Gut, mensch zu sein. Klaus Schwertner
Es wird uns alles andere als leichtfallen, wir werden uns gewaltig anstrengen müssen und wir werden lernen, mit Unsicherheiten und Ängsten besser umzugehen, resilienter und widerstandsfähiger zu werden. Die Pandemie ist geradezu ein Lehrstück, um das Leben mit dieser Ungewissheit geduldig zu üben und daraus laufend zu lernen.
Während der Corona-Krise habe ich die für mich überraschende Erfahrung gemacht, dass gerade alte Menschen – also die Hochrisikogruppe Nummer eins – oft gelassener auf das Virus reagierten. Ein hochbetagter Herr aus unserem Pflegewohnhaus in Breitenfurt sagte: „Ich habe in meinem Leben so viele Krisen und sogar Krieg und große Not erlebt, wir werden auch diese Krise überstehen.“ Er verlor eine Angehörige, als in Europa die Spanische Grippe wütete, er überlebte den Zweiten Weltkrieg und er machte die Erfahrung von Entbehrung und bitterer Armut im Österreich der Zwischen- und Nachkriegszeit.
Mit der Pandemie wurde eine globale Bedrohung für viele von uns zum ersten Mal nicht nur als Erkenntnis, sondern auch als simultanes Ereignis und als kollektives Schicksal spürbar. Selten zuvor war uns so bewusst: Wir sitzen alle im selben Boot. Und das ist eine gute Nachricht. Eine Nachricht, die Gutmenschen Hoffnung geben sollte. Und allen anderen im Übrigen unbedingt auch. Vielleicht wird das Jahr 2020 irgendwann in der Zukunft nicht mehr als „Krisenjahr“ beschrieben werden, sondern als ein Jahr der Wende. Als jener Moment in der Geschichte der Menschheit, in der Staaten nach anfänglichen Abschottungstendenzen und nationalstaatlicher Kraftmeierei weltweit begannen, verstärkt zu kooperieren – zuallererst im Kampf gegen die Pandemie, später aber auch im Kampf gegen die Klimakrise und schließlich im gemeinsamen Einsatz für eine Welt ohne Armut und Hunger. Vielleicht wird das Jahr 2020 irgendwann einmal als jenes Jahr gelten, in dem den Menschen weltweit zu dämmern begann, dass sie etwas und sich selbst verändern müssen, um eine gemeinsame und gute Zukunft auf diesem Planeten zu haben. Das ist naiv? Keinesfalls, denn vielleicht werden spätere Generationen über uns einmal sagen, dass wir die Zeichen der Zeiten spät, aber doch noch rechtzeitig erkannt haben, dass das, was uns half, die Pandemie zu besiegen – diese gemeinsame Kraftanstrengung und dieses gemeinsame Engagement –, uns letztlich dabei helfen sollte, der Klimakrise die Stirn zu bieten oder den Hunger in der Welt endlich erfolgreich zu überwinden. Vielleicht werden die aktuellen Krisen irgendwann als jener Punkt in der Geschichte der Menschheit gelten, an dem wir uns grundsätzlicher mit der Frage zu beschäftigen begannen, wie ein gutes Leben in Sicherheit für möglichst alle Menschen auf dieser Welt möglich sein könnte.
Ob das tatsächlich so sein wird, weiß ich nicht. Aber ich bin überzeugt: Das Gerede vom „nahen Ende“ ist was für Anfänger. Wenn das Unvorstellbare in den vergangenen Jahren in so kurzer Zeit plötzlich Wirklichkeit werden konnte, dann kann auch das Gegenteil davon in den nächsten fünf Jahren in die Welt kommen. Wo Dystopie möglich ist, ist auch Raum für Traum und Utopie – und Raum für Menschen, die jeden Tag daran arbeiten, diese Träume Wirklichkeit werden zu lassen.
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