem man frei denken und kreativ sein kann. Das ist ein ganz wichtiger Teil im Kampf gegen die Mafia.«

      Dieser Kampf ist in ihrem Bereich heute viel schwieriger. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Mafia der Gegenwart ist nicht mehr fotografisch zu dokumentieren. Sie trägt Krawatte, hat einen Hochschulabschluss, investiert in Kunst und ist in der Finanz zu Hause. »Das hässliche Gesicht der Mafia mit coppola (Anm. typische sizilianische Schirmmütze) und lupara (Anm. Jagdgewehr) gehört der Vergangenheit an. Ich hatte aber mit dieser Mafia zu tun. Meine Fotos kommen daher ohne begleitende Anmerkungen aus. Sie sprechen allein für sich. Heute hingegen bräuchten wir mindestens zehn Zeilen Text, um zu sagen: Dieses saubere Arschgesicht gehört einem Mafioso.« Das machte das organisierte Verbrechen vielleicht sogar noch gefährlicher, denn es sei teilweise nicht mehr erkennbar. »Aber die Mafia ist präsenter denn je. Sie hat in alle Gesellschaftsschichten Einzug gehalten.«

      Eines schmerzt Letizia Battaglia zutiefst, wenn sie die vergangenen Jahrzehnte Revue passieren lässt: Sie kann nicht verstehen, warum es dem Staat nicht gelungen ist, die Mafia zu bezwingen. »Ich könnte heulen«, sagt sie, »denn sie haben uns leiden lassen. Nicht alle Sizilianer sind mafiös. Wir wurden vielmehr unterdrückt und man hat uns nicht geholfen.«

      Sie selbst wurde darüber hinaus auch immer wieder an Leib und Leben bedroht. Die Angst war oft so groß, dass sie krank wurde. Aber ans Aufgeben hat sie nie gedacht. Im Namen der Freiheit und der Unabhängigkeit machte sie immer wieder weiter. »Ich bereue nichts«, sagt sie zum Abschluss, »das Leben ist wunderschön und außergewöhnlich. Damit das so bleibt, kämpfe ich weiter. Ich denke, wir haben die Aufgabe, bis zum Schluss zu kämpfen, um so das Beste für die Gesellschaft zu erreichen.«

      Für ihren leidenschaftlichen Einsatz und ihr fotografisches Werk ist Letizia Battaglia vielfach geehrt worden. Viele nationale und internationale Preise geben Zeugnis ihres außergewöhnlichen Wirkens.

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